Die Saison geht zu Ende. Und der erreichte Trainingsstand
kann genutzt werden, um noch bei ein paar interessanten Läufen ohne
spezielle Zeitvorgaben an den Start zu gehen. Also verbringe ich den 26.10.2014 auf
der 63,3 Kilometer langen Runde des Remscheider Röntgenlaufes.
Der Tag beginnt mit der Entdeckung, dass ich mir auf Mallorca ein Loch in den Schuh gerissen habe. Dabei hatte der lokale Guide
meine Schuhwahl noch gelobt. Er selbst laufe auch nur noch Inov-8, da diese
Schuhe die einzigen seien, die mehr als drei Läufe auf mallorquinischem Terrain
überstehen. Er habe schon alles probiert von Adidas bis Salomon. Offenbar bezog
sich die Aussage auf die Sohle, die auch bei meinen Tretern noch wie neu ist.
Das Loch habe ich mir aber in den Oberstoff genau neben der Zehenverstärkung gerissen.
Und als wäre das noch nicht genug Ärger zum frühen Morgen, habe ich meinen Chip
vergessen und muss mir einen leihen.
Doch an der Startlinie verfliegen alle negativen Gedanken.
Trockene, windstille zehn Grad bilden ideale Laufbedingungen. Bewusst verhalten
starte ich aus der zweiten Hälfte des Feldes. Ich überhole lieber als überholt
zu werden. Auch wenn das heißt, anfangs im Pulk festzustecken. Ich habe mir ohnehin
keine Zeitvorgabe gesetzt. Schneller als bei meinem Debüt auf diesem Kurs vor
zwei Jahren werde ich sowieso sein. Damals hatte ich fast siebeneinhalb Stunden
benötigt. Heute werde ich sicher nach weniger als sieben Stunden im Ziel sein.
Irgendwann rollt es bergab so gut, dass ich mich bei einem
Schnitt unter sechs Minuten einpendele. Ehrfürchtig lausche ich zwei Läufern,
die von Rennen mit mehr als 400 Kilometer Länge berichten, bevor sie enteilen
und am Horizont verschwinden. Dafür kommt ein Mitstreiter ins Visier, der wie
ein Pace-Maker unterwegs ist. Denn er trägt ein „4:15“-Schild am Rücken, womit
er seine geplante Marathon-Durchgangszeit angibt. Mit einem unguten Gefühl
überhole ich ihn. Besser wäre es wohl, dieses Tempo mitzugehen. Immerhin
entspräche das einer 6er Pace. Mehr möchte ich mir heute nicht abverlangen.
Kurz vor der Halbmarathonmarke hole ich Ralf ein. Wir waren
lose für den Lauf verabredet, hatten uns aber im Startbereich aus den Augen
verloren. Ab jetzt laufen wir gemeinsam. Nach dem weniger attraktiven ersten
Drittel der Strecke, beginnt jetzt das Bergische Land seine Schönheiten zu
zeigen. Neben ein paar knackigen Anstiegen gibt es auch bekannte
Sehenswürdigkeiten wie Schloss Burg und die Müngstener Brücke zu sehen.
An einem dieser Anstiege legen wir ein stoffwechselbedingtes
Päuschen ein. Dabei zieht der 4:15-Hase mit seinem Gefolge an uns vorbei. Es
kostet uns eine gefühlte Ewigkeit, bis wir ihn eingeholt haben. Inzwischen hat
er seine Begleiter verloren. Und auch mir fällt es zunehmend schwer sein Tempo
zu halten.
In jedem Ultra kommt irgendwann die Krise. Bei mir ist es diesmal
schon vor der Marathondistanz so weit. Unsere Geschwindigkeit macht mir
Probleme. Und meine Begleiter prügeln noch die meisten der Hügel ungebremst hoch.
Doch als wir punktgenau mit 4:15 durchs Marathonziel (wo heute 20% der Ultras vorzeitig abbrechen) laufen, und ich mich an
der dortigen Station verpflegt habe, geht es mir schlagartig besser. Verflogen
sind alle Zweifel. Das letzte Drittel packe ich jetzt auch noch. Und tatsächlich
werden wir jetzt schneller! Natürlich tut es weh, aber der Kopf ist diesmal nicht
wund. Auch beschränken sich die körperlichen Unpässlichkeiten heute auf die unteren
Extremitäten – keine Magenprobleme, kein Hammermann. Und trotzdem: bei
Kilometer 50 frage ich mich, wie ich es im Juli geschafft habe, dieselbe Distanz nochmal anzuhängen. Dreizehn weitere Kilometer liegen jedoch im Bereich des
Vorstellbaren. Aber auch die ziehen sich!
Ich kann mich kaum an Streckendetails der ersten
Teilnahme erinnern. Das liegt vielleicht auch daran, dass der Verlauf an
einigen Stellen verändert wurde. Bei Kilometer 60 geht es diesmal scharf nach
rechts hinab in einen ruppigen Pfad. Das schmerzt zwar in den Beinen, doch
solches Gelände liebe ich! Nur wenige solcher "trailigen" Abschnitte hat dieser Lauf. Als im Wald der finale Anstieg lauert, falle ich aus
Gewohnheit wieder in strategisches Gehen. Bis ich mich frage, wofür ich jetzt
eigentlich noch Kraft sparen soll. Also laufe ich den Berg hoch und erfahre
oben, dass es nur noch 400 Meter bis zum Ziel sind. Diese letzten Meter sind
pures Glück!
Rosinenschnecke mit Weißbier – was für eine Kombination!
Doch im Ziel erscheint mir diese schwer verdiente Labsal überaus köstlich. Mit
6 Stunden und 22 Minuten war ich mit einer guten 6er Pace unterwegs und über eine Stunde schneller
als beim letzten Mal. Das habe ich nicht zuletzt unserem Zugläufer Dirk zu
verdanken. Ohne seine konstante Tempovorgabe hätten Ralf und ich uns dieses
Tempo heute wohl eher nicht abverlangt.
Zur Belohnung will ich mir diesmal endlich den Aufkleber mit
dem „Röntgenmann“ – ein Läufer mit durchscheinendem Skelett – kaufen. Das
begehrte Logo des Laufes ist leider schon vergriffen. Da werde ich wohl
nächstes Jahr die Strecke nochmal laufen müssen.
Glückwunsch zum Finish! Und das in einer tollen Zeit!
AntwortenLöschenDanke, Markus!
LöschenWahnsinn! Einfach mal so zum Saisonabschluss 63 Km. Im 6er Schnitt.
AntwortenLöschenHut ab und tief verbeugt.
Sehr reife Leistung :-)
Liebe Grüße
Helge
Danke, Helge!
LöschenJe reifer der Läufer, desto reifer die Leistung! ;-)
Oh Mann, nicht nur Klasse, sondern Extra-Klasse! Nach über 60 km noch einen solchen Anstieg hochrennen... und dazu eine Stunde verbessert... und dann in DEM Gelände einen solchen Schnitt... super-prima-hammerhart! Tja, und den Grund, nächstes Jahr nochmals teilzunehmen, hast Du ja dann schon genannt! ;-)
AntwortenLöschenLiebe Grüße und gute Erholung!
Elke
Vielen Dank, Elke, für das überschwängliche Lob! Eigentlich wollte ich ja keine Läufe mehr doppelt machen. Aber da ich mich sowieso an fast nichts mehr erinnern konnte, war es kein Problem. Ich vermute, dieses Phänomen wird sich künftig noch verstärken. Insofern steht weiteren Teilnahmen nichts im (Röntgen-)Weg.
LöschenRespekt. Ich habe es nun endlich geschafft Deinen Beitrag zum Lauf zu lesen. Schade, dass kein Aufkleber mehr da war. Aber ein schöner Grund im nächsten Jahr nochmals am Start zu stehen!
AntwortenLöschenViele Grüße, Claudi
Hallo Claudi, inzwischen sind doch schon wieder neue Heldentaten vollbracht ;-)
Löschenooops, ich hab das heute erst gelesen. Passiert aber nicht noch einmal, denn ich habe Dich jetzt in meine Blogroll eingetragen ;-)
AntwortenLöschenAlso nun auch von mir ein nachträgliches HERZLICHEN GLÜCKWUNSCH zum Ultra-Finish! Eine sehr starke Leistung - Rrrrespekt!!
Danke Eddy für den Glückwunsch und die Aufnahme in den erlauschten Kreis! Da werde ich gleich mal einen Gegenbesuch starten.
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