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Startaufstellung vor nebelverhangenen Hügeln |
Das Team mit Ralf
hat sich mittlerweile bewährt. Gemeinsam feiern wir heute unser „Einjähriges“. Mit einer vagen Vorgabe von „um die vier Stunden“ wollen wir die Komfortzone nicht verlassen. Doch dafür sind wir von
Anfang an zu schnell. Und Ralf lässt immer wieder mal durchblicken, dass er
nicht glaube, das Tempo bis ins Ziel halten zu können. Auch mir ist um Kilometer
19 herum mulmig angesichts der 5:30er Pace. Eigentlich grundlos, denn auf so manchem der langen Trainingsläufe des zu Ende gehenden Jahres war ich schneller unterwegs.
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Durch die schroffen Felsen des Siebengebirges |
Nach dem
tagelangen Dauerregen ist der Weg nicht einfach nur matschig, sondern
gleicht stellenweise einem Bächlein. Davon abgesehen herrschen
Idealbedingungen. Durch die Windstille fühlen sich die 2 Grad am Start so warm
an, dass ich mich auf Langarm-Hemd mit darübergezogenem T-Shirt beschränke.
Komplettiert wird dieser Aufzug durch lange Hose, Kappe und dünne
Fleece-Handschuhe. Unterwegs sind alle Bekleidungsvarianten von kurz-kurz bis
zur dicken Regenjacke mit Sturmhaube zu beobachten.
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Das Thermometer zeigt 2,2 Grad beim Start und 4,4 Grad bei Zieleinlauf |
Im letzten Jahr
hatte ich auf einen Fotostopp am Aussichtspunkt mit Blick zum Petersberg
verzichtet. Das will ich dieses Jahr nachholen und halte schon mal das Handy
bereit. Doch es ist so neblig, dass sich ein Halt nicht lohnt. Später heben sich die Nebel und geben den Blick auf blaue Segmente am Himmel frei. Ab und an
bricht sogar die Sonne durch. Leider nicht lange genug. Bis ich die Handschuhe abgestreift
und das Telefon hervorgekramt habe, hat sich das perfekte Licht einem Foto
bereits wieder entzogen.
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Den Sonnenschein knapp verpasst |
Da wir uns am
Start relativ weit hinten aufgestellt haben, arbeiten wir uns durchs Feld. Das bedeutet, dass wir einen ganzen Marathon lang nur überholen. Allein
das ist schon ein Genuss. In den Zwanzigern schließt ein Herr in Neongelb zu
uns auf, der unsere Frotzeleien angesichts derart auffälliger Bekleidung
fröhlich erwidert. Die Chemie stimmt also, und wir streben fortan als Trio dem
Ziel entgegen. Überhaupt scheint die Stimmung auf der Strecke gut. Zweimal überholen wir einzelne Frauen, und beide zeigen ein strahlendes Lächeln. So muss sich Marathon anfühlen!
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Die schneebedeckten Hänge des Siebengebirges |
Im Wald haben
sich doch tatsächlich zwei Zuschauer an die Strecke verirrt. Viele Kilometer weiter entdecken wir nochmal zwei und witzeln,
nun habe sich die Zuschauerzahl verdoppelt. Doch weit gefehlt! Beim Näherkommen
entpuppen sich die beiden als das uns schon bekannte Pärchen.
Bei Kilometer 27,
also noch vor der kritischen 30 und weit vor der noch kritischeren 35, geht mir
ein seltsamer Gedanke durchs Hirn. „Bloß noch 15 Kilometer!“, denke ich und bin
im selben Moment erstaunt über diese optimistische Sichtweise. Jetzt ist mir klar,
dass heute alles gut wird. Ein mentaler Durchbruch, sozusagen.
Mehrfach
überholen wir einen Rucksackträger, der an den folgenden Verpflegungspunkten
wieder an uns vorbei zieht. Irgendwo in den hohen 30ern hat er wohl keine Lust
mehr auf dieses Spiel und prescht in einem Affenzahn nach vorn. Das einzige
Mal, dass wir tatsächlich überholt werden. Wir lassen ihn ziehen. Unsere Pace
ist so konstant, dass eine Zielzeit von 3:47 zu erwarten ist. Als ich erwähne,
dass der Mann mit Rucksack wahrscheinlich versucht, unter 3:45 zu kommen,
scheine ich bei Ralf einen Schalter umzulegen. Als hätte ich ihn auf die Fährte
des Berucksackten gesetzt, schnürt er plötzlich los. Und ich hinterher. Kurz vor Kilometer 40 zollt uns der Verfolgte seinen Respekt, als wir mit einer 4er
Pace an ihm vorbei ins Ziel stürmen.
Fast hätten wir
es nicht lebend erreicht. Ein Autofahrer auf Parkplatzsuche lässt sich nur
durch unsere verzweifelten Schreie davon abhalten, über den Fußweg und damit
über uns zu fahren.
„Das sieht ja
noch locker aus!“, bekommen wir von einer versprengten Zuschauerin zu hören und
lassen die Bemerkung wie Öl runtergehen, bevor wir - noch unter 3:42 - auf dem
roten Teppich ins warme Bürgerhaus einlaufen.
Damit bin ich zum neunten Mal in
diesem Jahr über die 42-km-Marke hinaus gelaufen und gönne mir
jetzt Regeneration bis zum Jahr 2015!