Montag, 17. September 2018

Bergziege Baldeney – Trailrun Urban Challenge


Auf Plüschtier-Jagd am Palmenstrand
 
Die Straßenläufer starten heute beim Halbmarathon am Fühlinger See, und den Ultra-Trail-Freunden werden die Strecken von 9,5 km auf der Sprint- bzw. 19 km auf der Classic-Distanz zu kurz sein. Wer kommt also zu einem Rennen, das sich „Bergziege Baldeney – Trailrun Urban Challenge“ nennt, über 222 Hm (Sprint) oder 444 Hm (Classic) verfügt, ein paar schöne Single-Trails aufweist, aber zu rund 50% auf Asphalt verläuft? Der Junior und ich!

Zieleinlauf am Strand unter Palmen
Außer uns haben sich pro Wettbewerb noch ca. jeweils 100 weitere Starter am Essener Baldeneysee eingefunden. Da es keine Altersklassenwertung gibt, will der Filius eben Gesamtsieger werden. Aufgrund seiner Jugend ist er nur zur Sprint-Strecke zugelassen. Ich laufe die Sprint-Runde zweimal, was sich dann Classic-Trailrun nennt.

Wir Classicer starten zuerst. Wie die Wahnsinnigen prügeln alle los. Ich versuche einigermaßen vorne dabei zu bleiben. Sind die wirklich alle so schnell? Zumindest die ersten Drei sind es. Sie entschwinden bald meinem Blick. Nach einem initialen Anstieg hat sich das Feld einigermaßen sortiert. Ich laufe neben zwei Mitstreitern an bzw. um Rang Vier. Die beiden sind unheimlich stark am Berg, während ich mit den Downhills und auf der Geraden besser klarkomme.

Gelegentlich sieht man Läufer mit Badekappe und Schwimmbrille durch den Wald huschen. Das liegt daran, dass dieser Trailrun nur ein Nebenprodukt des eigentlich stattfindenden Swim&Run-Wettbewerbs ist. Und sobald Wasser ins Spiel kommt, steigen die Startgelder in Richtung Triathlon-Niveau. Überhaupt scheint man mit dem Swim&Run einen neuen Markt erschließen zu wollen. Jedenfalls lag dem Startbeutel ein Rabattcode für Schuhwerk bei, mit dem man sowohl Laufen als auch Schwimmen kann. Vorbei sind die Zatopek’schen Zeiten, in denen man einfach mit Turnhose, Unterhemd und Armeestiefeln trainierte. Einige trauten sich ohne Trinkrucksack gar nicht an den Start der 9-km-Strecke.

Moderator Andi Menz
An diesem Start am palmenbestandenen Strand des "Seaside Beach Baldeney" komme ich nach der ersten Runde wieder vorbei. Nur, keinen interessiert’s! Was treiben die Organisatoren und der Moderator eigentlich inzwischen? Seltsamerweise begegnet mir hier nur ein Läufer der Führungsgruppe. Dann kommt mir schon mein Sohn, der fünf Minuten nach uns gestartet war, entgegen. Ich hebe die Hand, um ihn abzuklatschen. Das bezieht der Läufer vor ihm auf sich und gibt mir High-Five, bevor ich meinen Sohn erwische.

Was ich nicht weiß: der Mann vor meinem Spross ist der Führende über die Sprint-Distanz. Mein Sohn läuft das ganze Rennen direkt hinter ihm, um ihn erst kurz vor dem Ziel zu überholen und sich so den Gesamtsieg zu sichern.

Kalte Freiluftdusche direkt an der Zielgeraden
In der ersten Kehre sehe ich, dass ich gute 50 Meter Vorsprung auf mein Verfolger-Duo herausgelaufen habe. Vor mir ist ohnehin keiner mehr zu sehen. Ich stelle mich auf ein einsames Rennen ein. So viel Überheblichkeit rächt sich. Am nächsten Hügel sprintet einer der beiden vermeintlich weit hinter mir Laufenden in so einem Affenzahn an mir vorbei, dass ich gar nicht erst versuche dranzubleiben. Genau das war sein Plan, wie er mir später im Ziel verrät.

Gerade habe ich mich mit meinem Schicksal arrangiert, da kann ich kaum glauben, dass ich schon wieder Schritte hinter mir höre. Diesmal bergab! Es ist der verbliebene Duo-Teil. Wir laufen eine ganze Weile im Flachen Brust an Brust. Dann erreichen wir den letzten Anstieg. Mit den Worten: „Jetzt müssen wir nochmal die Zähne zusammenbeißen!“ sprintet er nach oben.

Start-/Zielbogen
Ich kann die beiden jungen Männer immer noch vor mir sehen und hoffe auf meinen Endspurt, wenn es vier Kilometer flach am Seeufer ins Ziel geht. Offenbar fighten die beiden dort aber ihrerseits eine Platzierung aus, so dass sie mehr enteilen, als dass ich näher komme. Erst im Zielbereich gerät der Zweikampf-Unterlegene noch in Sichtweite. Es ist übrigens der affenzahnschnelle Bergsprinter.

Im Ziel stellt sich heraus, dass ich Fünfter bin, also die ganze Zeit an dritter Position gelaufen war. Ob ich mich zu mehr Gegenwehr hätte motivieren können, wenn ich gewusst hätte, dass ich einen Treppchenplatz zu verteidigen hatte?

Der Nachwuchs nimmt seinen Platz auf dem Podest ein und bekommt die Siegertrophäe: eine Plüsch-Bergziege! Angesichts des Alters meines Sohnes meint der Moderator bei der Übergabe: „Die kommt dann wohl zu den anderen Kuscheltieren!


Montag, 10. September 2018

Nach 24-Stundenlauf wird Triathlon zum Duathlon


Wenn du beim Wettkampf zu schnell bist

Am Samstag habe ich Sportverbot. Meine Kinder haben es mir auferlegt, da sie sich davon eine maximale Leistung bei unserer gemeinsamen, sonntäglichen Triathlon-Staffel erhoffen. Schließlich gelte ich als das schwächste Glied im Team.

Also verbringe ich den Tag essend auf der Couch. Vorm Zubettgehen wiege ich vier Kilo mehr als am Vorabend, den ich beim 24-Stundenlauf in Ratingen Breitscheid verbrachte. Ein traumhafter Sonnenuntergang wurde von einer sternenklaren, kalten Nacht gefolgt. Es war ein Genuss, diesen Übergang laufend zu erleben. Nach 40 Kilometern hatte ich das gebuchte Nicht-Ultra-Ticket komplett ausgereizt. Gereizt war auch die Achillessehne. Zusätzlich meldete sich ein Schmerz in der linken Leiste. Die von den Kindern auferlegte Restriktion erscheint nicht völlig unangebracht.

Vorm Triathlon-Start bin ich so aufgeregt, dass ich einen neuen persönlichen Rekord aufstelle. Der nervöse Magen verlangt mir sechs Toilettengänge ab. Vielleicht besteht auch ein gewisser Zusammenhang mit der Vier-Kilo-Fressorgie des Vortages. Nicht umsonst spricht man davon „sich zu erleichtern“. Das Wettkampfgewicht dürfte wieder passen.

Ehrfurchtsvoll schreite ich in unserer Wechselzone den Fuhrpark ab. Außer dem meinen mache ich nur noch ein weiteres Tourenrad und ein Mountainbike inmitten der hochgezüchteten Rennradflotte aus. Dabei befinde ich mich lediglich in der Staffel-Zone des „Volkstriathlons“. Da wird auch Brust geschwommen!

Beginn der 2. Runde
Meine Tochter ist inzwischen der Familienstaffel entwachsen, so dass wir diesmal die doppelte Distanz (500 m Schwimmen, 20 km Rad, 5 km Laufen) absolvieren dürfen. Sie kommt als Dritte aus dem Wasser. Ich sprinte zu meinem Rad, das auf seinem Ständer steht, weil sowohl Sattel als auch Lenker zu hoch sind, um unter die Aufhängestange zu passen. Vielleicht habe ich da auch was falsch gemacht. Jedenfalls steige ich am Ende der Wechselzone genauso unbeholfen auf wie letztes Jahr. Trainiert habe ich nämlich überhaupt nichts. Die beiden hinter mir stellen sich aber noch mehr an und krachen mit ihren Rennmaschinen ineinander.

Nach meiner Beobachtung sind zwei Radler vor mir auf die Strecke gegangen. Schon bald liege ich aber an Rang Fünf. An der Steigung kann ich mich wieder auf Platz Vier zurückkämpfen. Aber spätestens auf der zweiten 10-km-Runde, als auch die Familienstaffeln sowie Swim&Run dazu kommen, verliere ich völlig den Überblick. Ich werde oft überholt. Sehr oft! Am meisten beeindruckt mich ein kleiner Junge auf einem großen Rennrad, der an mir vorbeizieht. Zweimal kann ich ihn wieder überholen. Doch letztlich fährt er mir weg. Erst im Tumult bei der Einfahrt in die Wechselzone kann ich ihn und ein paar andere doch wieder hinter mir lassen. Drei weitere Kandidaten übersprinte ich beim Schieben in der Wechselzone. Ich hoffe, das ist erlaubt. 

Als ich drei Minuten früher als in unserer Hochrechnung an die Staffel-Übergabe-Stelle herankeuche, sehe ich meinen Sohn nicht. Ich laufe vor der wartenden Gruppe auf und ab und brülle seinen Namen. Nichts! Der Kerl ist nicht da! Kurzentschlossen laufe ich selber los. Meiner Frau kann ich noch zurufen, sie möge mir den Filius nachsenden, sollte es diesem noch belieben zu erscheinen. Möglicherweise treffe ich auch eine andere Wortwahl. 

Dann wird das eben mein erster Duathlon. Eine interessante Erfahrung. Ich muss beim Laufen erstmal wieder zu Atem kommen! Fast habe ich die erste der beiden Runden geschafft. Da sehe ich an einer Begegnungsstelle den Nachwuchs heraneilen. Er springt aber nicht herüber in meine Spur, sondern läuft die gesamte Strecke. Obwohl ich stehenbleibe, muss ich eine ganze Weile auf ihn warten. Ich fummele ihm den Chip dran, dann sprintet er von hinnen. Haben wir uns mit dieser Aktion disqualifiziert? Wir haben uns ja beileibe keinen Vorteil verschafft. Fest steht, unsere realistische Chance auf den dritten Platz ist Futsch.

Die nachträgliche, kritische Wettkampf-Analyse ergibt: „Papa, du warst einfach zu schnell auf dem Rad!

Dienstag, 4. September 2018

Doppeldecker auf der Kö


Wenn es erst nach dem Lauf so richtig weh tut

Mein Bemühen um mehr Geschwindigkeit im Training wird flankiert von dem Bedürfnis, endlich wieder ein paar Kilometer in die Beine zu bekommen. Ein Doppeldecker-Wochenende mit Wettkampfteilnahme scheint demnach angemessen zu sein. Der Halbmarathon beim Düsseldorfer Kö-Lauf bietet sich an.

Doppeldecker auf der Kö
Einlaufen erübrigt sich, da ich die 15 Kilometer lange Anreise mit dem Fahrrad bewerkstelligt habe. Die Beine spüre ich schon auf dem ersten Kilometer. Am Vortag hatte ich nämlich nicht schlecht gestaunt, wie schwer mir ein 30er gefallen war. Da hat man mal ein paar Wochen keine langen Läufe unternommen, schon hat der Körper vergessen, dass er einst einen Ultraläufer beherbergte. Weitere 30 Kilometer absolvierte ich am Nachmittag lieber mit dem Fahrrad.

Mir ist klar, dass heute keine Bestleistung zu erwarten ist, aber unter 1:30 würde ich gerne finishen. Als mich jedoch eine in Ehren ergraute Dame überholt, packt mich der Ehrgeiz. Ich versuche, an der langjährigen Erfahrung der Frau teilzuhaben. Die ersten beiden Kilometer vergehen dadurch in 4:07, 4:08. Dann fällt meine Motivatorin zurück, was mir Gelegenheit gibt, ein passenderes Tempo von 4:13 min/km anzuschlagen. Die Temporeduktion bewirkt, dass sich eine Vertreterin der W30 vor mich setzt. Wie sich zeigt, wird sie von einer noch jüngeren Verfolgerin gehetzt.

Start-/Zielbereich vor dem Kaufhof-Gebäude
Als Trio absolvieren wir die erste der beiden Runden des überaus attraktiven Kurses. Von der Kö geht es am Schwanenspiegel und am Rheinturm vorbei in den Handelshafen, wo wir direkt am Wasser entlang geführt werden und so die Rückseite der Gehry-Bauten passieren. Zurück auf der Kö bietet diese einen seltenen Anblick. Sie liegt als lange Gerade menschen- und autofrei vor uns. An ihrem Ende lockt der Zielbogen. Doch eine Schleife durch den Hofgarten gehört noch zur Strecke. Hier gibt es im Bereich einer Baustelle sogar ein paar Meter Trail. Bestzeitentauglich ist der enge, winklige Kurs vermutlich nicht, aber es wird hier deutlich mehr Sightseeing pro Kilometer geboten als beim lokalen Marathon.

Feststimmung vorm Steigenberger Parkhotel
Exakt nach einer Runde lassen die beiden Damen nach und mich allein. Ich treffe auf eine andere Frau. An der engen Begegnungsstelle im Hafenbereich kommt mir Sonja Oberem entgegen. Im hinteren Feld! Wer hätte gedacht, dass ich mal vor der ehemaligen Olympionikin im Ziel sein würde! Gut erinnere ich mich noch an den Marathon 2013 auf Mallorca. Da begegnete sie mir ebenfalls. Nur führte sie damals die Damenwertung an, während ich irgendwo in der Menge gegen die Hitze kämpfte.

Ich beginne vom Zeitpolster der ersten Hälfte zu zehren. Dort wo bei anderen der innere Schweinehund sitzt, wohnt bei mir anscheinend der innere Macho. Und der klingelt ein paar Reserven heraus, als beim 17. Kilometer die "junge Verfolgerin" wieder auftaucht und zum Überholen ansetzt. Es reicht, um den weiblichen Nachwuchs auf Distanz zu halten. Die Männer der eigenen Altersklasse ziehen stattdessen vorbei. Besonders demütigend der Herr, der an jeder Getränkestation stehen bleibt und genüsslich seinen Becher leert, um dann wieder an mir vorbei zu eilen.

Startbogen
Der Startbogen kommt in Sicht und mein Mut sinkt. Bei einem Lauf über zwei Runden war ich davon ausgegangen, dass man nach den beiden Umdrehungen dann eben auch im Ziel ist. Stattdessen fehlt noch ein Kilometer. Wir müssen die Kö nochmal halb hoch und wieder runter rennen. Der Endspurt fällt heute aus. Es reicht mit 1:29:18 trotzdem zur „sub 1:30“.

Hatte Erdinger uns vor zwei Jahren hier noch mit Bier in festem Aggregatzustand abgespeist, gibt es diesmal wieder flüssiges Weizen. Doch wird es nur noch in 0,33er Bechern ausgeschenkt.

Nachdem der erste Durst gestillt ist, treffe ich die weibliche Siegerin. Sie erhebt sich gerade von der Massage-Liege. Ich nutze die Gelegenheit und nehme ihren Platz ein. Seit geraumer Zeit hatte ich die Zielmassagen gemieden. Zu lange Wartezeit für ein bisschen Eincremen mit Streicheln war meine Erfahrung. Doch diese Physiotherapeutin ist von einem anderen Schlag! Unter dem Druck ihrer Fingerspitzen auf meinen verspannten Waden kralle ich meine Nägel in das Gestell der Massagebank und erkenne unfreiwillig, wozu die Öffnung in der Liegefläche auf Kopfhöhe dient. Dort kann man seinen Schmerz herausschreien! Gegen die Qualen dieser Massage war der Lauf die reinste Wellness.

Nach Hause radele ich in sehr kleinem Gang.