Auf Plüschtier-Jagd am Palmenstrand
Die Straßenläufer starten heute beim Halbmarathon am Fühlinger
See, und den Ultra-Trail-Freunden werden die Strecken von 9,5 km auf der Sprint-
bzw. 19 km auf der Classic-Distanz zu kurz sein. Wer kommt also zu einem
Rennen, das sich „Bergziege Baldeney – Trailrun Urban Challenge“ nennt, über
222 Hm (Sprint) oder 444 Hm (Classic) verfügt, ein paar schöne Single-Trails
aufweist, aber zu rund 50% auf Asphalt verläuft? Der Junior und ich!
Zieleinlauf am Strand unter Palmen |
Außer uns haben sich pro Wettbewerb noch ca. jeweils 100
weitere Starter am Essener Baldeneysee eingefunden. Da es keine Altersklassenwertung gibt, will der Filius
eben Gesamtsieger werden. Aufgrund seiner Jugend ist er nur zur Sprint-Strecke
zugelassen. Ich laufe die Sprint-Runde zweimal, was sich dann Classic-Trailrun
nennt.
Wir Classicer starten zuerst. Wie die Wahnsinnigen prügeln
alle los. Ich versuche einigermaßen vorne dabei zu bleiben. Sind die wirklich
alle so schnell? Zumindest die ersten Drei sind es. Sie entschwinden bald
meinem Blick. Nach einem initialen Anstieg hat sich das Feld einigermaßen sortiert.
Ich laufe neben zwei Mitstreitern an bzw. um Rang Vier. Die beiden sind unheimlich
stark am Berg, während ich mit den Downhills und auf der Geraden besser klarkomme.
Gelegentlich sieht man Läufer mit Badekappe und Schwimmbrille
durch den Wald huschen. Das liegt daran, dass dieser Trailrun nur ein
Nebenprodukt des eigentlich stattfindenden Swim&Run-Wettbewerbs ist. Und
sobald Wasser ins Spiel kommt, steigen die Startgelder in Richtung Triathlon-Niveau.
Überhaupt scheint man mit dem Swim&Run einen neuen Markt
erschließen zu wollen. Jedenfalls lag dem Startbeutel ein Rabattcode für Schuhwerk bei, mit dem man sowohl Laufen als auch Schwimmen kann. Vorbei sind die
Zatopek’schen Zeiten, in denen man einfach mit Turnhose, Unterhemd und Armeestiefeln trainierte. Einige trauten sich ohne Trinkrucksack gar nicht an den Start der 9-km-Strecke.
Moderator Andi Menz |
An diesem Start am palmenbestandenen Strand des "Seaside Beach Baldeney" komme ich nach der ersten Runde wieder vorbei.
Nur, keinen interessiert’s! Was treiben die Organisatoren und der Moderator eigentlich
inzwischen? Seltsamerweise begegnet mir hier nur ein Läufer der Führungsgruppe.
Dann kommt mir schon mein Sohn, der fünf Minuten nach uns gestartet war,
entgegen. Ich hebe die Hand, um ihn abzuklatschen. Das bezieht der Läufer vor
ihm auf sich und gibt mir High-Five, bevor ich meinen Sohn erwische.
Was ich nicht weiß: der Mann vor meinem Spross ist der
Führende über die Sprint-Distanz. Mein Sohn läuft das ganze Rennen direkt hinter
ihm, um ihn erst kurz vor dem Ziel zu überholen und sich so den Gesamtsieg zu
sichern.
Kalte Freiluftdusche direkt an der Zielgeraden |
In der ersten Kehre sehe ich, dass ich gute 50 Meter
Vorsprung auf mein Verfolger-Duo herausgelaufen habe. Vor mir ist ohnehin
keiner mehr zu sehen. Ich stelle mich auf ein einsames Rennen ein. So viel
Überheblichkeit rächt sich. Am nächsten Hügel sprintet einer der beiden
vermeintlich weit hinter mir Laufenden in so einem Affenzahn an mir vorbei,
dass ich gar nicht erst versuche dranzubleiben. Genau das war sein Plan, wie er
mir später im Ziel verrät.
Gerade habe ich mich mit meinem Schicksal arrangiert, da
kann ich kaum glauben, dass ich schon wieder Schritte hinter mir höre. Diesmal
bergab! Es ist der verbliebene Duo-Teil. Wir laufen eine ganze Weile im Flachen
Brust an Brust. Dann erreichen wir den letzten Anstieg. Mit den Worten: „Jetzt müssen wir
nochmal die Zähne zusammenbeißen!“ sprintet er nach oben.
Start-/Zielbogen |
Ich kann die beiden jungen Männer immer noch vor mir sehen und hoffe auf
meinen Endspurt, wenn es vier Kilometer flach am Seeufer ins Ziel geht. Offenbar
fighten die beiden dort aber ihrerseits eine Platzierung aus, so dass sie mehr enteilen, als dass ich näher komme. Erst im Zielbereich gerät der Zweikampf-Unterlegene noch in Sichtweite. Es ist übrigens der
affenzahnschnelle Bergsprinter.
Im Ziel stellt sich heraus, dass ich Fünfter bin, also die
ganze Zeit an dritter Position gelaufen war. Ob ich mich zu mehr Gegenwehr
hätte motivieren können, wenn ich gewusst hätte, dass ich einen Treppchenplatz
zu verteidigen hatte?
Der Nachwuchs nimmt seinen Platz auf dem Podest ein und bekommt
die Siegertrophäe: eine Plüsch-Bergziege! Angesichts des Alters meines Sohnes
meint der Moderator bei der Übergabe: „Die kommt dann wohl zu den anderen
Kuscheltieren!“