Dienstag, 17. April 2018

100 km "Rund um Solingen" - 2018

Früher waren 100-km-Läufer harte Kerle. Sie rannten zu nachtschlafener Zeit "Rund um Solingen". Inzwischen hat Verweichlichung um sich gegriffen, denn die Veranstaltung beginnt jetzt eine Stunde später - also um 6 Uhr.

Wupper-Kotten
Am Start treffe ich Claudi und frage sie, ob sie beide der zwei 50-km-Runden mitläuft. Sie antwortet mit einem einfachen "Ja". Dabei stellt sich nach dem Start heraus, dass sie heute Guide und Pacemaker in einer Person ist und uns über die 100 km in gleichmäßigem Tempo führen wird. Ich liebe dieses Understatement! Es erinnert mich an einen Lauf neulich. Da wurde Simone unterwegs gefragt, ob sie den Röntgenlauf kenne. Auch sie antwortete nur mit "Ja". Dabei hat sie dieses Rennen schon zweimal gewonnen!

Schon bald wird es hell. Und mit der Sonne kommt die Wärme. Schicht um Schicht entblättere ich mich ins Begleitfahrzeug, das etwa aller 10 km als VP fungiert und auch unsere Kleiderbeutel transportiert.

Mobiler VP

Nach der ersten Runde verlassen uns die 50-km-Läufer und wohl auch ein paar Aussteiger. Von 20 gemeldeten 100-km-Aspiranten waren 17 gestartet. Im Ziel werden wir jedoch nur zu neunt ankommen. Ein bisschen beneide ich diejenigen, die jetzt noch den ganzen sonnigen Samstag auf der Terrasse herumlümmeln können. Es ist ja erst Mittag. Aber wir werden noch bis zum Abend weiterlaufen!

Nun wird das Tempo gleichmäßiger. In der großen Gruppe führte jede Verengung zu Stau mit nervigem Stop&Go. Im Pulk hatte ich sogar eine Stufe übersehen und mich auf allen Vieren wiedergefunden.

Claudi umschwirrt uns wie ein Hütehund. Mal bremst sie vorne, mal zieht sie hinten. Und immer behält sie ihre gute Laune! Bei km 90 dreht sie so richtig auf und zieht alle Motivationsregister. Zwei Mitläufer wollen hier aussteigen. Aber es gelingt ihr, die beiden zum Weiterlaufen aufzubauen.

Die letzten Kilometer haben es ziemlich in sich. Es geht sehr lange und recht steil bergauf. Die einheimischen Begleitläufer sprechen allerdings nur von einem "Bergischen Hubbel". Mit 1300 Hm gilt die Strecke für Bergische Verhältnisse als "entschärft". Mir fällt es trotzdem zunehmend schwer. Die Achillessehnen ächzen, und am linken Fuß fühlt es sich an, als ob sich der Nagel des kleinen Zehs ins Fleisch des Nachbarzehs bohrt. Am 95-km-VP schaue ich mal nach, wie tief er schon "drin" ist. Aber der Nachbarzeh ist völlig intakt! Der Nagel des kleinen Zehs ist unter Druck geraten und schmerzt. Für die verbleibenden 5 km ist das eine erträgliche Kleinigkeit. Aber für weitere 66 km wie sie zu Pfingsten geplant sind?

Diese letzte, kurze Pause lässt uns alle sofort frösteln. Zum Heizen ist keine Energie mehr übrig. Da bleibt nur Laufen, um warm zu werden. Und so erreichen wir alle gemeinsam das Freibad Ittertal nach 13:22:40, wo wir köstlich bewirtet werden und sogar Pokale erhalten.

Donnerstag, 12. April 2018

Eine von Bergischen 5

Ich bin dahinter gekommen, warum uns Oli, der Veranstalter des Etappenlaufes "Die Bergischen 5", schon um 7 Uhr loslaufen lässt. Er wartet noch auf die Lieferung eines Schlafzimmers in seine neue Wohnung. Ohne richtiges Bett kann der Mann vermutlich einfach nicht länger schlafen!

Mit roten Augen stehe ich als frischgebackener "Rookie-Finisher" am Start. Den lustigen Titel erwarb ich  anlässlich der österlichen "Tour de Anger", bei der uns Bernd über 38 km von der Quelle in Wülfrath bis zur Mündung bei Duisburg entlang des Angerbachs führte.

Rückblick: Angerbach kurz nach der Quelle in Wülfrath

Nur die erste, sonntägliche Etappe der "Bergischen 5" will ich bestreiten. Für die restlichen vier Tage fehlt mir der Urlaub und wahrscheinlich auch die Kraft. Seit meinem Neanderlandsteig-Etappenlauf spüre ich das rechte Knie und die Achillessehnen doch ziemlich deutlich.

Am Start verbreitet der Oli Angst und Schrecken. Die Strecke sei nicht komplett markiert. Und wer schneller als einen 6er Schnitt laufe, riskiere vor leeren VP's zu stehen. Zwar habe ich einen halben Liter Apfelschorle dabei. Für gute 50 km bei über 20 Grad wird das wahrscheinlich nicht ganz reichen.

Beinahe muss ich mir um derlei Umstände keine Gedanken mehr machen. Denn schon nach 7 km werde ich disqualifiziert! An einer Straßenquerung lasse ich den beampelten Fußgängerübergang links liegen und quere in direkter Linie die Straße. Diese freie Interpretation der Wettkampfregeln, die ein Überlaufen roter Ampeln verbieten, lässt der Organisator nicht durchgehen. Und der radelt direkt hinter mir!

Immerhin darf ich, außerhalb der offiziellen Wertung, den Lauf beenden. Aber es fühlt sich nicht gut an. Bin ich ein Betrüger, ein unfairer Sportler? Mit solchen Gedanken trotte ich weiter und leiste innerlich Abbitte: "Lieber Oli, es tut mir leid. Ich wollte deine Laufgenehmigungsverfahren nicht in Gefahr bringen." Es ist ganz gut, dass es mich als Einzeletappenstarter getroffen hat. So kann ich als abschreckendes Beispiel dienen. Man stelle sich vor, man hätte die ganze Serie gebucht, und dann ist nach 7 km alles vorbei!

Es zeigt sich, dass die anfangs prognostizierten Schwierigkeiten nicht existieren. Die Route ist perfekt markiert und die VP's sind, wie bei Oli üblich, leckerst bestückt. Sogar Grillfleisch ist wohlfeil! Ich begnüge mich dennoch mit Wasser, einem Stück Banane und zwei Stückchen Ananas.

Ganz anders müssen die Mehrtages-Läufer Energie bunkern. Nach 30 km, die ich allein kurz vor dem Feld lief, holen mich die beiden führenden Etappenläufer ein. Und einer davon schiebt nicht nur einen Schokoriegel nach dem anderen ein. Nein, er holt auch einen Thermobecher aus seinem Rucksack und gönnt sich unterwegs seinen Kaffee! Ist das die Läufervariante der berühmten "Bergischen Kaffeetafel"?

Wupper-Trail
Zusätzlich zu solchen leiblichen Genüssen verwöhnt uns jetzt auch die Strecke mit dem ganzen Liebreiz des Bergischen Landes. Der hohe Asphaltanteil zu Beginn war meinem Training für die Tortour de Ruhr sehr zuträglich, die Trails jetzt entlang der Wupper und des Eifgenbaches sind einfach nur herrlich. Mit dem Altenberger Dom bekommen wir auch noch eine richtige Sehenswürdigkeit präsentiert.

Dafür, dass meine beiden Begleiter noch vier weitere Tage vor sich haben, legen sie ein unglaubliches Tempo vor. Allein hätte ich diese Geschwindigkeit wohl nicht gehalten. Denn jetzt erhebt sich vor uns ein Großteil der rund 800 Hm der Strecke. Nach 45 km zerreißt es dann unser Dreigestirn. Ein Etappenmann trabt locker nach vorn, der Kaffee-Fan bleibt etwas zurück. Und ich kämpfe mich dazwischen, nun sehr froh über meine Zusatz-Apfelschorle, ins Ziel.

Ziellinie

Meine zwei Verlaufer erhöhen die Distanz dieses weiteren TTdR-Trainingslaufs auf 51,75 km, die ich nach 4:45:12 auf der Uhr habe. Das Tempo von 5:31 hat mich mehr gefordert, als erhofft. Fühlte ich mich direkt nach dem Neanderlandsteig-Etappenlauf noch perfekt auf die TorTour vorbereitet, mischen sich jetzt leise Zweifel darunter, ob das selbstauferlegte Programm mit noch zwei Hundertern (Rund um Solingen, WHEW) und dem Düsseldorf-Marathon nicht etwas zu umfangreich dimensioniert wurde.