Dienstag, 16. Juni 2020

Mount-Everest-Treppenmarathon und der Schmerz

Laufalternative: Schwerelosigkeit bei Parabelflug
Ächzend erhebe ich mich vom Sofa und schleppe mich humpelnd durchs Wohnzimmer. "Das sieht aber gar nicht gut aus!", bemerkt der Junior trocken von seiner Couch aus. Erst dieser Satz lässt mich zur Besinnung kommen und leitet die Wende ein.

Wochenlang hatte ich mich an der Spitzhaustreppe in Radebeul geschunden und bis zu 36 Aufstiege am Stück (entspricht 3185 Hm) absolviert. 100 Aufstiege wären die Wettkampfdistanz des Mont-Everest-Treppenmarathons und damit Mt-Everest-Höhe gewesen. Doch dann kam das Corona-Virus, das mich ins rheinische Home-Office und damit wieder auf flache Laufstrecken verwies.

Auf der Treppe war der Schmerz in meiner Ferse erträglich gewesen. Im Flachen tat jeder Schritt weh.
Jahrelang hatte ich die Signale meines Körpers ignoriert. Zunächst spürte ich den in der Literatur gut dokumentierten "morgendlichen Anlaufschmerz". Nach ein paar Schritten war alles wieder gut. In der nächsten Stufe waren die Achillessehnen geschwollen und sorgten nach dem Laufen für Pein. Voltaren wurde mein Freund. Einsalben war Standard, in akuten Phasen nahm ich auch mal die Tabletten in Doppeldosis, um die Entzündung zu lindern. Trotzdem kamen irgendwann das "Knirschen" der Sehne und die spür- und sichtbaren Knötchen hinzu. Mit regelmäßigem exentrischen Dehn- und Wadenmuskel-Training auf einer Treppenstufe habe ich diese Symptome komplett zum Verschwinden gebracht. Nur der Schmerz in der rechten Ferse ist geblieben! In der Endphase war jeder Schritt mit Qual verbunden. Als dann auch noch ganz normales Gehen im Alltag nicht mehr schmerzfrei möglich war, habe ich die Laufpause begonnen, die nun schon etwa 2 Monate andauert. Viel Überwindung hat das nicht gekostet, war die Freude am Laufen wegen der geschilderten Symptome ohnehin schon auf der Strecke geblieben.

Einen Arzt konsultierte ich bisher nicht. Meine Selbstdiagnose lautet "oberer Fersensporn alias Haglundferse". Die klassische Therapie ist wohl eine Operation. So weit bin ich mental aber noch nicht. Stattdessen habe ich mit Dehnungsübungen und Faszienrollen nach Liebscher&Bracht schon etwas Linderung erzeugt.
Dadurch überwiegt nun die Pein in der linken Leiste. Offenbar ist dort durch unbewusste Ausgleichsbewegungen ein neues Problem entstanden.

Der Treppenlauf ist auf September verschoben und wird wohl ohne mich stattfinden. Mental habe ich mich vom Ultralaufen auf unbestimmte Zeit verabschiedet. Durch den Jobwechsel hat sich mein Fokus ohnehin etwas verschoben. Und nachdem ich mich von dem unbändigen Lauftrieb (um nicht den Begriff "Sucht" zu verwenden) freigemacht habe, entdecke ich neue Möglichkeiten der Selbstbespaßung. Sogar soziale Kontakte sind wieder möglich! Und der Alternativsport lässt dem ausgemergelten Langstreckler plötzlich den Bizeps schwellen.
Das Leben ist voller Überraschungen und Veränderungen. Wer weiß, wie es kommen wird? Für die auf Pfingsten 2021 verschobene, 100 km lange "Bambinistrecke" der TorTour de Ruhr bin ich jedenfalls angemeldet.