Bisher erlebte ich meinen neuen Zweitwohnort fast nur im Dunkeln bei der täglichen Pendelei zwischen Arbeit, Fitness-Studio und Schlafstatt. Der kürzlich absolvierte Umzug in eine größere Wohnung gibt Gelegenheit, auch mal ein Wochenende an der Elbe zu verbringen, so dass ich heute die Stadt im Hellen erkunden kann - natürlich läuferisch.
Die Sonne geht mit spektakulärer Farbenpracht auf. Schon morgens herrschen windstille sechs Grad. Es ist ein Traum. Auch die Ferse bleibt mir einigermaßen gewogen, als ich die gut 5 km zur Pieschener Allee trabe, wo der "parkrun" über weitere 5 km ausgetragen werden soll. Auf das "parkrun"-Konzept wurde ich durch
Olivers Blog aufmerksam. Nach einmaliger Registrierung im Internet erhält man einen Barcode, der nach dem Lauf gescannt wird, um die Zielzeit zuzuordnen. Mehr Regeln gibt es eigentlich nicht. Man muss sich weder einschreiben, noch eine Startgebühr entrichten.
Die Dresdner Truppe scheint eine eingeschworene Mannschaft zu sein. Ich bin der einzige Neue. Ein Starter feiert heute seine 50. Teilnahme. Es sind viele Nationen vertreten, aber interessanterweise sprechen alle Deutsch.
Der Däne, dessen Mutter bereits auf 400 "parkrun"-Läufe zurückblicken kann, setzt sich gleich am Start nach vorne ab. Ich will eigentlich der Ferse zuliebe nur mittraben. Aber das Wettkampffieber entfaltet doch einen gewissen Schub - im Rahmen meiner derzeitigen Möglichkeiten. Seit Oktober bin ich praktisch nicht gelaufen. Mit
Stepperin, Rudergerät und Kieser-Training habe ich versucht, mich halbwegs fit zu halten.
Nach ein paar Metern finde ich mich auf dem zweiten Rang wieder. Während der anfänglich gepflasterte Untergrund dem nassen Gras der Elbwiesen weicht, baut der junge Mann aus Dänemark seinen Vorsprung weiter aus. Nach dem Passieren der Wendemarke kommt er mir freundlich grüßend entgegen. Als ich selbst umkehre, begegnet nun mir das Feld. Die meisten scheinen mit sportlichem Ehrgeiz an die Sache heranzugehen. Nur die fröhliche Engländerin klatscht mich lachend ab.
Schon die Zwischenzeiten lassen erkennen, dass es nicht für "unter 20 min" reichen wird. Aber ich muss heute froh sein, dass mich "Ferse, rechts" und "Leiste, links" überhaupt mitlaufen lassen. So nehme ich die 20:32 gelassen in die Bücher, während der dänische Sieger mit seiner 19:03 hadert.
Alle weiteren Finisher werden mit Applaus empfangen. Die Frau aus England verteilt Apfelschnitze. Und danach wollen viele noch im Sportpark Ostra gemeinsam Kaffee trinken gehen. Dass es noch ein derlei ausuferndes Kulturprogramm geben würde, ahnte ich nicht. Daher stehe ich ohne Geld (vielleicht sollte ich Google Pay doch eine Chance geben) und ohne Wechselsachen einige Zeit unschlüssig herum. Dann wird mir so kalt, dass ich die Anwendung abbrechen muss. Ich starte den Heimtrott. Als ich am gegenüberliegenden Ufer etwa die Höhe des Zielgebiets erreiche, ist von dort noch immer Applaus zu hören. Beim nächsten Mal werde ich mich wohl auch besser für die Finisher-Party ausrüsten!