Samstag, 24. August 2019

Sengbachlauf

Da fährst du 1400 km zu deinem Urlaubsdomizil, und dann wohnt deine dortige Nachbarin auch zu Hause praktisch um die Ecke. Und ebenda organisiert sie den Sengbachlauf mit. Der Junior und ich starten heute also mit persönlicher Einladung!

Damit der Junge nicht so lange auf seinen Vater im Ziel warten muss, haben wir uns beide für den Halbmarathon entschieden. Doch bei der Warterei wird es eine Überraschung geben!

Gefütterter Buff als Siegertrophäe

Mit dem Startschuss geht der Regen in angenehmen Niesel über. Nach der großen Sommerhitze sorgen die morgendlichen 15 Grad erstmals für ordentliches Laufwetter. Obwohl ich in den letzten Wochen einfach nur vor mich hin trabte, im Urlaub manchmal nicht einmal das, rollt es heute überraschend gut. Der Leser erkennt ein wiederkehrendes Muster: immer wenn ich ohne Ambitionen an den Start gehe, läuft es bei mir am besten.

Den Sproß meiner Lenden überhole ich wenige Schritte nach dem Start. Keine Ahnung, welche Strategie er heute verfolgt. Schont er sich anfangs, um dann aufzutrumpfen? Nach dem Marathon hat er wochenlang die verletzte Wade kuriert und sich danach ganz dem inzwischen bestandenen Abitur gewidmet. Erst im Urlaub ist er wieder vorsichtig ins Laufen eingestiegen. Entsprechend bedächtig geht er hier offenbar zu Werke.

Ich halte mich zunächst an die führenden Frauen. Welche Distanz sie zu gewinnen trachten, ist allerdings unklar, da Halb- und Dreiviertelmarathon gemeinsam gestartet wurden. Dann zieht Guido hurtig an mir vorüber. Mit dem Organisator vom WHEW und Zuckerspiel hatte ich mir einst auf der Kö einen spannenden Zweikampf geliefert. Ich staune über seine läuferische Entwicklung, bleibe aber bei den Damen. Immerhin sind Zwischenzeiten im 4er Schnitt dabei. Das kommt mir fast schon ein bisschen zu ambitioniert vor. Möglicherweise ist die Pace auch dem anfangs tendenziell eher abwärts führenden Streckenverlauf geschuldet.

Erstaunlicherweise komme ich dem Guido nach und nach wieder näher. Ich überhole nicht nur ihn, sondern eine ganze Gruppe. Die schnellen Hirsche sind mittlerweile nach vorn entsprungen, so dass es jetzt einsam an der Sengbachtalsperre wird.

Nur ein wackerer Gesell ist mir geblieben. Er folgt mir wie ein Schatten. Und wie ein Schatten ist er mal vor, mal neben oder hinter mir. Aber immer an meiner Seite. In Größe, Statur und Alter ist mein Begleiter sogar fast mein Spiegelbild. Auch die läuferischen Fähigkeiten gleichen sich offenbar. Denke ich noch - da setzt sich der Mann gegen Ende der ersten Runde nach vorn ab.

Schicksalergeben trotte ich allein weiter. Doch dann rufe ich mich angesichts der Leere um mich herum zur Ordnung: "Einen besseren Motivator wirst du heute nicht mehr finden!" Also schließe ich allmählich die auf gut 50 m angewachsene Lücke. Nicht nur das, ich überhole meinen Schatten!

Der Schattenmann lässt sich nicht lumpen und bleibt dran. So geht Wettkampf! Wie damals mit Guido auf der Kö so pushen der Schatten und ich uns über den Kurs. Per Zuruf wird offenbar, dass wir keine unmittelbaren Konkurrenten sind. Mein Begleiter ist der aktuell Drittplatzierte im Dreiviertelmarathon. Immer wieder versucht er sich vorbeizuschieben. Und jedesmal kann ich parieren.

Erst am (für mich) letzten Anstieg, als ich zum Endspurt Richtung Ziel ansetze, werden die Schritte hinter mir leiser. Er hat ja auch noch eine Runde! Im Zielbereich wird er mir später erzählen, dass er auf den letzten 1000 m, dem steilen Anstieg ins Ziel, seinen dritten Platz noch abgeben musste. Wie bitter!

Für mich geht das Rennen etwas glücklicher aus. Als ich mit hängender Zunge den Zielbogen erreiche, ruft mich der Moderator als Elftplatzierten und Altersklassensieger aus. Auch mit der Zeit von 1:31:33 bin ich angesichts der knapp 400 Hm hochzufrieden.

Der Junior gewinnt ebenfalls seine Altersklasse. Aber wer hätte gedacht, dass ich noch einmal vor ihm eine Ziellinie überqueren würde!