Gipfelgrat und -kreuz |
Inzwischen habe ich die Besteigung der Zugspitze vorzuweisen. Das könnte eine Nachricht wert sein. Immerhin war ich mir völlig im Unklaren darüber, ob das Vorhaben überhaupt mit meiner aktuellen Verfassung in Einklang zu bringen sei. Im Internet fanden sich Aufstiegszeiten zwischen 8 und 10 Stunden für die Route von Garmisch durch das Reintal. So lange war ich seit dem letzten Ultra nicht mehr draußen unterwegs. Auf der Strecke sind 22 km und 2200 Hm zu absolvieren. Solche Distanzen kann ich inzwischen wieder wandern, doch diese Menge an Höhenmetern hatte ich dabei auf meinen Touren in der Sächsischen Schweiz (die ich ja jetzt vor meiner neuen Haustür habe) bisher nicht erreicht. Gelegentliche Feierabend-Besuche an der Spitzhaustreppe möchte ich noch nicht Training nennen. Aber die bloße Existenz des Bauwerks hält die Sehnsucht nach früheren Zielen aufrecht.
Das jüngste - wenn auch inzwischen volljährige - Pulsmesserchen hat sich zur ausgewachsenen Triathletin auf Landes-Liga-Niveau entwickelt und braucht auch im Urlaub sportliche Herausforderungen. Daher wollen wir uns gemeinsam zu Deutschlands höchstem Gipfel aufmachen. Dabei gilt es, den potentiell zehnstündigen Aufstieg irgendwie mit der Öffnung der Partnachklamm um 8:00 Uhr und der Abfahrt der letzten Seilbahn vom Gipfel um 17:45 Uhr in Einklang zu bringen. (Es gibt quasi einen Startschuss sowie ein Cut-Off im Ziel.) Außerdem sei noch eine weitere Stunde auf dem Gipfel für das Schlangestehen zum Gipfelkreuz einzuplanen, lässt uns Pulsmesser Jr. wissen, der die Tour ein Jahr zuvor in 6:39 h hinter sich brachte.
Wir zerschlagen den Gordischen Knoten, indem wir die Partnachklamm über die Partnachalm umgehen. Das bedeutet zwar noch mehr Höhenmeter, erlaubt uns aber den Aufbruch um 7 Uhr, so dass wir ohne stressigen Blick zur Uhr genussvoll wandern können und die Wege morgens für uns allein haben.
Nachdem wir zwei Stunden unterwegs sind, motiviert uns ein Wegweiser mit der Auskunft "Zugspitze 8h". Nach etwa drei Stunden haben wir das Reintal durchschritten und beginnen den Aufstieg. Das Fiese an der Tour ist, dass die Route immer anspruchsvoller wird, je erschöpfter man bereits ist. Der Anstieg wird stetig steiler. Das Ganze "gipfelt" dann beim Sonnalpin in einem Schotterfeld. Nach zwei mühsam bergauf gekraxelten Schritten rutscht man wieder einen Schritt zurück. Unterwegs hatte meine Tochter die philosophische Frage aufgeworfen, warum man sich solche Quälereien antue. Überrascht gab ich zurück, dass der Tag für mich eher Genuss als Qual bedeute. Doch hier ist für mich klar der Punkt erreicht, an dem es keinen Spaß macht. Letztlich ist diese Passage aber überraschend schnell vorbei und es folgt das seilversicherte Finale zum "Gipfelaufbau", den wir nach 7:40 h erreichen.
Blick zum Eibsee |
Irgendwann bin ich zum Grat vorgedrungen und habe die Nase voll. Hier ist die höchste Stelle. Die weitere Warterei, bis jeder sein persönliches Selfie vorm Gipfelkreuz geschossen hat, wird mir zu viel. Ich breche an dieser Stelle ab. Während der Nachwuchs das Kreuz auf sich nimmt, weiter zum Kreuz vorzudringen, gönne ich mir ein alkoholfreies Bier im sonnigen Biergarten. Ich hatte mit Gipfel-Nepp gerechnet, nehme aber erstaunt zur Kenntnis, dass die goldene Flüssigkeit einen Euro weniger kostet als auf der Rauensteinhütte in der Sächsischen Schweiz. Die Zeiten, in denen im Osten Deutschlands die Lebenshaltungskosten niedriger waren, sind wohl vorbei.
Dank der langen Trockenheit ist kaum Feuchtigkeit in der Luft. Die Bergsicht ist einfach unübertroffen und atemberaubend. Erst hier am Gipfel kann man sie voll genießen, da man während der Wanderung ständig von den steilen Wänden der umliegenden Bergmassive umgeben ist.
Der Rücktransfer ist anfangs noch ganz spannend, wenn es mit der riesigen Gondel (man stelle sich drei parallele Linienbusse vor), deren Seil unterwegs nur einmal abgestützt wird, zu Tal geht. Unterwegs sieht man die in den Fels geschlagenen Höhlen, in denen die Erbauer der ersten Seilbahn lebten. Mittlerweile gibt es wohl auch eine geführte Klettersteigtour zum Gipfel, die diese Höhlen zeigt. Im Tal zeigt sich jedoch, dass die Zahnradbahn, in die umgestiegen werden muss, nicht in der Lage ist, die per Seilbahn herangeschafften Massen zu transportieren. Wir verlieren hier etwa 45 Minuten, da man uns in den nächsten Zug nicht hineinlässt, der übernächste aber schon voll ankommt. Schließlich ist noch ein Fußmarsch vom Bahnhof zum Auto zu absolvieren, so dass wir letztlich rund 13 Stunden auf den Beinen waren.
Ein grandioses Bergerlebnis geht zu Ende, dass ich nicht missen möchte, wegen der Transfer-Thematik aber so nicht wiederholen würde.
Ein Schild unterwegs |