Nur einmal im Jahr wird die Brücke, die die Insel Rügen mit Stralsund verbindet, für Fußgänger geöffnet, nämlich zum Rügenbrückenlauf. Als Läufer oder Walker kann man den Ausblick auf die Stadt und den Sund vom erhöhten Bauwerk aus genießen und gleichzeitig ein paar für die Gegend untypische Höhenmeter sammeln.
Läufers Begehr |
"Das ist ja nicht einmal 'ne steife Brise!", meint der Moderator angesichts der Windstärke 3 bis 4. Nun ja, die Leute hier oben sind wohl anderes gewöhnt. Ich finde, es pustet recht ordentlich. Immerhin regnet es nicht, es wird sogar noch Sonne erwartet. Ein Start in "Kurz-Kurz" erscheint mir möglich.
Gleich nach dem Start auf der Stralsunder Hafeninsel laufen wir über Kopfsteinpflaster. "Hier wird die Strecke extra mit Hand poliert!", dachte ich mir schmunzelnd, als ich am Morgen eine ältere Helferin dabei beobachtete, wie sie in gebückter Haltung mit einem Wischlappen in der Hand den Bodenbelag einer alten Klappbrücke für uns Läufer gereinigt hat.
Nun habe ich es aber mit einer anderen Dame zu tun. Ich laufe im Windschatten der führenden Frau und ihres Begleiters. Sie wurde am Start gesondert begrüßt, da sie heute ihren 32. Geburtstag feiert. Vermutlich soll ein Sieg dem Tag das Sahnehäubchen aufsetzen. Ich sonne mich schon mal in ihrem Ruhm, als uns das Kamerateam während der Brückenüberquerung aus einem Begleitfahrzeug heraus minutenlang filmt.
Das Medieninteresse endet abrupt bei Kilometer 4. Da zieht nämlich eine Konkurrentin vorbei. Das Geburtstagskind bleibt aber cool. Sie signalisiert ihrem Begleiter, dass sie ihre Strategie beibehalten will. Ich tippe auf einen negativen Split.
Gorch Fock am Start-/Ziel-Bereich |
Nachdem wir durch den Hafen, über die Brücke und entlang einer Landstraße gelaufen sind, durchqueren wir einen kleinen Ort, bevor es auf einer Plattenstraße weitergeht. Erst dann bekommen wir unbefestigtes Geläuf unter die Füße. Das Naturerlebnis steigert sich noch etwas, als wir auf einem Pfad direkt am Sund entlang laufen. Doch schon nach ein paar Kilometern geht es wieder auf eine Plattenstraße, der wir bis zum Wendepunkt bei Kilometer 25 folgen.
Nun haben wir Gegenwind. Immer wieder rutscht mir die Pace über die 5 min. Ich muss richtig kämpfen - nicht nur mit den Elementen, sondern auch mit meinem Körper. Strenggenommen hätte ich gar nicht starten dürfen. Kaum war ich am Urlaubsort angekommen, hatte sich eine Erkältung meiner bemächtigt. Nach der Schnupfen-Regel "Drei Tage kommt er, drei Tage bleibt er, drei Tage geht er" bin ich heute, nach einer getrübten Urlaubswoche, am ersten Tag des Gehens. Der qualvolle Testlauf des Vortages hatte ergeben, dass ich heute nicht starten werde. Doch da ich wegen der Starts der Kinder nun einmal so zeitig aufgestanden und ohnehin hier war ...
Während ich also so heftig wie noch nie zuvor um eine 3:30er Zeit kämpfen muss, stellt der Junior eine pB im Halbmarathon auf, gewinnt seine Altersklasse und wird Neunter Gesamt. Den Ruhm heimst trotzdem meine Tochter ein. Sie, die eigentlich nur Schwimmen trainiert und bisher maximal 5 Kilometer im Wettkampf bestritt, wird zweite Frau über 12 Kilometer und erringt einen fetten Pokal. Am nächsten Tag findet die Leistung sogar Erwähnung in der "Ostseezeitung".
Start einer Fahrrad-Vorhut auf der Hafeninsel |
Dann kommt mir das Besenfahrrad entgegen. Es begleitet ein eher untypisches Schlusslicht. Ein gutaussehender, hünenhafter und durchtrainierter Bursche in hautenger, modischer Sportbekleidung trottet lächelnd dahin.
Zurück an der Brücke lässt sich bewundern, wie das Bauwerk von Walkern komplett bevölkert ist. Sie müssen zum Schutz des Asphalts Gummipropfen über ihre Stockspitzen stülpen. Pflichtausrüstung, gewissermaßen.
Glücklicherweise müssen wir uns da nicht durchwühlen. Stattdessen geht es parallel über den alten Rügendamm. Dort staut sich wegen der gesperrten Brücke der Verkehr in beiden Richtungen. Mit anderen Worten, wir laufen etwa vier Kilometer an einer stinkenden Autokolonne entlang. Zusätzlich müssen wir uns auf dem nicht gesperrten Fuß-/Radweg durch die Halbmarathonis schlängeln. Zu allem Überfluss gibt es Radfahrer, die völlig rücksichtslos durch die Menge heizen.
Auf der handpolierten Klappbrücke setze ich zum Endspurt an und kann mich mit 3:29:15 sicher unter die 3:30 bringen. Aber die Zeit, die sonst am Ende eines lockeren Trainingsmarathons steht, hat mich heute richtig Kraft gekostet.
Da war der Schnupfen wohl doch noch nicht so ganz weg. Ist aber auch gemein, im Urlaub erkältet zu sein :-(
AntwortenLöschenDas ist ja für gar nix gut.
Ich finde aber 3:29 auch eine richtig gute Zeit. Liegt wohl im Auge des Betrachters :-)
Herzlichen Glückwunsch zum erkämpften Finish.
Und Glückwunsch an den Nachwuchs. Die hatten ja wohl keinen Schnupfen :-))
Liebe Grüße
Helge
Danke, Helge! Die haben den Schnupfen jetzt ...
LöschenDeine Zeit ist in Anbetracht der Umstände natürlich klasse, aber mein Glückwunsch fällt verhalten aus, weil man doch eigentlich mit einem Infekt auf solches verzichten sollte... Also Glückwunsch mit ein wenig erhobenem Zeigefinger! Ungeschmälerte Glückwünsche natürlich an Dein Juniorenteam! Super, was die beiden doch immer wieder raushauen.
AntwortenLöschenWenn mein Tempo mal in Richtung 5-er Pace rutschen würde, würde ich Freudensprünge machen... ;-)
Liebe Grüße und gute Regeneration!
Elke
Elke, ich danke dir für die Glückwünsche und nehme den Zeigefinger zur Kenntnis ;-)
LöschenUnvernünftigerweise mit Erkältung gestartet und dann eine respektable Zeit raushauen, Glückwunsch zum hart erkämpften Finish! Ich mag übrigens Blogbeiträge in denen solche Wörter wie zb "Schnodder" vorkommen, das strotzt vor Ehrlichkeit :-)
AntwortenLöschenGlückwunsch auch an den sportlichen Nachwuchs, die beiden sind offenbar auf dem Sprung nach noch mehr.
OK, danke, Oliver! Dann werde ich künftig mehr Rotz und Schnodder einbauen!
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