Dienstag, 16. Dezember 2014

Siebengebirgsmarathon - 7G 2014



Was ist einer neuen Bestzeit ebenbürtig? Mindestens genauso schön ist es, bei einem Marathon geschmeidig und ohne Quälerei ins Ziel zu laufen. Eine neue Marathon-Bestzeit hatten wir dieses Jahr schon, also gönne ich mir am 14.12.2014 zum Saisonabschluss wieder einen Genusslauf beim Siebengebirgsmarathon.
Startaufstellung vor nebelverhangenen Hügeln

Das Team mit Ralf hat sich mittlerweile bewährt. Gemeinsam feiern wir heute unser „Einjähriges“. Mit einer vagen Vorgabe von „um die vier Stunden“ wollen wir die Komfortzone nicht verlassen. Doch dafür sind wir von Anfang an zu schnell. Und Ralf lässt immer wieder mal durchblicken, dass er nicht glaube, das Tempo bis ins Ziel halten zu können. Auch mir ist um Kilometer 19 herum mulmig angesichts der 5:30er Pace. Eigentlich grundlos, denn auf so manchem der langen Trainingsläufe des zu Ende gehenden Jahres war ich schneller unterwegs.
 
Durch die schroffen Felsen des Siebengebirges

Nach dem tagelangen Dauerregen ist der Weg nicht einfach nur matschig, sondern gleicht stellenweise einem Bächlein. Davon abgesehen herrschen Idealbedingungen. Durch die Windstille fühlen sich die 2 Grad am Start so warm an, dass ich mich auf Langarm-Hemd mit darübergezogenem T-Shirt beschränke. Komplettiert wird dieser Aufzug durch lange Hose, Kappe und dünne Fleece-Handschuhe. Unterwegs sind alle Bekleidungsvarianten von kurz-kurz bis zur dicken Regenjacke mit Sturmhaube zu beobachten. 
Das Thermometer zeigt 2,2 Grad beim Start und 4,4 Grad bei Zieleinlauf

Im letzten Jahr hatte ich auf einen Fotostopp am Aussichtspunkt mit Blick zum Petersberg verzichtet. Das will ich dieses Jahr nachholen und halte schon mal das Handy bereit. Doch es ist so neblig, dass sich ein Halt nicht lohnt. Später heben sich die Nebel und geben den Blick auf blaue Segmente am Himmel frei. Ab und an bricht sogar die Sonne durch. Leider nicht lange genug. Bis ich die Handschuhe abgestreift und das Telefon hervorgekramt habe, hat sich das perfekte Licht einem Foto bereits wieder entzogen.
Den Sonnenschein knapp verpasst

Da wir uns am Start relativ weit hinten aufgestellt haben, arbeiten wir uns durchs Feld. Das bedeutet, dass wir einen ganzen Marathon lang nur überholen. Allein das ist schon ein Genuss. In den Zwanzigern schließt ein Herr in Neongelb zu uns auf, der unsere Frotzeleien angesichts derart auffälliger Bekleidung fröhlich erwidert. Die Chemie stimmt also, und wir streben fortan als Trio dem Ziel entgegen. Überhaupt scheint die Stimmung auf der Strecke gut. Zweimal überholen wir einzelne Frauen, und beide zeigen ein strahlendes Lächeln. So muss sich Marathon anfühlen!

Die schneebedeckten Hänge des Siebengebirges
Im Wald haben sich doch tatsächlich zwei Zuschauer an die Strecke verirrt. Viele Kilometer weiter entdecken wir nochmal zwei und witzeln, nun habe sich die Zuschauerzahl verdoppelt. Doch weit gefehlt! Beim Näherkommen entpuppen sich die beiden als das uns schon bekannte Pärchen.

Bei Kilometer 27, also noch vor der kritischen 30 und weit vor der noch kritischeren 35, geht mir ein seltsamer Gedanke durchs Hirn. „Bloß noch 15 Kilometer!“, denke ich und bin im selben Moment erstaunt über diese optimistische Sichtweise. Jetzt ist mir klar, dass heute alles gut wird. Ein mentaler Durchbruch, sozusagen.

Mehrfach überholen wir einen Rucksackträger, der an den folgenden Verpflegungspunkten wieder an uns vorbei zieht. Irgendwo in den hohen 30ern hat er wohl keine Lust mehr auf dieses Spiel und prescht in einem Affenzahn nach vorn. Das einzige Mal, dass wir tatsächlich überholt werden. Wir lassen ihn ziehen. Unsere Pace ist so konstant, dass eine Zielzeit von 3:47 zu erwarten ist. Als ich erwähne, dass der Mann mit Rucksack wahrscheinlich versucht, unter 3:45 zu kommen, scheine ich bei Ralf einen Schalter umzulegen. Als hätte ich ihn auf die Fährte des Berucksackten gesetzt, schnürt er plötzlich los. Und ich hinterher. Kurz vor Kilometer 40 zollt uns der Verfolgte seinen Respekt, als wir mit einer 4er Pace an ihm vorbei ins Ziel stürmen.

Fast hätten wir es nicht lebend erreicht. Ein Autofahrer auf Parkplatzsuche lässt sich nur durch unsere verzweifelten Schreie davon abhalten, über den Fußweg und damit über uns zu fahren.

„Das sieht ja noch locker aus!“, bekommen wir von einer versprengten Zuschauerin zu hören und lassen die Bemerkung wie Öl runtergehen, bevor wir - noch unter 3:42 - auf dem roten Teppich ins warme Bürgerhaus einlaufen.

Damit bin ich zum neunten Mal in diesem Jahr über die 42-km-Marke hinaus gelaufen und gönne mir jetzt Regeneration bis zum Jahr 2015!

12 Kommentare:

  1. 9 Marathons oder mehr in einem Jahr ist eindeutig eine Hausnr. und aller Ehren wert! Schön, dass dies aber auch so genussvoll und entspannt geht!

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    1. Vielleicht schaffe ich es ja eines Tages, immer so eine entspannte Herangehensweise an den Tag zu legen.

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  2. „Das sieht ja noch locker aus!“ - bei diesem Tempo? Wahnsinn - und Respekt. Auch davor, dass Du dieses Jahr schon neun mal diese Distanz gelaufen bist: das hab ich nicht mal in meinen bisher 8 Laufjahren geschafft. ;-)

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    1. Hi Eddy, eigentlich kann man auf diese "Ihr seht gut aus"-Sprüche ja nicht so viel geben. Aber hier haben wir uns wirklich gut gefühlt.
      Ehrlich gesagt, 5 der 9 Läufe waren gar keine Marathons. Es waren Ultras ;-)
      Viele Grüße!

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    2. ...ach soooo - Ultras. Na dann.... *hüstel*

      LG und bis bald,
      Eddy

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  3. Bald schaue ich hier nicht mehr rein. Da werden ja nur beste Zeiten abgeliefert, von denen ich nicht mal zu träumen wage, und jetzt auch noch im 7Gebirge, wo es gut rauf und runter geht. Ach würde ich doch mal so locker und so flott über alle Hügel sprinten und dabei noch lächelnde Männer überholen können...
    Nun denn, meinen Neid hast Du Dir verdient und meine Glückwünsche natürlich auch (die natürlich von herzen kommen)!
    Da können ja die Torturen das kommenden Jahres bald kommen ;-)
    Liebe Grüße
    Elke

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    1. Wenn du hier nicht mehr reinschaust, kannst du gewisse Torturen stattdessen ja live verfolgen.
      Danke für die Glückwünsche, Elke!

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    2. Du weißt ja, Neid muss man sich hart erarbeiten... :-) Die Live-Torturen fände ich höchst spannend. Ich arbeite dran, steht noch nicht ganz fest, ob wir an dem WE woanders (aber nicht läuferisch) sein werden.

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  4. Glückwunsch! Und danke für den Bericht!
    Erhol dich gut. Das hast du dir verdient.
    Besten Gruß,
    Jan

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  5. wow, zum 9. Mal in einem Jahr 42 km oder mehr. Ich habe generell erst einmal in meinem Leben die 42 km geschafft :-)))
    Und dann noch so locker und trotzdem so ne Zeit. Da hast du dir tatsächlich eine Pause bis zum nächsten Jahr verdient ;-)
    Schön wenn der Spaß im Vordergrund steht und ich denke mal ihr hattet welchen :-)
    LIebe Grüße und schöne Feiertage
    Helge

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    1. Dafür waren deine 42 km Teil eines Triathlon!
      Irongirl werde ich nie werden ;-)

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