Was ist einer
neuen Bestzeit ebenbürtig? Mindestens genauso schön ist es, bei einem Marathon
geschmeidig und ohne Quälerei ins Ziel zu laufen. Eine neue Marathon-Bestzeit hatten wir dieses Jahr schon, also gönne ich mir am 14.12.2014 zum Saisonabschluss wieder einen Genusslauf beim Siebengebirgsmarathon.
Das Team mit Ralf
hat sich mittlerweile bewährt. Gemeinsam feiern wir heute unser „Einjähriges“. Mit einer vagen Vorgabe von „um die vier Stunden“ wollen wir die Komfortzone nicht verlassen. Doch dafür sind wir von
Anfang an zu schnell. Und Ralf lässt immer wieder mal durchblicken, dass er
nicht glaube, das Tempo bis ins Ziel halten zu können. Auch mir ist um Kilometer
19 herum mulmig angesichts der 5:30er Pace. Eigentlich grundlos, denn auf so manchem der langen Trainingsläufe des zu Ende gehenden Jahres war ich schneller unterwegs.
Durch die schroffen Felsen des Siebengebirges |
Nach dem
tagelangen Dauerregen ist der Weg nicht einfach nur matschig, sondern
gleicht stellenweise einem Bächlein. Davon abgesehen herrschen
Idealbedingungen. Durch die Windstille fühlen sich die 2 Grad am Start so warm
an, dass ich mich auf Langarm-Hemd mit darübergezogenem T-Shirt beschränke.
Komplettiert wird dieser Aufzug durch lange Hose, Kappe und dünne
Fleece-Handschuhe. Unterwegs sind alle Bekleidungsvarianten von kurz-kurz bis
zur dicken Regenjacke mit Sturmhaube zu beobachten.
Im letzten Jahr
hatte ich auf einen Fotostopp am Aussichtspunkt mit Blick zum Petersberg
verzichtet. Das will ich dieses Jahr nachholen und halte schon mal das Handy
bereit. Doch es ist so neblig, dass sich ein Halt nicht lohnt. Später heben sich die Nebel und geben den Blick auf blaue Segmente am Himmel frei. Ab und an
bricht sogar die Sonne durch. Leider nicht lange genug. Bis ich die Handschuhe abgestreift
und das Telefon hervorgekramt habe, hat sich das perfekte Licht einem Foto
bereits wieder entzogen.
Da wir uns am
Start relativ weit hinten aufgestellt haben, arbeiten wir uns durchs Feld. Das bedeutet, dass wir einen ganzen Marathon lang nur überholen. Allein
das ist schon ein Genuss. In den Zwanzigern schließt ein Herr in Neongelb zu
uns auf, der unsere Frotzeleien angesichts derart auffälliger Bekleidung
fröhlich erwidert. Die Chemie stimmt also, und wir streben fortan als Trio dem
Ziel entgegen. Überhaupt scheint die Stimmung auf der Strecke gut. Zweimal überholen wir einzelne Frauen, und beide zeigen ein strahlendes Lächeln. So muss sich Marathon anfühlen!
Die schneebedeckten Hänge des Siebengebirges |
Bei Kilometer 27,
also noch vor der kritischen 30 und weit vor der noch kritischeren 35, geht mir
ein seltsamer Gedanke durchs Hirn. „Bloß noch 15 Kilometer!“, denke ich und bin
im selben Moment erstaunt über diese optimistische Sichtweise. Jetzt ist mir klar,
dass heute alles gut wird. Ein mentaler Durchbruch, sozusagen.
Mehrfach
überholen wir einen Rucksackträger, der an den folgenden Verpflegungspunkten
wieder an uns vorbei zieht. Irgendwo in den hohen 30ern hat er wohl keine Lust
mehr auf dieses Spiel und prescht in einem Affenzahn nach vorn. Das einzige
Mal, dass wir tatsächlich überholt werden. Wir lassen ihn ziehen. Unsere Pace
ist so konstant, dass eine Zielzeit von 3:47 zu erwarten ist. Als ich erwähne,
dass der Mann mit Rucksack wahrscheinlich versucht, unter 3:45 zu kommen,
scheine ich bei Ralf einen Schalter umzulegen. Als hätte ich ihn auf die Fährte
des Berucksackten gesetzt, schnürt er plötzlich los. Und ich hinterher. Kurz vor Kilometer 40 zollt uns der Verfolgte seinen Respekt, als wir mit einer 4er
Pace an ihm vorbei ins Ziel stürmen.
Fast hätten wir
es nicht lebend erreicht. Ein Autofahrer auf Parkplatzsuche lässt sich nur
durch unsere verzweifelten Schreie davon abhalten, über den Fußweg und damit
über uns zu fahren.
„Das sieht ja
noch locker aus!“, bekommen wir von einer versprengten Zuschauerin zu hören und
lassen die Bemerkung wie Öl runtergehen, bevor wir - noch unter 3:42 - auf dem
roten Teppich ins warme Bürgerhaus einlaufen.
Damit bin ich zum neunten Mal in
diesem Jahr über die 42-km-Marke hinaus gelaufen und gönne mir
jetzt Regeneration bis zum Jahr 2015!
9 Marathons oder mehr in einem Jahr ist eindeutig eine Hausnr. und aller Ehren wert! Schön, dass dies aber auch so genussvoll und entspannt geht!
AntwortenLöschenVielleicht schaffe ich es ja eines Tages, immer so eine entspannte Herangehensweise an den Tag zu legen.
Löschen„Das sieht ja noch locker aus!“ - bei diesem Tempo? Wahnsinn - und Respekt. Auch davor, dass Du dieses Jahr schon neun mal diese Distanz gelaufen bist: das hab ich nicht mal in meinen bisher 8 Laufjahren geschafft. ;-)
AntwortenLöschenHi Eddy, eigentlich kann man auf diese "Ihr seht gut aus"-Sprüche ja nicht so viel geben. Aber hier haben wir uns wirklich gut gefühlt.
LöschenEhrlich gesagt, 5 der 9 Läufe waren gar keine Marathons. Es waren Ultras ;-)
Viele Grüße!
...ach soooo - Ultras. Na dann.... *hüstel*
LöschenLG und bis bald,
Eddy
Bald schaue ich hier nicht mehr rein. Da werden ja nur beste Zeiten abgeliefert, von denen ich nicht mal zu träumen wage, und jetzt auch noch im 7Gebirge, wo es gut rauf und runter geht. Ach würde ich doch mal so locker und so flott über alle Hügel sprinten und dabei noch lächelnde Männer überholen können...
AntwortenLöschenNun denn, meinen Neid hast Du Dir verdient und meine Glückwünsche natürlich auch (die natürlich von herzen kommen)!
Da können ja die Torturen das kommenden Jahres bald kommen ;-)
Liebe Grüße
Elke
Wenn du hier nicht mehr reinschaust, kannst du gewisse Torturen stattdessen ja live verfolgen.
LöschenDanke für die Glückwünsche, Elke!
Du weißt ja, Neid muss man sich hart erarbeiten... :-) Die Live-Torturen fände ich höchst spannend. Ich arbeite dran, steht noch nicht ganz fest, ob wir an dem WE woanders (aber nicht läuferisch) sein werden.
LöschenGlückwunsch! Und danke für den Bericht!
AntwortenLöschenErhol dich gut. Das hast du dir verdient.
Besten Gruß,
Jan
Danke Jan, bin schon dabei.
Löschenwow, zum 9. Mal in einem Jahr 42 km oder mehr. Ich habe generell erst einmal in meinem Leben die 42 km geschafft :-)))
AntwortenLöschenUnd dann noch so locker und trotzdem so ne Zeit. Da hast du dir tatsächlich eine Pause bis zum nächsten Jahr verdient ;-)
Schön wenn der Spaß im Vordergrund steht und ich denke mal ihr hattet welchen :-)
LIebe Grüße und schöne Feiertage
Helge
Dafür waren deine 42 km Teil eines Triathlon!
LöschenIrongirl werde ich nie werden ;-)