Mittwoch, 24. Oktober 2018

Rügenbrückenmarathon 2018

Wenn es beim Marathon mit der Zielzeit mal wieder nicht klappt

Immer wieder zieht es mich an die Ostsee. Die Fischland-Darss-Region, zwischen Meer und Bodden gelegen, hat zu jeder Jahreszeit ihren Reiz. Zu den weiten Sandstränden, der Steilküste, dem Darss-Wald und dem Boddenufer kommt im Herbst noch die Kranichrast als weitere Attraktion hinzu. Dass es mit dem Rügenbrückenmarathon auch noch einen Wettkampf in der Nähe gibt, fällt mir eher zufällig auf.

Pfeiler der Rügenbrücke im Morgenlicht

Die rund 50 km lange Anfahrt Richtung Osten führt direkt in einen spektakulären Sonnenaufgang, der leider das Ende der sommerlichen Wetterperiode markiert. Am Start auf der Hafeninsel in Stralsund weht ein eiskalter Wind bei ohnehin schon einstelligen Temperaturen. Ich entscheide mich dazu, die kurze Laufbekleidung mit Kappe und Ärmlingen zu ergänzen. Das unmittelbar am Start befindliche Festzelt bietet Wetterschutz bis zum Schluss. Auf dem Weg zum Start kann ich problemlos meine eigene Sporttasche in einem der Gepäckzelte abgeben.

Von den rund 130 Marathonis wagt sich keiner bis direkt an die Startlinie vor. So kommt es zu einem "fliegenden Start". Und ich bin für ein paar Hundert Meter unter den Top Ten! Da bin ich wohl ein wenig übermotiviert zu Werke gegangen. Nicht schneller als 3:30 will ich laufen, denn der eigentliche Wettkampf steht mit dem Röntgenlauf bereits in einer Woche im Plan. Die Tempofindung gestaltet sich angesichts fehlender Markierungen auf den ersten 10 km als schwierig. Das GPS gaukelt mir ein gute 4er Pace vor. Das erscheint mir wenig plausibel, lasse ich mich doch jetzt reihenweise überholen.

Laufstrecke - vorm Start noch hochgeklappt
Das namensgebende Bauwerk wird nach einem guten Kilometer erreicht und hat laut Schild eine Länge von 2830 m. Nach dem Überlaufen haben wir alle 150 Höhenmeter im Sack und auch sämtliche Attraktionen der Strecke gesehen. "Da hättest du auch am Niederrhein durch die Felder rennen können", denke ich gerade. Da fällt mir der DDR-typische Beton-Platten-Weg unter meinen Füßen auf. Nachdem ich diese Spezialität ein paar Kilometer lang würdigen konnte, kommen wir doch noch ans Wasser. Obwohl es sich um Salzwasser handelt, fühle ich mich am baumbestandenen Wiesenufer eher wie an einem Binnensee. Statt auf's offene Meer blickt man direkt gegenüber auf das Festland.  Wir laufen am Strelasund entlang. Angesichts dieser geschützten Lage kann man gut nachvollziehen, warum die Seefahrer Stralsund als Hafen ausgewählt haben.

Sonnenaufgang in Stralsund

Ein gerade erwachter Fahrradtourist wird von uns Marathonläufern in der einsamen Natur überrascht. Neben seinem Einmannzelt versucht er im Wind ein kleines Feuer für seinen Morgenkaffee in Gang zu bringen. Dadurch bekommt der Lauf sogar einen echten Zuschauer! Ansonsten seien heute 300 Helfer aktiv. Viele stehen als Streckenposten am Kurs. Sie alle applaudieren uns mit viel Anteilnahme. Andere betreiben die in ausreichender Zahl vorhandenen Labestationen. Ich nehme unterwegs nur ein paar Schlucke Wasser. Aus zwei Gründen bleibe ich beim Trinken stehen. Mein Hemdchen soll im kalten Wind nicht auch noch nassgesabbert werden. Und ich will den Plastikbecher direkt in den Mülleimer werfen, da der starke Nordost die Trinkgefäße schneller in der Landschaft verteilt, als die Helfer sie einsammeln können.

Im Wesentlichen handelt es sich um eine Pendelstrecke. Durch ein paar Varianten liegt der Umkehrpunkt allerdings erst nach dem Halbmarathon. Etwa ab hier begleitet mich Christian. Die Begegnung mit dem jungen, sympathischen Triathleten macht aus dem Lauf etwas Besonderes. Er hat vor drei Jahren auf dieser Strecke sein Marathondebüt gewagt und fürchterlich Lehrgeld gezahlt. Nach rund 4:30 war er ins Ziel eingewandert. Inzwischen steht bald sein erster Iron-Man im Plan. Deshalb will er heute ein zweites Mal Marathonerfahrung sammeln. Ich bin beeindruckt, wie unverbissen er sein Ziel angeht. Bis in die Dreißiger kann er sich locker mit mir unterhalten. Ich zweifele nicht an seinem erfolgreichen Finish.

Maritime Kulisse am Ziel

Als wir wieder die Rügenbrücke erreichen, ist dort eine riesige Party im Gange. Der Moderator peitscht den Massen ein, die stöckeschwingend das Bauwerk bevölkern. Der volle Name der Veranstaltung lautet nämlich etwas sperrig: "Rügenbrücken-Marathon Rügenbrückenlauf & DAK-Walking Day". Bei 4000 Teilnehmern sind 126 Marathon-Finisher nur exotisches Beiwerk.

Immerhin, wir müssen uns nicht auf der neuen Brücke durch die Nordic-Walker drängen. Wir bahnen uns unseren Weg durch die Kurzdistanzler auf der parallel verlaufenden, alten Klappbrücke. Die Skyline von Stralsund ist schon länger zu sehen und lockt ins Ziel. Obwohl wir seit der Wende mit dem Gegenwind kämpfen, ist mein Begleiter sogar zu einer Endbeschleunigung fähig. Mir ist das eigentlich viel zu schnell. Während ich mit 3:22:40 mein 3:30er Zeitziel verfehle, verbessert Christian seine Marathonzeit mal eben um eine Stunde und acht Minuten.


10 Kommentare:

  1. Tja, schade, Zielzeit verfehlt. Kann man denn trotzdem gratulieren? :-)))
    Du hättest dich aber auch mal anstrengen können und vor dem Ziel noch 8 Minuten warten können. Scheint, du hattest zu wenig Enthusiasmus für dein Zeitziel.
    Das müssen wir dann wohl noch üben.
    Der sympatische Triathlet (viele viele Triathleten sind sehr sympatisch) hat seine PB ja quasi pulverisiert. Das mit dem Ironman schafft er auch.
    Ich finde es sehr lobenswert, das du die Plastikbecher in den Müll machst bevor der Wind sie davon trägt. Leider machen sich viel zu wenige Menschen Gedanken darüber,was mit dem ganzen Platik passiert. Schön zu wissen, das es auch anders geht :-)

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    1. Die sympathischsten Triathleten kommentieren mein Blog. Und dürfen jederzeit und ohne jeden Anlass gratulieren!

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  2. Ist nicht jedes Wasser ein Salzwasser? Nur dass eben der Salzgehalt entsprechend variiert? *Klugscheißenaus*
    Glückwunsch zu dem entspannten Marathon mit einer tollen Zeit!

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    1. Danke! Wenn du es als Schiffbrüchiger zum Überleben trinken kannst, ist der Salzgehalt OK.

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  3. Herzliche Glückwünsche! Ich würde mir ja wünschen, mal mein Zeitziel so kräftig zu verpassen ;-) Das Ambiente scheint speziell, wenn schon der Straßenbelag interessanter ist als die Landschaft... Dabei hat Rügen doch so schöne Winkel.
    Dann mal auf zum Röntgen und einen schönen Lauf dort!
    Liebe Grüße
    Elke

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    1. Vielleicht bin ich nur von der Fischländer Landschaft zu verwöhnt.
      Danke und viele Grüße!

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  4. Nicht auszudenken was ihr hättet tun müssen, wäre die Laufstrecke nicht rechtzeitig runtergeklappt worden!
    Und Glückwunsch zur verpassten Zeit, klingt alles sehr stressfrei :-)

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    1. Danke, im Nachhinein zeigt sich, dass es wohl anstrengender war als gedacht. Brauche erstmal eine Pause.

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  5. Man sieht, du nutzt die Zeit des Ostseeaufenthaltes mit " nützlichen " Dingen. Glückwunsch - es muss nicht immer Bestzeit sein - beim nächsten Lauf - wie ich dich kenne - dauert es nicht allzu lange - dann..................das zum Thema " brauche erst mal eine Pause ".

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    1. Danke! Der "nächste Lauf" fand zugunsten der Pause erstmal nicht statt.

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