Dienstag, 25. Juni 2013

Bundesjugendspiele - Gomez For President!

"Papa, bei den Bundesjugendspielen bekommen nur die Besten eine Ehrenurkunde. Die anderen bekommen Sieger- oder Teilnehmerurkunden."

"Und was hast du bekommen?"

"Eine Ehrenurkunde!"

"Toll! Ich bin stolz auf dich!"

"Nur die Ehrenurkunden wurden von Gomez unterschrieben!"

"Von Mario Gomez, dem Fußballer?"

"Nein, von Joachim Gomez, dem Bundespräsidenten."

Joachim Gomez

Samstag, 22. Juni 2013

Forerunner 305 vs. Aldi Crane GPS-Pulsuhr

Das ist mal ein richtiges Pulsmesser-Thema! Seit 17.6.2013 hat Aldi-Süd die "CRANE® GPS-Uhr mit Herzfrequenzmessung und Kompass" für 79,99 Euro im Angebot, die sich "die Pulsmesserin" spontan kaufte. Dadurch konnte ich meinen Forerunner 305 direkt mit ihrer neuen Aldi-Uhr vergleichen.

Der erste Eindruck

Die Uhr ist schick! Da kann der klobige Forerunner nicht mithalten. Außerdem lässt sie sich als ganz normale Armbanduhr benutzen. Bei abgeschaltetem GPS hält der Akku laut Anleitung bis zu einem Jahr. Darüber hinaus kann man einen Timer und fünf Weckzeiten programmieren.

Lieferumfang

 

Neben der Uhr selbst befinden sich in der Verpackung der textile Brustgurt zur Pulsmessung, das Ladegerät, eine Fahrradhalterung und die Bedienungsanleitung (die online hier verfügbar ist). Eine Software zur Trainingsauswertung und zur GPS-Daten-Bearbeitung kann aus dem Web geladen werden.

Die Anleitung

 

Das Handbuch ist umfangreich, ausführlich und in deutscher Sprache. Darin wird darauf hingewiesen, dass die Uhr von 0 bis 50 Grad Celsius benutzt werden darf. Sie ist spritzwassergeschützt, so dass sie bei Regen getragen werden kann. Das gilt nicht für den Brustgurt, der keinen Regen verträgt!
Zum Vergleich: der Forerunner hat einen Einsatzbereich von -20 bis 60 Grad Celsius und kann 30 Minuten lang einen Meter tief im Wasser tauchen. Eine Einschränkung für den Brustgurt wird nicht genannt.
Bei Regen zuhause bleiben

Sat-Fix

Während der Forerunner minutenlang nach einem GPS-Signal sucht, hat die Uhr von Crane die Satelliten nach kurzer Zeit gefunden und ist einsatzbereit.

Akkulaufzeit

 

Die Laufzeit des Akkus im GPS-Betrieb wird mit bis zu 14 Stunden angegeben. Das sind vier Stunden mehr als der 305er von Garmin schafft.

Laufen

 

Pace-Werte im Vergleich
Im Trainingsmodus "Laufen" können wie beim Forerunner drei Bildschirme mit verschiedenen Anzeigewerten durchgeblättert werden. Pro Bildschirm sind drei Werte darstellbar. Bei Forerunner sind es bis zu vier. Crane kann auch die Höhe darstellen. Es geht aber aus dem Handbuch nicht hervor, ob das die aktuelle Höhe ist oder ob es sich um die während des Trainings zurückgelegten Höhenmeter handelt.
Bei einem kurzen Lauf fällt auf, dass beide Uhren vergleichbare Werte für Puls und Kalorien anzeigen. Ganz anders bei der Pace. Schon im Stand zeigt der Aldi-Computer eine Geschwindigkeit an. Während ich noch zuhause am Tisch sitze, flackern diverse Pace-Werte über die Anzeige, obwohl ich noch nicht einmal den Startknopf gedrückt habe. Nachdem ich es dann tue und tatsächlich loslaufe, überzeugt der Forerunner hier wie gewohnt mit plausiblen Werten, während Crane 600 Meter braucht, um die Pace langsam von 39 min/km auf 7 min/km hochzurechnen. Die Uhr von Garmin zeigt von Anfang an 6:30 min/km.
Zeiten und Zwischenzeiten können gemessen werden, eine Runden-Pace kennt der Rechner von Crane im Gegensatz zum Garmin-Gerät lt. Anleitung jedoch nicht.
Die Länge einer DLV-vermessenen Strecke von 4990,4 Metern gab die Aldi Uhr mit 4,80 km an.

Pace bei Stillstand?

Fazit

 

Wer nur bei schönem Wetter laufen geht und Frost und Regen meidet, findet in dem preiswerten Crane-Pulsmesser eine hübsche Armbanduhr mit vielen Funktionen, die zusätzlich Puls und Kalorien misst und auch ungefähr die Streckenlänge und die gelaufene Geschwindigkeit angibt.
Ambitionierte Läufer, die bei Wind und Wetter ihren Trainingsplan genau verfolgen wollen, wählen vielleicht besser ein Markengerät.

"Die Pulsmesserin" und ich behalten beide unsere Geräte.

Freitag, 21. Juni 2013

"Es ist nichts scheißer als Platz zwei." - Joey Kelly und ich beim b2run Düsseldorf

ESPRIT-Arena im Abendlicht
Der Veranstalter meldet mit 8000 Startern einen neuen Teilnehmer-Rekord für den "b2run Düsseldorf" am 20.6.2013. Da bin ich froh, aufgrund meiner Vorjahresleistung eine der 250 sogenannten "Durchstarter"-Nummern erhalten zu haben, die zum Start aus dem ersten Block berechtigen. Kurz fühle ich mich wie ein Boxstar, als der Ordner das Absperrband anhebt, damit ich in den Ring - äh, den Startblock schlüpfen kann. Drinnen sehe ich, dass es auch einen offiziellen Zugang von der Seite gegeben hätte. Dort taucht Joey Kelly auf, dreht aber kurz vorm Eingang ab und reiht sich weiter hinten beim Team seines Sponsors ein. Lauffreund Alexander lief einst Seite an Seite mit Joey. Das ist mir heute nicht vergönnt. Auf der Kurzdistanz von 6,4 km wird mir ohnehin nicht nach Plaudern zumute sein. Immerhin muss ich meinen Titel als schnellster Läufer meiner Firmenmannschaft verteidigen.

Kurz vorm Start drängt sich noch ein - ob seines kenianischen Aussehens - sehr schnell wirkender Läufer vor mir in den Block. Mit dem Startschuss fliege ich explosionsartig auf die Strecke, die ehemalige Deutsche Berglaufmeisterin Steffi Buss hinter mir lassend. 2012 hatte ich mir mit ihr bei Kilometer Drei und kurz vorm Ziel Duelle
Deko im Stadion-Innenraum
geliefert, aus denen ich jeweils siegreich hervorging. Damals war sie zweite Frau geworden. Heute wird sie sich mit Platz Drei begnügen müssen, und ich werde sie unterwegs nicht mehr sehen. Die führende Frau schießt nach ein paar Hundert Metern an mir vorbei. Keine Chance mitzuhalten. Ein Blick zur Uhr zeigt eine Pace von 3:14. Der alte Fehler, ich bin viel zu schnell! Also nehme ich Tempo heraus und höre neben mir plötzlich Schnappatmung. Wie will der das bis ins Ziel durchhalten? Haben wir überhaupt schon einen Kilometer hinter uns? Man weiß es nicht. Ich sehe unterwegs nur Markierungen für "km 2" und "km 3".

Wie im letzten Jahr ist es wieder furchtbar heiß. Wir erreichen den in der prallen Sonne liegenden Rheindeich, und es wird noch wärmer. Bis zum Ziel wird es keinen Schatten mehr geben. Im hinteren Feld werden viele kollabieren, erschöpft am Rand zusammensinken oder ins Gehen verfallen, wie ich nach dem Rennen höre. Trotzdem wird der Veranstalter auf seiner Homepage von "bestem Laufwetter" berichten. Auch ich leide unter der Hitze und werde nach drei Kilometern abermals langsamer. Da löst sich jemand aus meinem Windschatten. Es ist mein firmeninterner Konkurrent, der jetzt vorbeizieht. "Gut", denke ich mir, "bleibst du dran und holst ihn dir auf der Zielgeraden." Er setzt sich vor die beiden Läufer, die ich verfolge. Nach diesem Kraftakt verliert er Tempo und wird von den beiden vor mir angemotzt: "Erst überholen und dann langsamer werden!" Ist die Strecke den beiden nicht breit genug? Offenbar stachelt dieser Kommentar meinen Kollegen an. Denn er nimmt sein Tempo wieder auf und zieht in seinen FiveFinger-Barfuß-Schuhen von dannen. Ich muss erkennen, dass ich diese Geschwindigkeit nicht mitgehen kann und bleibe demoralisiert zurück. Ich kämpfe mich weiter durch die Hitze und werde bis zum Ziel noch ein paar Mal überholt. Doch auf der Zielgeraden taucht der "Kenianer" vor mir auf. Wenigstens ihn sammle ich noch ein, bevor ich in die ESPRIT-Arena einbiege.
Blick durchs Ziel auf die Laufstrecke
Zwölf Sekunden später als im Vorjahr und ca. eine halbe Minute nach meinem Kollegen passiere ich den Zielbogen. Der Fußballer Erik Meijer hätte die Situation vermutlich so kommentiert: "Es ist nichts scheißer als Platz zwei." Bin ich durch meine Ultra-Lauferei langsamer geworden? Machen Barfuß-Schuhe wirklich schneller?

Mit der  Finisher-Medaille um den Hals wandle ich den Frust in positive
Energie. Immerhin bin ich unter den ersten 60 Finishern und habe Joey Kelly und die ehemalige Deutsche Berglaufmeisterin hinter mir gelassen. Ich nehme mir vor, das begonnene Barfuß-Training fortzusetzen, um schneller zu werden.

Mittwoch, 19. Juni 2013

Rennsteiglauf-Vorbereitung Teil 2: Laufbericht Harzquerung

Aufnäher statt Medaille
Bis zuletzt ist unsicher, ob meine anderen Verpflichtungen einen Start bei der Harzquerung zulassen. Deshalb habe ich keine Übernachtung gebucht. Stattdessen stehe ich am 27.4.2013 um 3 Uhr auf und fahre nach Wernigerode. Ich denke, mit diesem Ansatz habe ich in etwa genauso viel Schlaf abbekommen wie bei einer Übernachtung im Gemeinschaftsquartier. Während der Fahrt regnet es ununterbrochen. Das Thermometer zeigt um die 4 Grad. Glücklicherweise habe ich nach dem Abrufen des Wetterberichts noch eine Regenjacke in die Wettkampftasche gepackt.


"Warst du heute schon mal draußen?"

 

Kurz vor Sieben erreiche ich die Turnhalle "Unter den Zindeln" und bekomme direkt am Eingang meine Startnummer. Es ist also noch ausreichend Zeit bis zum Start und somit Gelegenheit das Objekt zu inspizieren. Auf der nostalgisch anmutenden Homepage des Veranstalters war angedeutet worden, dass die Turnhalle demnächst abgerissen werden solle. Optik und Geruch passen zu dieser Aussage. Trotzdem erfüllt das Gebäude seinen Zweck, schützt es doch die Wartenden vor dem Regen und spendet Wärme. Bildete früher der Herd das soziale Zentrum einer Wohnung, so sind es hier die Heizkörper, um die man sich schart. Ein Starter ist mit dem Fahrrad angereist und entsprechend durchgeweicht. Er versucht seine Socken an der Heizung wieder trocken zu bekommen, was nicht bei allen auf Gegenliebe stößt. Ein anderer Läufer schmiegt sich in dicker Jacke an die Heizung und meint angesichts meiner kurzen Laufhose: "Warst du heute schon mal draußen?" Es regnet immer noch. Aber ich habe ja meine Regenjacke dabei. Nicht alle sind so gut ausgerüstet. Jemand borgt sich eine kleine Plastiktüte, versieht sie mit einem Loch für den Kopf und drapiert sich das Ganze elegant um den Hals, um wenigstens die Schultern zu schützen. Diese Improvisation scheint sich unterwegs zu bewähren. Jedenfalls werde ich ihn Stunden später genau so gekleidet ins Ziel laufen sehen.

Ich reiße mir die Jacke vom Leib

 

Als ich dem Pulk zum Start am Waldrand folge, regnete es gar nicht mehr so stark und ich bekomme Zweifel, ob die Jacke nicht doch zu warm ist. Nach dem Startschuss geht es sofort steil bergan, und das Feld kommt ins Stocken. Vielfach kann man daher nur Gehen. Doch selbst dabei rutschen die Füße im Matsch immer wieder nach hinten weg. Überholen ist nur im Unterholz neben dem Weg möglich. Meine Pace liegt bei über 8 min/km. Das hatte ich mir irgendwie anders vorgestellt, denn ich möchte weniger als 5 Stunden für die 51 km lange Strecke benötigen. Ich kämpfe mich weiter bergan, schwitze stark und reiße mir die Jacke vom Leib. "Na super, jetzt kannst du den Lappen noch 50 km mit dir rumschleppen!", fährt es mir durch den Kopf. Doch kaum kommen wir oben an der nebelverhangenen Zillierbach-Talsperre an, weht ein kalter Wind und ich bin froh, die Jacke wieder überstreifen zu können. Drei Grad wird das Thermometer im Ziel anzeigen, also dürfte es auf den Gipfeln noch kälter sein. Jedenfalls werde ich die Jacke bis Nordhausen nicht wieder ausziehen.

 Alte Bekannte aus der DDR


An der ersten Verpflegungsstation treffe ich alte Bekannte, die ich längst vergessen hatte. Die Getränke werden nicht in den üblichen Wegwerfbechern gereicht, sondern in den guten alten, braunen DDR-Plastik-Henkelbechern, aus denen ich schon im Kindergarten getrunken habe. Später bei Lehre und Armee wurde darin der berüchtigte Impo-Tee ausgeschenkt. Sein Name basiert auf der Legende, dass dem Tee ein Zusatz beigemischt war, der den Geschlechtstrieb unterdrücken sollte. Heute ist etwas Zucker im Tee, der Energie für die nächsten Kilometer gibt. Und damit gilt auch heute: Vortrieb statt Geschlechtstrieb!

Schwierige Wegverhältnisse und Stürze

 

Der schlammige Untergrund verlangt viel Kraft und Aufmerksamkeit. Ich bin mit normalen Straßenlaufschuhen unterwegs und rutsche stark. Dennoch bin ich manchmal gegenüber den Trailschuhträgern im Vorteil. Deren Profilschuhe haben auf nassem Holz keinen Grip, und ein Läufer stürzt direkt vor mir auf einer Brücke. Nachdem er sich aufgerappelt hat, wirft er einen Blick auf meine weißen Handschuhe: "Wenn sie im Ziel noch weiß sind, hast du alles richtig gemacht!" Kaum sind diese Worte verhallt, bleibe ich an einer Wurzel hängen und kann mich gerade noch mit den Händen abfangen. Ich zeige meine nun braunen Hände vor und bekomme zu hören: "Solange sie nicht rot sind, ist es auch in Ordnung!"

Plötzlich Gegenverkehr

 

Wie in der Ausschreibung versprochen, führen die Wege meist auf schmalen Pfaden durchs Unterholz. Und so wundert sich auch niemand, als es - kurz nachdem ein Bach zu überspringen war - auf einem verwachsenen alten Rückeweg weitergeht. Selbst als unserem Trupp plötzlich Läufer von vorn begegnen, ahne ich nichts. Schließlich werden bei diesem Laufereignis auch andere Strecken angeboten, deren Verlauf ich nicht kenne. Während die ersten der Entgegenkommenden kommentarlos an uns vorübereilen, ist am Ende des kleinen Feldes jemand so fair, uns darauf hinzuweisen, dass wir uns alle verlaufen haben und umkehren müssen. Ich habe meine Lektion gelernt und werde künftig nicht mehr blind der Masse folgen, sondern eigenverantwortlich nach Wegmarkierungen Ausschau halten.

Schattenmann statt Hammermann

 

Der Verlauf des Weges ist die pure Lust! Trotz der suboptimalen Witterung kann ich die Schönheit der Landschaft ringsum genießen. Wie herrlich muss es erst bei Sonnenschein sein? Aber Hitze wäre meinem Lauf nicht zuträglich und so bin ich es zufrieden. Plötzlich schießt von hinten der Schattenmann vom Kyffhäuser an mir vorbei. Seine damalige Zurückhaltung zahlt sich heute offenbar aus. Hoffentlich habe ich nicht zu viele Körner verbraten. Ich will doch noch auf den Rennsteig!

Vom Genusslaufen noch weit entfernt

 

Am langen Anstieg zum Poppenberg muss ich noch ein paar der verbliebenen Körner investieren. Hin- und wieder muss ich hier gehen, bin oben aber erstaunt, wie gut der Aufstieg gelang. Das hatte ich mir schlimmer vorgestellt. Von einer Besteigung des Aussichtsturmes sehe ich aber ab. In einem Laufbericht hatte ich vorab gelesen, dass tatsächlich einige noch hier hinauf gehen und den Fernblick genießen. Von dieser entspannten Herangehensweise des wahren Genussläufers bin ich noch zu weit entfernt. Vielleicht gelingt es mir eines fernen Tages, diese Gelassenheit zu erreichen. Heute trage ich noch eine Uhr beim Laufen und eile nach kurzer Stärkung an der Verpflegungsstation weiter.

9 km Ultra-Feeling

 

Nach einer längeren Bergabpassage, an der ich einige Mitstreiter überholen kann, erreiche ich den Verpflegungspunkt bei km 43. Die Marathondistanz hat Körper und Geist zu einer homogenen Masse kondensiert. Schluchze ich vor Schmerz oder vor Glück? Das Blut pulst irgendwo durch die Beine, aber kaum noch durch den Kopf. Ich benötige mehrere Hundert Meter, um erfolgreich auszurechnen, dass das Fünf-Stunden-Ziel realistisch erreichbar ist. Ein Schwall Endorphine kommt über mich. Obwohl es kaum noch größere Anstiege zu bewältigen gibt, werde ich von hinten überrollt. Offenbar haben die anderen bessere körperliche oder mentale Reserven. Vielleicht fehlt mir einfach noch die Erfahrung auf der ultra-langen Strecke. An der letzten Getränkestation weist ein handgemaltes Pappschild noch 4 km bis zum Ziel aus. Ich zweifle. Stand nicht im Internet, dass es ab hier noch 5 km seien? Der Weg zieht sich über aufgeweichte Wiesen. Ich rutsche bei jedem Schritt bergan wieder ein Stück zurück. Ein Überholender versucht mich zum Mitkommen zu motivieren. Er schafft es nicht. Jeder Schritt schmerzt. Ich sehe Häuser in den Wiesen, ahne dass Nordhausen naht. Wage wieder nicht, es zu glauben. Immer wieder der Gedanke: "Wie weit noch? Wie weit noch?". Schließlich, ich passiere gerade ein paar Kleingärten, kommt mir ein Fußgänger entgegen und meint: "Nur noch 500 m!" Ich kann es nicht fassen. "Nur noch 500 m?", rufe ich erstaunt, erleichtert und befreit zugleich. Statt auf Meter hatte ich mich noch auf Kilometer eingestellt. Ich habe noch eine Menge Zeit, bevor die selbstgesetzte 5-Stunden-Frist verstreichen wird. Lächelnd greife ich zum Telefon, um mein Ein-Mann-Empfangskomitee auf meinen verfrühten Einlauf aufmerksam zu machen. "Mach mal die Kamera scharf!", rufe ich. Doch das Komitee steht nicht am Ziel, sondern im Stau. Egal, das kann mein Glück jetzt nicht mehr trüben!

Da brauchst du jemanden, der dich sehr, sehr lieb hat.

 

"Das hast du dir jetzt verdient.", höre ich im Ziel. Aus dem Munde eines Kindes klingt das seltsam. Ich neige mein Haupt, um mir die Medaille umhängen zu lassen. Doch zu meiner Enttäuschung bleibt mein Hals ungeschmückt. Stattdessen bekomme ich einen Textmarker und einen Aufnäher in die Hand gedrückt. Beide ziert das Logo der Harzquerung.
Textmarker als Zielprämie
Außerdem gibt es Iso, Wasser, saure Gurken und Schmalzstulle für die Finisher. Das Gepäck liegt regensicher unter einem Tribünendach direkt neben dem Ziel. Und auch zur Dusche ist es nicht weit. In der Umkleide hat jemand Probleme, die Beine anzuwinkeln: "Jetzt fehlt mir jemand, der mir die Socken auszieht." Sollte das ein Wink mit dem Zaunpfahl sein, so wird er nach einem Blick auf seine schlammigen, stinkenden Füße ignoriert: "Da brauchst du jemanden, der dich sehr, sehr lieb hat."

Mein Ein-Mann-Empfangskomitee

 

Den vom Veranstalter organisierten Bustransfer zurück nach Wernigerode brauche ich nicht in Anspruch zu nehmen. Denn mein Ein-Mann-Empfangskomitee trifft doch noch ein. Eigentlich ist es auf der Durchreise zu einem Radrennen in Göttingen. Doch es macht nicht nur in Nordhausen für mich Halt, sondern nimmt auch noch den Umweg über Wernigerode in Kauf, um mich im gut geheizten Auto dorthin zu chauffieren. Unterwegs werde ich mit heißem, gesüßten Tee und diversen Kohlehydraten verwöhnt. Dankbar genieße ich diesen Service, den nur ein erfahrener Ausdauersportler bieten kann. Gemeinsam besichtigen wir das schmucke Fachwerkstädtchen Wernigerode. Ein Kurzurlaub bis zur baldigen Walpurgisnacht wäre angemessen. Doch nach einer Einkehr - immerhin nehmen wir den "Hexenschmaus" - muss ich die Rückfahrt antreten.

Ausblick

 

Die Sehenswürdigkeiten und Naturschönheiten des Harzes erfordern weitere Besuche in dieser Gegend. Die Harzquerung mit ihrer ausgesucht naturnahen Wegführung und der schnörkellosen Organisation lockt ohnehin zur Wiederholung - dann vielleicht bei schönem Wetter. Darüberhinaus gibt es z.B. mit Harzgebirgslauf, Brocken-Lauf, Bad Harzbuger Bergmarathon und Brocken-Challenge noch genügend Gründe zum Wiederkommen.

Freitag, 14. Juni 2013

Rennsteiglauf-Vorbereitung Teil 1: Laufbericht "Kyffhäuser Berglauf"-Marathon


Start
Startbogen vorm Schloss
Nachdem ich von meiner Teilnahme am Rennsteiglauf-Supermarathon berichtet habe, möchte ich auch die Wettkämpfe schildern, mit denen ich mich auf die 72,7 km vorbereitet habe. Ich startete erst beim  "Kyffhäuser Berglauf" über die Marathondistanz und nahm später an der Harzquerung über 51 km teil.

Die Thüringer Läufe haben die Eigenschaft, bereits samstags stattzufinden. Das bedeutet eine Anreise am Freitag im dichten Pendlerverkehr. Vor dem Kyffhäuser Berglauf am 13.4.2013 bezogen wir in der Jugendherberge Kelbra Quartier. Das Haus ist top-modern ausgestattet und verfügt neben einer Cafeteria mit herrlicher Aussicht auch über eine große Terrasse, die einen wunderbaren Fernblick ins Thüringer Land bietet. Die Verpflegung steht einem Sterne-Hotel in nichts nach. Am Frühstücks- und Abendbrot-Büfett werden selbstgemachte Salate und eine große Auswahl an Käse, Aufschnitt und Müsli gereicht. Der Service wird durch die Freundlichkeit des Personals vervollkommnet. Lediglich die Lage des Hauses auf der "falschen" Seite des Kyffhäusers bedingt eine knappe halbe Stunde Anfahrt zum Startort Bad Frankenhausen.

Am Start gibt es nur kurze Wege. Parken kann man im Busbahnhof ca. 100 m entfernt von der Startlinie. Zur Gepäckaufbewahrung und zum Umkleiden dient ein Zelt. Kleiderbeutel werden nicht verteilt, man kann seine privaten Taschen dort abgeben.

Das Läuferfeld ist mit gut 250 Startern recht überschaubar. Daher geht es bei der Startaufstellung sehr gelassen zu. Bei Temperaturen um die fünf Grad und kaltem Wind schickt uns der Startschuss auf eine durchweichte Strecke. Vor einer Woche lag noch Schnee im Kyffhäuser. Inzwischen haben sich die Wege in Schlamm verwandelt. Der Veranstalter hebt die aktuellen Streckenbedingungen als schwierig hervor und wird sie als Begründung nehmen, um später das Zeitlimit für die MTB-Fahrer zu verlängern. (Diese bedauernswerten Gestalten werden im Ziel aussehen, als ob sie von Kopf bis Fuß mit einer Spritzpistole mit Schlamm besprüht worden wären.)

Doch zunächst verläuft der Weg auf Asphalt und auch erst einmal flach bis zur Barbarossa-Höhle, wo sich die erste Getränkestation befindet. Der Sage nach schläft Kaiser Friedrich I. in der Höhle, und sein roter Bart ist in den steinernen Tisch eingewachsen, an dem er sitzt. Dieses abschreckende Beispiel für die Folgen von zu wenig Bewegung läßt mich schnell weiterziehen. Bald folgt der erste Anstieg der insgesamt etwa 700 Höhenmeter hinauf zu km 12, wo es endlich auf Forstwegen in den Wald geht. Ich folge konsequent meiner Strategie, den Puls unter 80% zu halten. Dadurch muss ich am Berg die Geschwindigkeit reduzieren und verliere den Anschluss an die Truppe, in der ich bisher lief. Auch die beiden führenden Frauen ziehen vorbei. Ich werde sie in den hohen Zwanzigern wiedersehen und überholen. Bis dahin staune ich über die Länge der Anstiege. Die Gefälle in meinem Trainingsgebiet sind in etwa vergleichbar, jedoch sind die Berge hier wesentlich länger. Doch es ist niemals so steil, dass man gehen müsste. Ich genieße die Natur, durch die uns die Waldwege führen. Immer wieder ist mit schlammigen Passagen und Pfützen zu kämpfen. Besonders reizvoll ist das Wegstück, das als Single-Trail in Richtung Rothenburg leitet. Deren Gelände wurde im Dritten Reich von der SS benutzt, und in der DDR erholten sich dort Stasi-Mitarbeiter von ihren Missetaten. Beim Erreichen der Kontrollstelle am Kyffhäuserdenkmal wird mir ein Stempel auf die Startnummer gedrückt, den später im Ziel niemand sehen will. Normalerweise fängt es in den 30er Kilometern an weh zu tun, doch hier rollt es besser als je zuvor auf der Strecke! Für mich überraschend - hätte ich doch vorher das Höhenprofil besser studiert - fällt der Weg bis km 35 kontinuierlich ab.
Höhenprofil (Quelle: http://www.kyffhaeuser-berglauf.de)

Kann das bis ins Ziel so weitergehen? Natürlich nicht. Die größte Herausforderung des Laufes wartet ab km 36 auf mich. Der Weg führt parallel zu einem Segelflugplatz über freies Feld in sehr starkem Gegenwind leicht bergan. Ich überhole zwar etliche Geher, aber der Wind bläst mir den Willen aus dem Kopf. Und ich bin sogar froh, als ich überholt werde. So kann ich mich in den Windschatten des Anderen hängen und mich die zwei km bis zum rettenden Waldrand ziehen lassen. Kaum ist dieser erreicht, verschwindet der Wind und mein Kopf kommt wieder in Ordnung. Nach einem Blick zur Uhr rufe ich meinem "Windschatten" zu: "Wenn wir uns beeilen, ist eine Zeit unter 3:30 noch drin!" Darauf antwortet dieser: "Die Zeit ist mir eigentlich egal, ich habe gar keine Uhr dabei." Das nenne ich wahre Gelassenheit! Werde ich diese Stufe der Erleuchtung je erreichen?

Ich lasse den Windschattenmann zurück und stürme dem Ziel entgegen. Leider ist der aufgeweichte Waldweg durch Holzarbeiten so zerwühlt, dass er unpassierbar ist. Man muss sich neben dem Weg durchs Unterholz schlagen. Auf dem schmalen Pfad sind schon einige Halbmarathonis unterwegs, die aber respektvoll zur Seite treten und mich passieren lassen. Teilweise klatschen sie sogar und feuern mich an. Das ist Sportsgeist, danke!
Beifall gibt es dann auch nochmal auf der Zielgeraden, wo meine Familie mich erwartet. Und schon ist das kleinste Mittelgebirge Deutschlands einmal komplett von mir durchlaufen worden!

Als Zielverpflegung bekommt jeder Läufer wahlweise eine Erbsensuppe mit Bockwurst oder zwei Thüringer Rostwürste. Ich nehme natürlich die Würste, wenn ich schonmal in Thüringen bin. Doch unmittelbar nach einem Marathon ist das nicht ganz das Richtige für meinen Magen. Ich genieße eher die Brötchen und scheitere an Wurst Nummer Zwei.

Die Duschen befinden sich wenige Schritte neben dem Ziel in der Kyffhäuser-Therme. Die Läufer, die nicht nur Schweiß und Schlamm abspülen wollen, bekommen Ermäßigung auf den  Eintritt in das Bad. Diese Möglichkeit nutzen wir. Während die Kinder durchs Wasser tollen, lasse ich mir im lauwarmen Wasser auf der Sprudelliege die Beine  genüsslich durchblubbern. Diese Wohltat habe ich mir jetzt verdient!


Sonntag, 9. Juni 2013

Landschaftslauf im Marathonteam-Ratingen

Während anderswo ganze Gegenden im Wasser versinken, sind wir in der beneidenswerten Lage, uns sorgenfrei an einem Flussufer bewegen zu dürfen. Allein dafür muss man schon dankbar sein. Und mit der netten Begleitung im Marathonteam-Ratingen wurde der 17-km-Landschaftslauf um den Baldeneysee zu einem vollendeten Genusslauf. Finisher-Shirts vom Viva-West-Marathon, aus Prag, aus Stockholm und auch vom Rennsteig wurden heute Morgen bei 8 Grad und Wind ausgeführt. Eigentlich wünschte man sich in der morgendlichen Kühle beim Start an der Regatta-Tribüne eine Jacke. Doch dann hätte ja keiner die stolz zur Schau getragenen Shirt-Aufdrucke lesen können! Früher galten Narben als Ausweis der Helden. Nehmen wir es als Zeichen des zivilisatorischen Fortschritts, dass wir heute dafür Hemden nutzen. Und ihre Träger hatten natürlich unterwegs viel zu berichten. Andere absolvierten erstmals 17 km am Stück und konnten in ihrer Zuversicht gestärkt werden, auch einen Halbmarathon bewältigen zu können. Auf jeden Fall hatten sich alle anschließend ihr Frühstück verdient.
Wer zweifelt, ob ein flacher Rundkurs auf Asphalt als Landschaftslauf gelten darf, möge einen Blick auf die Bilder werfen.


grün: Stockholm, weiß: Viva-West, rot: Prag




Freitag, 7. Juni 2013

Natural-Running - Der New Balance Minimus im Test

Beim Köln-Marathon wurde ich von einem Barfußläufer im Pumuckel-Gewand überholt. Beim Dresden-Marathon passierte ich einen Läufer, der seine drückenden Schuhe mit den Worten: "Besser so, als gar nicht ins Ziel!" weggeworfen hatte und auf Socken weiterlief. Ein Kollege lief den Marathon beim Iron-Man in "FiveFingers", wobei sich unterwegs die ganze Sohle seiner Füße ablöste, so dass er im Ziel keinen Schritt mehr tun konnte. (Er ließ sich dann auf seinem Fahrrad ins Hotel schieben.) Und am Rennsteig sah ich mehrere Teilnehmer, die die 72,7 km in "Nike Free"-Schuhen abrissen.
"Natural Running" ist also ein Trend. Vielleicht treibt die Industrie hier nur eine neue Sau durchs Dorf. Vor ein paar Jahren sind ja ganze Läuferscharen in bunten Kompressionsstrümpfen durch die Gegend gesprungen. Das sieht man inzwischen nicht mehr so oft. Ich habe den Trend (u.a. aus optischen Gesichtspunkten) gleich übersprungen. Doch dieses minimalistische Konzept, das Zurück-zur-Natur und Zurück-zum-Barfußlaufen des Natural-Running spricht mich an. Und so habe ich es getan. Ich habe mir ein paar Natural-Running-Schuhe gekauft.


Der Minimus von New Balance hat mir gleich gefallen. Entsprechend meiner neuen Vorlieben habe ich die Trail-Variante ausgesucht. Die offizielle Bezeichnung lautet MT10. Der Schuh sieht einfach rattenscharf aus. Und er sitzt am Fuß wie ein Handschuh, ohne viel schwerer als ein solcher zu sein. Den Schuh aus der Packung zu nehmen und das Gewicht zu spüren oder eben gerade nicht zu spüren, das war ein Erlebnis!
Aber wie läuft es sich in dem Schuh? Auf die Packung sind Warnhinweise aufgedruckt, man möge anfangs nur kurze Strecken und diese nur in der richtigen Technik laufen. Als Fersenläufer muss ich hier erst noch lernen. Deshalb habe ich die Schuhe zunächst nur im Alltag getragen. Dabei fiel auf, dass man beim Gehen nicht automatisch auf Vor-oder Mittelfußtechnik umstellt wie beim Barfußgehen. Man muss also seine Schritte ganz bewusst setzen.
Heute habe ich es gewagt und bin mit den Schuhen gelaufen. Als Untergrund wählte ich Tartan, was neben Wiese und Sand für den Anfang empfohlen wird. Interessanterweise fällt es beim Laufen viel leichter, die Mittelfußtechnik (oder was ich dafür halte) zu benutzen. Das geht fast von selbst. Aber ich bin mit den Schuhen langsamer und ermüde sehr schnell. Zwei 1000-m-Intervalle schaffte ich geradeso in 4 min. Das dritte Intervall war dann über 4:30 min. Die heutigen Temperaturen von 27 Grad im Schatten (ich lief im Stadion in der prallen Sonne) mögen auch zum Leistungseinbruch beigetragen haben. Aber mir taten auch ganz schön die Waden weh, so dass ich nach 5 km auf Tartan froh war, die Schuhe für den Rückweg zu wechseln. Ich habe noch nie so sehr die Dämpfung meiner New Balance MR880 gespürt und genossen!
Es wird sich zeigen, wie lange ich die Disziplin aufbringe und den Minimus im Training benutze. Angeblich stärkt sich dadurch die Muskulatur, was letztlich zu mehr Schnelligkeit führen soll. Dann wäre irgendwann der Minimus aufgrund seines geringen Gewichts der ideale Wettkampfschuh. Notfalls werde ich ihn als schicken Hausschuh auftragen. Immerhin habe ich eine Steintreppe im Haus, auf der die Trail-Sohle ihre Griffigkeit beweisen kann.


Donnerstag, 6. Juni 2013

Rennsteiglauf Supermarathon: "Hart, aber schön"



"Hart, aber schön." So lautete der Slogan des Rennsteiglaufes am 25.5.2013. Dass es hart werden würde, war klar. Doch würde es auch schön werden?


Ein Finisher-Shirt gibt es nur für die Läufer, die den Supermarathon über 72,2 km und 1400 Hm beenden. Nachdem ich vor zwei Jahren auf der Marathondistanz, die hier 43,5 km lang ist, unterwegs war, wollte ich mir diesmal das Shirt verdienen.
Für 8 Euro bot das Elisabethgymnasium in Eisenach Übernachtung mit Frühstück an. Dafür bekommt man einen Liegeplatz für Isomatte und Schlafsack und ab 3:30 Uhr zwei Brötchen, Butter, Marmelade, Honig, Käse und Wurst. Solange der Vorrat reichte, gab es noch gratis Äpfel und Schokoriegel dazu. Auch für die Verpflegung am Vorabend ist dort mit Getränken, Obst, Schmalzstulle und Hack-Brötchen gesorgt. Und wer möchte, kann sogar nach dem Lauf noch einmal dort nächtigen. Die Übernachtung selbst war schon ein Erlebnis, teilte ich mir doch u.a. einen Klassenraum mit der Siegerin des Röntgenlaufes 2010 und 2012, Simone Durry, und mit Jürgen Kuhlmey, der als Starter der M75 einiges aus seinem ca. 30-jährigen Läuferleben mit mehr als 300 Marathons auf allen Kontinenten zu berichten hatte.
Um 4 Uhr am nächsten Morgen gab es noch keine Schlangen beim Frühstück und im Sanitärtrakt, obwohl das Objekt ausgebucht war. So konnte ich entspannt den kostenlosen Shuttlebus um 5 Uhr zum Start am Marktplatz erreichen. Dort lief alles sachlich nüchtern ab. Kein Vergleich zu der Party beim Marathonstart in Neuhaus mit Kapelle, Rennsteiglied und Schunkeln zum Schneewalzer! Morgens um 6 Uhr in der Innenstadt ist wohl eher Ruhe geboten. Sehenswert im Startblock waren die Schuhe eines Rennsteigveteranen. Während ein uralter Filzhut mit Rennsteiglauf-Logo seinen Kopf zierte, trug er an den Füßen Tracking-Sandalen. Der Chip war mit Paketschnur angeknotet. So laufe er seit 15 Jahren. Man solle es nur auch einmal probieren. Mancher der Umstehenden witterte hier einen neuen Trend in der Laufszene. Auch unterwegs waren immer wieder alte Rennsteig-Haudegen zu sehen, die die Anzahl ihrer Starts auf ihrem Shirt vermerkt hatten. Einer davon blieb auch am steilen Anstieg zum Inselsberg-Gipfel im Laufschritt und meinte: "Jetzt bin ich hier 38 mal hochgelaufen, da laufe ich auch beim 39. Mal, selbst wenn ich dabei langsamer als mancher Geher bin."
An den Bergen zählte auch ich zu den Gehern. Die Verpflegung nahm ich ebenfalls jeweils im Gehen auf, machte an den Verpflegungsstellen aber keine Pausen. Denn nur eine Minute an jeder Versorgungsstelle bedeutete in Summe den Verlust einer Viertelstunde auf die Gesamtzeit. Zu Zeitverlusten kam es gleich zu Beginn, als das dichte Feld immer wieder zum Stehen und Gehen kam. Weiter vorn wurde die Ursache klar. Die Wege waren teilweise voller Schlamm und Matsch, durch den einige Läufer nicht hindurch wollten. Damit reduzierte sich die genutzte Wegbreite auf ca. ein Drittel, und es kam zum Stau. Aber man konnte prima überholen, wenn man einfach durch die Pfützen und den Matsch durchlief. Da ich bei der Harzquerung in der Beziehung stark abgehärtet wurde, konnte ich mich auf diese Weise etwa ab km 5 freilaufen.
Vielleicht war ich die Vorbereitungsläufe "Kyffhäuser Berglauf" und "Harzquerung" zu schnell gelaufen. Auf jeden Fall taten mir schon bei der Hälfte der Strecke die Beine weh. Damit lagen dann 4 Stunden Zähnezusammenbeißen vor mir. Nach dem Lauf hatte ich regelrecht Zahnschmerzen davon. In den hohen 50er Kilometern waren etwa 6 Stunden vergangen, da stieß ich auf einen Begleiter, der meinte, es seien ja nur noch 2 Stunden. Das war tatsächlich tröstlich. Es ist eben alles relativ.
Irgendwann war der höchste Punkt der Strecke mit 973 m erreicht. Dort lagen noch ein paar Schneereste der letzten Nacht und ich war froh über meine Jacke und zog auch die Handschuhe wieder an. Ab jetzt ging es abwärts, und das von mir am schnellsten gelaufene Teilstück, auch wenn es sich anders anfühlte, sollte folgen. Mein Idealziel, unter 8 Stunden zu bleiben, schien nun realistisch erreichbar. Und das spornte an. Kurz vor der Verpflegungsstelle bei km 64 überholte ich ein Trüppchen. Und einer der Läufer fragte mich mit Angst in der Stimme, ob es denn noch einmal bergauf gehe. Das wusste ich auch nicht, hoffte jedoch inständig, dass es nicht der Fall sein möge. (Inzwischen weiß ich es besser.) Jetzt war jeder km beschildert. Aber es dauerte eine Weile bis meinem blutleeren Hirn dämmerte, dass man hier nicht einfach die letzten 20 km ausgeschildert hatte, sondern dass es sich um die Markierung des Halbmarathons handelte. Es waren also noch 1,1 km mehr bis ins Ziel, und ich hatte meine Zeitrechnung zu korrigieren. Es war Eile geboten! An den letzten Steigungen gönnte ich mir kein Gehen mehr. Auf der gemeinsamen Zielgeraden von Marathon und Supermarathon konnte ich sogar noch ein paar Finisher des Marathons überholen, bevor ich völlig fertig nach knapp 8 Stunden die letzte Matte passierte.
Jetzt wollte ich nur eins: mein Finisher-Shirt. Auf dem Weg zur Ausgabe kam ich an einem Container vorbei, in dem gelangweilte Physiotherapie-Lehrlinge auf Kundschaft warteten. Spontan änderte ich die Richtung und legte mich auf die Pritsche, wobei ich die Suggestiv-Frage, ob ich nicht erst Duschen wolle, einfach verneinte. Und so bekamen meine schlammigen Waden eine Massage mit sehr frischem und ganz natürlichem Peeling. Nach dieser Wohltat war ich so ausgekühlt, dass meine Zähne aufeinanderschlugen. Das Shirt musste also nochmals warten. Ich schleppte mich zähneklappernd zur Gepäckwiese, wo Kleiderbeutel und anderes Gepäck im Gras lagen. In diesem Jahr waren die Behältnisse von oben trocken geblieben. Aber durch den Regen der Vortage liefen schlammige Rinnsale quer über die abschüssige Wiese und mitten durchs Gepäck. Mein Rucksack war zum Glück nur am Boden etwas schmutzig geworden und ich konnte einen wärmenden Pullover hervorzerren. Als ich später geduscht und dick angezogen mein Finisher-Shirt in Empfang nahm, hielt ich es mir prüfend vor den Körper. Daraufhin riet mir eine Läuferin mit Nachdruck, es besser richtig anzuprobieren: “Jetzt hast du dir die Seele aus dem Leib gelaufen. Wenn das Shirt nicht passt, ärgerst du dich dein Leben lang!” Das wollte ich natürlich nicht riskieren. Also entpellte ich mich noch einmal. Das Shirt saß wie angegossen und wurde an dem Tag nicht mehr ausgezogen!

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