Freitag, 29. November 2013

Vollpfosten

Vollpfosten (Quelle: de.freepik.com)
Jeder von uns empfindet sich als einzigartig und individuell. Wir sind ganz anders als die anderen - unverwechselbar und nicht austauschbar.

Am Ende einer meiner Laufstrecken steht ein einsamer Pfosten. Er lädt geradezu ein, mich beim Dehnen an ihn zu stützen.

Ein Passant: "Nicht so fest, sonst fällt er um!"

Vielleicht sieht man meinem Lächeln an, wie mühsam es hervorgebracht ist. Jedenfalls hält er inne und fügt in plötzlicher Selbsterkenntnis hinzu: "Den blöden Witz hören Sie wohl öfter?"

Antwort: "Jedes Mal."

Mittwoch, 27. November 2013

Wenn der Milchmann zweimal klingelt

(Milch-) Quelle: de.freepik.com
Heute war ich Milchmann. Aber zum Klingeln hatte ich keine Hand frei. Um die Vorräte im Büro aufzustocken, führte ich zwei Paletten H-Milch mit mir.

Als im dritten Stock der Atem etwas schwerer zu werden begann, meinte ich zu einem Kollegen: "Vielleicht hätte ich ausnahmsweise doch mal den Fahrstuhl nehmen sollen."

Seine Antwort: "Und jetzt stell dir mal vor, du wärst einer von denen, die diese zusätzlichen 24 Kilo ständig mit sich rumschleppen müssen!"


Montag, 25. November 2013

Lorbeerernte bei Blumensaat

Startunterlagenausgabe und Verpflegung in warmer Turnhalle am Start
23.11.2013. Es ist der große Tag der Pulsmesserin. Fünf Jahre nach ihrem Halbmarathondebüt will sie noch einmal auf dieser Distanz antreten. Aber nur, wenn ich eine sehr flache Strecke für sie finde! Es bietet sich der August-Blumensaat-Gedächtnislauf an, der für sich die schnellste Strecke im Großraum Essen reklamiert. Direkt am Ufer des Baldeneysees liegt der 5,27 km lange und topfebene Pendelkurs.

Dort findet sich unser Familien-Dreier aus Mutter, Sohn und Vater gegen Mittag ein. Der Start um 14 Uhr ermöglicht Ausschlafen, geruhsames Frühstück und eine stressfreie Anfahrt.

Noch am Vorabend stand meine Teilnahme auf der Kippe. Nach einer Grippeschutzimpfung schmerzte seit Tagen die linke Schulter. Kopfschmerzen und Schlaflosigkeit ließen eine aufkommende Erkältung befürchten. Aber vor einem Wettkampf ist man ja meistens "krank". Und oft ist es nur der Kopf, der die Beschwerden vorgaukelt. Nach ausgiebigem Schlaf befinde ich mich jedenfalls am Morgen für wettkampftauglich. Es geht heute ja um nichts - ich bin doch "nur mit".

Hier am Baldeneysee fand vor ein paar Wochen der RWE-Marathon statt. Gladys wurde die drittplatzierte Frau, um kurz darauf den Martinslauf zu gewinnen. Heute will sie die schnelle See-Strecke nutzen, um ihre Halbmarathonbestzeit von 1:28:23 zu unterbieten. Und sie offeriert, als Tempomacherin für mich zu agieren. Für sich selbst hat sie offenbar die flotte Silke als Zugläuferin verpflichtet. Geplant ist eine Pace von 4:10. Meine Bestzeit liegt bei 1:29:10. Eine 4:13 würde mir daher schon reichen. Trotzdem nehme ich das Angebot dankbar an, denn allein mit mir und der Uhr fehlt mir oft die mentale Stärke, ans Limit zu gehen. Und da es heisst, dass man kurz nach dem Marathon auf Unterdistanzen Bestzeiten laufen könne, will ich es einfach spontan versuchen.

Frau und Kind haben sich im Feld platziert. Und ich stehe direkt hinter meinen beiden Häsinnen etwa in vierter Reihe nach der Startlinie. Die beiden Damen prügeln vom Start weg wie von Furien gehetzt. Dabei bin ich es doch nur, der an ihren Fersen klebt. Bei km 1 haben wir eine Pace von 4:00! "Wir wollen doch keinen 10er laufen, sondern noch doppelt so viel!", denke ich. Offenbar bemerkt auch Silke, dass wir zu schnell sind. Denn sie gibt Zeichen, wir mögen uns zügeln. Viel hilft das nicht. Die beiden Damen donnern mit 4:04 weiter über die Uferpromenade. Ich bekomme erhebliche Zweifel, ob ich das durchhalten kann. Mein Atem ist schon stark hörbar, während die Mädels lautlos dahingleiten.

Kurz vor der ersten Wende begegnen uns die Führenden. Es zeigt sich, dass nur eine Frau darunter ist. Ich lasse mich hier also von den Aspirantinnen auf Platz Zwei und Drei mitnehmen. Was das für eine Ehre ist, wird bei jeder Zuschauerbegegnung deutlich. Immer wird den Damen hochachtungsvoll Beifall gezollt. Meist werden sie, bekannt als lokale Laufprominenz, sogar mit ihren Namen angefeuert. Nach der Wendestelle zeigt sich, dass die Platzierung meiner Begleiterinnen unangefochten ist. Keine weibliche Konkurrenz auf unseren Fersen.

Jetzt auf dem zweiten Segment fällt es mir leichter. Ich "bin drin" in diesem Lauf. Vielleicht liegt es daran, dass unsere Pace auf 4:06 gesunken ist. Die Begegnung mit meinem Junior, der locker wirkt und lachend winkt, erleichtert mich zusätzlich. Es geht ihm gut, und er übertreibt es nicht. Auch meine Frau scheint Spaß an dem Lauf zu haben. Munter schwatzend hat sie sich ein paar lustigen Herren angeschlossen.

Unser Dreigestirn überholt einen Läufer, der sich nicht abschütteln lassen will. Auch er möchte den Windschatten der zwei Frauen nutzen und versucht, mir meinen Platz streitig zu machen. Das geht bis hin zu einem Zusammenprall an der Schulter. Ist die Strecke nicht breit genug? Angesichts seines rasselnden Atems nehme ich es gelassen und wette, dass er dasTempo nicht bis ins Ziel durchhält. Bei km 8 ist er weg. Damit ist er nicht der Einzige. Auch Silke setzt sich jetzt ab, allerdings nach vorn. Da können wir doch jetzt bestimmt ein bisschen langsamer laufen? Nein, können wir nicht. Denn wir kommen durch den Start-/Zielbereich, wo gejubelt und angespornt wird. Das beflügelt Gladys merklich, und ich muss Gas geben, um dranzubleiben.

Wir nähern uns der kritischen Phase eines Halbmarathons. Bei km 14 messe ich mit 4:12 eine Zeit jenseits des angestrebten km-Splits. Und was mich sonst im Wettkampf wütend macht, ist mir heute völlig egal. Wir haben so viel Polster herausgelaufen, dass ich mir bereits jetzt ganz sicher bin, mit einer neuen Bestzeit ins Ziel zu kommen, wenn ich mich nicht noch verletze. Dieses Wissen gibt mir offenbar mentale Kraft. Denn nun ist es an mir, einen Beitrag zum Tempo zu leisten. War ich bisher hinter Gladys gelaufen, bewegen wir uns jetzt Seite an Seite vorwärts.

Ab der letzten Wende spüre ich, dass ich die "zweite Luft" bekomme und beginne mich zu fragen, ob es fair ist, sich durch so ein Rennen ziehen zu lassen, um dann im Endspurt seinen Tempomacher zu überholen. Darüber hatten wir vorab nicht gesprochen. So ein Szenario schien mir völlig undenkbar. Mit derlei Gedanken bin ich nun etwa eine Fußlänge voraus und hoffe, Gladys so ziehen zu können.

Die Laufstrecke im Juni 2013
Zwischen km 18 und 19 passiert es. Wir werden überholt! Ich will das Tempo des Gegners mitgehen und spüre, wie ich Gladys verliere. Der Überholer scheint gleich darauf langsamer zu werden. Ich ziehe an ihm vorbei und lasse jetzt alles raus. Das wird die Bestzeit meines Lebens! Mein sauerstoffunterversorgtes Hirn kriegt es nicht genau ausgerechnet, aber unter 1:28 wird es werden. Diese Gewissheit könnte mich ausruhen lassen, stattdessen beflügelt sie mich zusätzlich. Was für ein Hochgefühl, sich seines Erfolges schon vorab sicher zu ein! Einen Konkurrenten kann ich noch einsammeln. Dann naht schon das Ziel. Trotz Tunnelblicks erkenne ich auf der Uhr, dass ich Kilometer 21 mit 4:03 hinter mich gebracht habe. Mit für mich völlig unglaublichen 1:26:44 erreiche ich die weiße Linie. Nie hätte ich eine derartige Zeit für mich für möglich gehalten, hätte es nie gewagt, ein Rennen so forsch anzugehen.

"Danke Gladys! Selten hat mich eine Frau so glücklich gemacht!",  begrüße ich meine Mitstreiterin, als sie - ebenfalls noch unter 1:27 - als drittplatzierte Frau und mit einer neuen Bestzeit im Ziel eintrifft. Auf Wolke Sieben laufen wir gemeinsam eine Runde aus. Gladys hat heute ihren Traum verwirklicht, während für mich ein Traum in Erfüllung ging, den ich gar nicht zu träumen gewagt hatte.

Wieder im Zielbereich, erwartet uns dort schon mein Pulsmesserchen. Er hatte sich 1:55 für den Lauf vorgenommen, ist aber schon nach 1:48:20 ins Ziel gekommen. So entspannt wie er wirkt, scheint er dabei nicht an seine Grenze gegangen zu sein. Um ihn anmelden zu können, hatte ich ihn vier Jahre älter machen müssen, da der Lauf ab 16 Jahren zugelassen ist. Zu allem Überfluss legt der Veranstalter bei der Siegerehrung die U18 mit der U20 zusammen, so dass sich der Junior mit einem undankbaren vierten Platz begnügen muss.

Die Pulsmesserin erreicht das Ziel ebenfalls frohen Mutes. Sie hat sich von uns allen am allermeisten verbessert und ihre Bestzeit auf 2:03 um vier Minuten nach unten korrigiert. Hatte meine Frau in der Trainingsphase oft geklagt: "Das tu ich mir nie wieder an!", so hoffe ich jetzt - nach so viel Lorbeer für die ganze Familie - auf eine baldige Wiederholung.






Sonntag, 17. November 2013

Soo dick! Soo dünn!

Bestes Herbstwetter über 32 km
Als meine Kinder Babys waren, liebten sie dieses Spiel. Der Erwachsene greift die Hände des auf dem Rücken liegenden Kindes und führt die Kinderarme über dessen Kopf. Dabei ruft man begeistert: "Soo groß!" Anschließend werden die Hände mit dem Ausruf: "Soo klein!" wieder zurück an die Seite des Körpers gelegt. Spätestens jetzt sollte das Kleinkind die Mundwinkel nach oben ziehen, wenn nicht gar bereits juchzen. Nun setzt man noch einen drauf und breitet mit den Worten: "Soo dick!" die Arme des Kleinen aus. Als Gipfel der kindlichen Freude führt man die Hände zur Körpermitte und verkündet: "Soo dünn!" Gequieke und Gelächter des Babys sind des adulten Spaßmachers Lohn. Und einem väterlichen "Nochmal?" konnte keines meiner Kinder widerstehen.

Zuletzt wollte ich beim Nachwuchs meines Freundes Eindruck mit diesem Spielchen schinden. Das Kind ließ die Prozedur regungslos über sich ergehen. Die Eltern versuchten, das Befremden aus ihren Mienen zu verbannen. Seitdem halte ich mich zurück.

In den hohen Zwanzigern des gestrigen 32-km-Laufes überholte ich ein niedliches, kleines Mädchen, das mit seinem stark übergewichtigen Vater gerade die Einkäufe fürs samstägliche Frühstück nachhause trug. Als ich vorbei war, fragte die Tochter:

"Papa, möchtest du auch so sein?

"Nee! Das ist viel zu dünn!"

Sonntag, 10. November 2013

Martinslauf 2013 oder Das Geschenk von St. Martin

Zum Martinslauf gehört St. Martin
"Ich kann nicht mehr!" bringt das Mädchen unter Tränen hervor. "Komm, weiter! Da vorn ist das Ziel!", treibt der übermotivierte Vater sie an, als die beiden unter tosendem Applaus der Zuschauer mit weitem Abstand zum Feld als Vorletzte in die Zielgerade des Bambinilaufs biegen. Das Kind fügt sich. Dieses eine Mal noch. Danach will es nie mehr laufen.

Das wäre eine ganz nette Anekdote, wäre nicht ich dieser Vater gewesen. Die Laufbegeisterung hatte mich erfasst und bei meiner Frau Unterstützung gefunden. Auch mein Sohn ging gleich als Bambini freudig an den Start. "Na, dann wird wohl auch das Töchterchen mitmachen, wenn es alt genug ist.", dachte ich damals und habe es wie oben beschrieben vermasselt.

Inzwischen hat auch die Kleine ihren Sport gefunden und ist als Schwimmerin sehr aktiv. Und es kommt noch besser.

Meine Frau hat sich für diesen Herbst vorgenommen, nach ein paar Jahren Pause ihren zweiten Halbmarathon zu absolvieren. Dafür stand für den 10. November ein 10-km-Testrennen im Trainingsplan. Das bedeutete, dass Mutter, Vater und Sohn beim Düsseldorfer Martinslauf starten würden. Diesem Herdentrieb konnte sich meine Jüngste offenbar nicht entziehen. Denn sie beschloss von sich aus, ebenfalls an den Start zu gehen! Sie hätte ihren Vater nicht glücklicher machen können.

Mädchen, die beim 725 m-Lauf Spaß haben
In der AK U10 trennen nur 725 m Start- und Ziellinie. Das macht eine trainierte Schwimmerin aus dem Stand, auch ohne Lauftraining. Und so rollt mein Töchterchen das Feld von hinten auf und läuft lächelnd als 15. ins Ziel. Das war ein so positives Erlebnis, dass sie uns bestimmt wieder einmal mit zu einer Laufveranstaltung begleitet, wenn der dicht besetzte Schwimmwettkampfkalender es zulässt. Doch zunächst muss sie warten, bis wir anderen unseren 10-km-Lauf beendet haben.

Der um 15 Minuten verschobene Startschuss entlässt uns auf eine topfebene Waldrunde mit teils asphaltierten, teils naturnahen Wegen. Naturnah bedeutet bei heutiger Witterung vor allem Pfützen, nasses Laub und Schlamm. Doch der angesagte Regen lässt der Sonne den Vortritt, die die gefärbten Bäume gelegentlich aufleuchten und mich an meiner Bekleidungswahl zweifeln lässt. Bei 5 Grad und leichtem Wind hatte ich mich für ein Langarm-Hemd unter dem kurzen Team-Shirt entschieden und das Outfit mit Kappe, Handschuhen und kurzer Hose komplettiert. Zum zweiten Mal in einem Wettkampf werden meine Füße von Minimalschuhen geziert, da ich den Umstieg auf Natural-Running ab jetzt forcieren möchte.
Zum Glück unterwegs nicht getroffen: Der Besenwagen

Offenbar habe ich mich am Start zu weit hinten aufgestellt. Es kostet mich mehr als zwei Kilometer, bis ich mich durchs Feld gekämpft habe. Das hat den Vorteil, dass ich diesmal nicht zu schnell starte. Ich spare mir Körner für die zweite Hälfte auf und laufe stetig weiter. Das bedeutet, dass ich die ganze Zeit überhole. Ein gutes Gefühl. Nur kurz vor km 5 schiebt sich jemand an mir vorbei. Das korrigiere ich umgehend wieder und werde den ganzen Lauf nicht mehr überholt. Im Gegenteil.

Kein Pulsmesser, sondern ein Herzläufer
Bei km 7 ruft mir ein Beobachter "Dreißigster!" zu. Ich kann mich noch an zwei Konkurrenten vorbeiarbeiten und gegen Ende sogar etwas beschleunigen. Bis zum Ziel schließe ich dadurch auf eine weitere Zweiergruppe auf. Im Endspurt bezwinge ich den hinteren der beiden. Doch auch der Vordermann wird in der Ergebnisliste nach mir stehen, da er die längere Nettozeit hat. Und so werde ich heute 25. Mann von über 700 Startern und Vierter in der AK. Das für mich viel bedeutendere Resultat ist aber die Zeit von 39:54. Erst zum zweiten Mal in meinem Läuferleben kann ich die 40-Minutengrenze knacken!

Zwei Becher Tee später nehme ich schon meinen Sohn in Empfang. Obwohl er vorm Start meinte, heute sei keine Bestzeit für ihn möglich, läuft der Zwölfjährige ansehnliche 43:23. Und auch meine Frau ist mit ihrer Zeit von 56:45 zufrieden.

Wir nehmen die Zielprämie - einen Weckmann - in Empfang und könnten alle glücklich heimkehren, hätte nicht jemand das Tor verschlossen, hinter dem sich der Campingplatz mit den heißen Duschen und den Umkleidezelten befindet. Doch auch diese letzte Hürde wird heute erfolgreich genommen.

Freitag, 8. November 2013

Laufverbot

Laufen kann man überall. Das ist einer der immer wieder gepriesenen Vorteile dieser Sportart. Schuhe anziehen und raus in die Natur! Umso überraschter bin ich, als ich mich erstmals mit einem Laufverbot konfrontiert sehe.

Auf Mallorca gibt es, allen Hotelbauten zum Trotz, noch einige naturbelassene Areale, nicht nur in den Bergen. Ein völlig flaches Gebiet befindet sich im Nordosten der Insel im Naturpark S’Albufera. Dieses große Feuchtgebiet bietet seltenen Tieren und Pflanzen einen Rückzugsbereich und dient Tausenden Zugvögeln als Rastplatz. Und es könnte auch als Laufrevier herhalten, denn es sind vier Rundwege ausgeschildert. Einer davon ist 13 km lang und ein guter Kandidat für einen Lauf in der Natur. Denke ich. Doch schon am Eingang des Parks werde ich von diesem Schild brüsk gestoppt:


Laufen verboten! Ob es das auch noch anderswo gibt?


Mittwoch, 6. November 2013

Unter Beschuss beim Trailrunning auf Mallorca

Nach dem Mallorca-Marathon wäre etwas Regeneration wohl angemessen. Zu sehr locken jedoch die Gipfel auf der Halbinsel de la Victoria, die ich jeden Tag von unserer Unterkunft in Puerto Alcudia sehen kann. Als nach zehn Tagen ein Gewitter endlich Abkühlung bringt, kann ich tags darauf nicht länger widerstehen und breche Richtung Kap Menorca auf. Da ich meinen Sohn mitnehme, ist zumindest ein regeneratives Tempo sichergestellt.

Gipfel-"Sturm"

Kammweg zum Gipfel
Wir parken am Eingang des Naturschutzgebietes oberhalb des Golfplatzes (bei N39 51.066 E3 09.392). Dort starten wir direkt hinter der Sperrkette. Nach ein paar flachen Metern leitet uns der Wegweiser nach rechts über einen ersten Gipfel mit herrlicher Aussicht über die leuchtturmbestückte, vorgelagerte Insel bis zur Küste Menorcas. Wir laufen hinab zum Coll de la Fontanelles (N39 51.401 E3 10.165). Am Wegweiser nehmen wir die einzige Richtung, in die kein Schild zeigt und steigen auf kaum markiertem Pfad über den Kamm direkt zum Gipfel des Atalaya de Alcudia (495 m).  Schon vom Weitem ist die Feuerwarte auf dem Bergmassiv zu erkennen. Gelegentlich weist ein Farbkleks oder ein Steinmännchen den Weg im alpinen Geläuf. Hauptsächlich muss man die Spur anhand der Geländeformation suchen und möglichst auf dem Kamm bleiben. Plötzlich finden wir uns auf Ziegenpfaden in absturzgefährdetem Gebiet wieder. Wir kehren um und finden beim letzten Steinmann den richtigen Weg hinauf zum Felsmassiv des Gipfels. An Laufen ist schon länger nicht mehr zu denken. Kurz unterhalb des Gipfelaufbaus glaube ich fast, dass man zum höchsten Punkt klettern muss. Doch ein kaum sichtbarer Pfad führt links um das Massiv herum zu einem Wegweiser (N39 51.978 E3 10.431), von wo der Aufstieg zum Gipfel (N39 51.950 E3 10.417) von der Rückseite aus recht einfach möglich ist. Von oben reicht der Rundumblick über die Buchten von Alcudia und Polenca bis zum Kap Formentor. Begrenzt wird die Sicht durch die Ausläufer der Sierra de Tramuntana bzw. durch die Steilufer Menorcas. Einfach großartig!

Feuerwarte am Gipfel
Wegen des heftigen Windes - in Deutschland tobt sich zeitgleich Sturmtief Christian aus -  rasten wir trotzdem nur kurz. Der Sturm ist so stark, dass sich mein Sohn an den Boden schmiegt und sich an einem Fels festklammert, während ich Fotos mache. Beim Abstieg nehmen wir die Route auf der Sonnenseite des Berges und folgen der Beschilderung zur Badebucht Col de Baix.
Blick von oben in die Cala Baix
Begeistert stellen wir fest, dass wir mithilfe des zusätzlichen Windschubs Siebenmeilenstiefel-Sprünge machen können. Ab dem Unterstand mit Dixi und Wasserhahn oberhalb der Badebucht (N39 51.582 E3 11.086) geht es dann die letzten km ziemlich flach und unspektakulär auf breitem Forstweg zurück zum Auto. Insgesamt sind wir 10 km gelaufen und haben bei sehr mäßigem Tempo und inklusive aller Pausen 2 Stunden dafür gebraucht. Anhand des Höhenprofils der Infotafel am Parkplatz schätze ich die Höhenmeter auf etwa 800.

Unter Beschuss

Die Tour gefällt uns so gut, dass wir einige Tage später bei Windstille eine Variante probieren. Vom gleichen Parkplatz startend ignorieren wir den ersten Wegweiser und laufen im Gesträuch hinter einer neuen Siedlung Richtung Ermita de la Victoria. Wir bestaunen die herrlichen Villen mit den großzügigen Terrassen und riesigen Panoramafenstern mit Meerblick. Da wir ziemlich zeitig dran sind, gewähren die Fenster auch uns morgendliche Panoramen ins Hausinnere. Und wir sehen in zwei Häusern spärliche bekleidete Damen, die gerade dem Bett entstiegen sind. Spanner werden wir trotzdem nicht, denn die Wegbeschaffenheit verlangt unsere ganze Aufmerksamkeit. Doch was ist das? Plötzlich knallen im Unterholz Schüsse! Ihr Echo schallt gespenstisch von den Felswänden zurück. Standen da nicht Schilder, dass die Jagdsaison eröffnet ist und man auf offiziellen Wegen bleiben soll? Mir wird mulmig, obwohl ein Wegweiser unseren Pfad in meinen Augen als "offiziell" deklarierte. Wir versuchen möglichst lautstark unterwegs zu sein. Schon sehen wir ersten Jäger, die die großkalibrigen Doppelläufigen lässig geschultert oder schussbereit in beiden Händen haben. Einer lädt gerade nach. Ich drücke aufs Tempo und will aus der Gefahrenzone. 
Die Macchia ist hier so hoch, dass selbst ich kaum oben rausschaue. Und immer wieder peitschen Schüsse durch den Wald. Noch ein paar Mal stoßen wir auf bewaffnete Waidmänner. Während ich die Gesten und Rufe eines Jägersmannes so deute, dass wir schleunigst verschwinden sollen, meint mein Nachwuchs, der Mann habe nur seinen Hund gerufen. Ich will den Jungen nicht zusätzlich beunruhigen und lasse ihn in seinem Glauben. Dann endlich, nach einem Aufstieg durch einen Palmenwald, mündet unser Pfad auf den Parkplatz an der Ermita. Wir sind gerettet! Auf jetzt breitem Pfad passieren wir das Kloster, das auch über Gästebetten verfügt, und gelangen zu einer Hochebene. Hier markiert ein Maschendrahtzaun das Jagdgebiet. Wir sind diesmal sicher auf der anderen Seite! Nun beginnt der beschwerliche Aufstieg in Serpetinen Richtung Gipfel. Was der Jäger unten mühsam jagt, lässt uns hier bis auf Armeslänge herankommen - die mallorquinische Bergziege mit ihren Jungen! Anhand einiger Hinweistafeln können wir mittlerweile Männchen und Weibchen anhand der Form der Hörner unterscheiden. Bald stehen wir auf dem uns schon bekannten Gipfel und genießen diesmal bei längerer Rast die Aussicht und erkunden die Ruinen zweier Hütten.
Als wir auf dem Aufstiegsweg unseres ersten Gipfelsturmes zum Auto hinunter laufen, kommen uns die ersten Wanderer entgegen. Während diese eine Tagestour vor sich haben, ist unser Programm bereits vor dem Frühstück absolviert, und wir können uns guten Gewissens an den Strand legen.

Blick vom Gipfel

Höhle


Einmal sind auch wir als Wanderer in diesem Gebiet unterwegs - mit Stirnlampe! Der Laufschritt wäre unangemessen, da wir uns als Höhlenforscher betätigen. Mehrere Säle voller Tropfsteine leiten immer tiefer in die gruselige Unterwelt. Es kostet einige Mühe, auch meine Tochter zum Weitergehen zu bewegen. Es muss nicht immer Sport sein, um den Puls in die Höhe zu treiben! 
Karte und Profil der beiden Trailruns

Montag, 4. November 2013

Mallorca Marathon 2013

La Seu und die Zelte der Kleiderbeutelabgabe
Man trainiert bei Sonne und Hitze, quält sich mit trockener Zunge zum nächsten Friedhof, um dort die Wasserflasche wieder zu befüllen. Sonntags klingelt der Wecker vor dem ersten Hahnenschrei, damit wenigstens die erste Hälfte des langen Laufs in den kühlen Morgenstunden möglich ist. Und das alles, um dann beim Herbstmarathon vor Kälte schlotternd in Nebel und Regen an der Startlinie zu frieren.

Ganz anders sieht dieses Szenario aus, wenn man sich für den Mallorca-Marathon angemeldet hat. Dann herrscht auch beim Wettkampf große Hitze. Irgendwie hatte ich diesen Aspekt völlig übersehen, als ich mir vorgenommen hatte, im Herbst 2013 eine neue Bestzeit zu laufen und ausgerechnet Mallorca dafür auserwählt hatte. Der Start-Termin passte einfach zu gut zu den Schulferien, und die Kombination aus Familienurlaub und Marathonreise war verlockend.

Bei der Fahrt zum Startbereich zeigt das Autothermometer schon vor Sonnenaufgang 20 Grad an. Vorhergesagt sind für heute bis zu 27 Grad. Und ich grübele noch immer, ob ich mein Renntempo den Temperaturen anpassen oder die Bestzeit versuchen soll. Die Pulsmesserin meint, dass ich beim Oberelbemarathon 2012 zwar vernünftig gewesen sei und mein Tempo der damaligen plötzlichen Hitze angepasst habe, aber dann trotzdem noch eingebrochen sei. Ich solle also diesmal die morgendliche Kühle erstmal zum schnellen Laufen nutzen und dann weitersehen. Als Halbmarathoni weiß sie nicht um die Qualen, die ein Einbruch jenseits der 30 km bedeuten. Trotzdem will ich ihrem Rat folgen, denn ich beziehe meine ganze Lebensweisheit aus Witzen. Und mir kommt gerade dieser in den Sinn:

Ein Mann betet zu Gott: "Lieber Gott, bitte lass mich im Lotto gewinnen."
Am nächsten Tag betet er wieder: "Herr, bitte mach, dass ich im Lotto gewinne."
So geht das Tag für Tag. Nichts passiert.
Der Mann betet tapfer weiter. Eines Tages tönt eine tiefe, laute Stimme von oben herab: "Gib mir eine Chance! Kauf dir einen Lottoschein!" 


Wenn ich es nicht versuche, werde ich definitiv keine Bestzeit laufen. Also werde ich es wagen, auch wenn die Chancen heute schlecht stehen.

Der Veranstalter weiß offenbar, was hohe Temperaturen für die Laufzeiten der Teilnehmer bedeuten. Vorm Start lässt er Glückskekse verteilen. Darin finde ich folgenden Spruch:
Aus einem Glückskeks des Marathon-Veranstalters
Start-/Zielbereich
Das Pfund, mit dem die Mallorquiner Marathonmacher wuchern, ist die Kathedrale La Seu. Dieses Gebäude spielt in einer Liga mit solchen Bauten wie dem Kölner Dom. Nur gelingt es den Inselbewohnern deutlich besser als den Rheinländern, das Bauwerk in ihren Lauf zu integrieren. Die Kathedrale thront atemberaubend über dem Meer. In einem palmenbestandenen Park zu ihren Füßen befindet sich der Start-/Zielbereich. Was für eine Kulisse! Die trutzigen Mauern werden von einem künstlichen See umspült. An dessen Gestaden hat der Veranstalter Strandliegen aufgestellt, auf denen Läuferbeine vor oder nach dem Lauf ausruhen können.

Auch die Zelte für die Kleiderbeutelabgabe befinden sich hier. Nur habe ich keinen der gelben Kleiderbeutel bei der Startunterlagenabholung am Vortag mehr abbekommen. Das kann nur bedeuten, dass es deutlich mehr Nachmelder als erwartet gegeben hat. Hoffentlich reichen wenigstens die Medaillen! Als ich meinen privaten Kleidersack abgebe, bekomme ich als Entschädigung einen TUI-Rucksack ausgehändigt. Eine nette Geste!
Rucksack als Kleiderbeutelersatz


Auch am Info-Point erweist man sich als nett. Obwohl ich 9 min nach 8 Uhr, dem Annahmeschluß für Eigenverpflegung, dort erscheine, nimmt man meine Flasche für km 33 noch entgegen, und verspricht, eine Auslieferung zu versuchen, obwohl das Fahrzeug gerade abgefahren ist.

Meine Familie hatte für einen möglichst späten Aufbruch zugunsten maximalen Nachtschlafes plädiert. Trotzdem ist wegen der kurzen Wege noch viel Zeit bis zum Start. Die Dixies an der Startlinie haben eine Wartezeit von nur ca. 5 min und überraschen mit einer manuellen Pumpe für die Spülung. Der in Deutschland übliche Blick in die - im besten Falle blaue - Grube entfällt.

Die Einteilung der Startblöcke mutet etwas seltsam an und stiftet bei manchem Verwirrung. Alle 1200 Marathonis stehen in Block A. In den Blöcken B - D folgen die 10-km-Läufer und die Halbmarathonläufer. Mein Nebenmann ist verunsichert, ob er sich richtig einsortiert hat. Er will heute 3:10 laufen, er habe ja Urlaub. Und so bleibt er bei mir stehen, als ich ihm meine 3:15er Zielzeit nenne. Wir werden uns heute noch mehrfach begegnen.

Start
Der Startschuss schickt uns über die initiale Matte des Championchip-Zeitmess-Systems. Schon nach kurzer Strecke folgt eine zweite Matte. Basierend auf diesen beiden Messungen ermittelt Mika Timing die Pace jedes Läufers und erstellt eine Hochrechnung für die Zwischenzeiten und die Zielzeit. Diese lässt sich mittels der Mika-Timing-App abrufen. Weitere Matten liegen bei km 10, beim Halbmarathon und bei km 30. Aufgrund dieser Daten wird mich meine Familie nach 3:14h im Ziel erwarten.

Doch jetzt geht es erstmal flach und schattig am Hafen vorbei, wo Unmengen an Jachten ruhig auf dem unbewegten Wasser liegen. Dann führt die Straße einen Hügel hinauf, nur um auf der anderen Seite wieder abwärts zu leiten. Hier begegnen mir die führenden Läufer. Am tiefsten Punkt endet die Straße an der häßlichen Einfahrt zum Industriehafen. Warum will der Veranstalter uns diese zeigen? Zwei Streckenposten notieren eifrig Startnummern, denn wir müssen hier wie die Schwimmer eine Wende hinlegen und den Berg wieder hochrennen. Solche 180-Grad-Kehren werden heute immer wieder das Streckenbild prägen. Auf dem Gipfel biegen wir ins Gelände des Militärmuseums ein, wenden dort erneut und laufen den Berg wieder hinab. Km 5 ist erreicht. Ich habe mehr als 6 min dafür gebraucht. Bin ich am Berg wirklich so langsam geworden? Nein, offenbar stehen die Schilder wie sie wollen. Denn bei km 6 bin ich nach nur zwei weiteren Minuten. Irgendwie gelingt es mir heute nicht, ein konstantes Tempo zu finden. Nach diesem Schilder-Erlebnis glaube ich zunächst an unsauber aufgestellte Markierungen. Auch dem GPS ist heute nicht zu trauen. Es gaukelt mir eine Pace von 4:22 vor. So schnell bin ich definitiv nicht. Diese Information geben die Zwischenzeiten immerhin her.

Noch stehen nicht allzu viele Zuschauer an der Strecke. Ich passiere eine junge Mutter, die ihr Kleinkind auf dem Arm trägt. Just, als ich sie erreiche, gefällt es ihrem Sohn (es muss ein Sohn sein), ihre Bluse zur Seite zu ziehen und mir den Blick auf den nackten, mütterlichen Busen zu gewähren. Hat er mir nicht sogar dabei verschwörerisch zugezwinkert, der Kleine? Danke für diese Art der Motivation, mein Junge! Schmunzelnd ziehe ich weiter.

Ich erreiche die Altstadt und freue mich, bei km 11 meine Familie zu treffen. Für die Sehenswürdigkeiten fehlt mir der Blick. Aber als ich im Bogen über einen Kirchplatz laufe, klatscht ein ganzes Straßencafè Beifall. Das macht schon Spaß. Überhaupt ist das Publikum an der Strecke hier sehr dankbar. Ständig wird man mit seinem Namen angefeuert. Manche rufen auch nur "Germany!" oder "Vamos!". Kurz vor der nächsten 180-Grad-Kehre begegne ich Sonja Oberem, die heute die schnellste Frau ist. Insofern ist unser Treffen recht kurz.

Teilweise leitet der Kurs an befahrenen Straßen durch die Stadt, bevor noch einmal ein Höhepunkt folgt. Ich könnte kurz vor km 20 die Mauern der Kathedrale im Vorbeilaufen berühren, wenn ich wollte. Stattdessen genieße ich die Erhabenheit des Moments und den Blick hinunter in den Parc de la Mar. Derart erfrischt mache ich mich bereit für die nun folgende mentale Prüfung. Wir laufen jetzt 10 km Richtung S'Arenal auf dem gesperrten Fahrstreifen einer Straße, während uns der Gegenverkehr auf dem anderen Streifen entgegenbrandet.  Der Lärm der Autos wird von dem der Flugzeuge noch übertroffen, als wir am Flughafen entlang geschickt werden. Von oben brennt jetzt die Sonne. Schatten wird es bis ins Ziel nicht mehr geben.

An der Halbmarathonmarke bemerke ich, dass ich etwas im Zeitplan zurückliege. Es fällt mir schwer, bei der Hitze das Tempo zu halten. Trotzdem beschleunige ich jetzt und beginne langsam und stetig zu überholen. Das fühlt sich gut an und gibt mir in dieser Straßenwüste Kraft.

Aller drei Kilometer erwartet uns ein Verpflegungspunkt. Meist wird er von Schülern betrieben, die uns lauthals anfeuern. Statt Plastikbechern bekommen wir gekühlte Wasserflaschen gereicht. Der Verschluß ist bereits geöffnet. Was für ein Komfort! Man kann die Flasche bis zur nächsten Labestelle mitführen, wenn man möchte, und unterwegs immer wieder trinken. Ich nehme ein paar Schlucke und dusche mit dem Rest.

Endlich ist die vermeintlich letzte Wendestelle bei km 30 erreicht. Hier drängen sich jubelnde Massen! Nun geht es auf der Strandpromenade zurück zum Ziel, quasi eine 12 km lange Zielgerade. Und ich liege wieder voll im Zeitplan. Gleichzeitig wird mir klar, dass ich das Tempo nicht bis ins Ziel halten können werde. Wie zur Bestätigung bemerke ich bei km 31, dass ich bei der letzten Zwischenzeitnahme statt die Rundenzeit zu nehmen, die Uhr ganz angehalten habe. Offenbar hat mir die Sonne bereits das letzte bisschen Verstand aus dem Hirn gebrannt. Ich muss jetzt ca. 4 min auf die angezeigte Zeit addieren. Eine Bestzeitenjagd kann ich mit der Methode vergessen. Und so nimmt mir das Malheur auch den Druck von den Schultern. Ich füge mich in mein Schicksal und nehme auch den körperlichen Einbruch hin.

Ich habe zwar Durst, bekomme das Wasser aber kaum noch runter. Mein Magen rebelliert so stark, dass ich den Pulsgurt lockere und fortan als Hüftgurt trage, um Druck vom Oberkörper zu nehmen. Ich sehne mich jetzt nach meiner Eigenverpflegung bei km 33. Sie ist aber nicht da. Und ansonsten gibt es hier nur Wasser.

Der schönste Moment das ganzen Laufes wartet bei km 36 auf mich. Dort ist die nächste Verpflegungsstelle. Und es gibt Iso! Noch nie hat mir ein Getränk so gut geschmeckt! Ich kann förmlich spüren, wie die Energie jede einzelne Zelle meines Körpers flutet. Viel zu schnell ist der Becher geleert. Doch außerdem habe ich mir noch ein Tütchen "Sport Beans" und eine Flasche Wasser geschnappt. Ich schiebe die zuckersüßen, klebrigen Beans hinterher und brauche viel Wasser zum Nachspülen. Doch der Iso-Kick ist nicht wiederholbar.

Ich schleppe mich weiter. Ich werde nicht stehenbleiben, ich werde nicht gehen! Das verspreche ich mir, auch wenn ich jetzt fast eine Minute pro Kilometer zusätzlich spendieren muss. Es dauert verdammt lange, bis ich eine gewöhnliche Joggerin, die auf der Promenade unterwegs ist, überholt habe. Aber gemessen an den anderen erbarmungswürdigen Gestalten geht es mir regelrecht gut. Während sich mancher mit Krämpfen im mallorquinischen Staub wälzt, überantworten andere ihren Mageninhalt eben jenem Staube. Ich hingegen mache mich aus demselben, indem ich weiterhin im Laufschritt bleibe. Eine Zeit unter 3:30 werde ich auf diese Weise sicher erreichen.

Gerade habe ich wieder ein paar Geher überholt, als es plötzlich hinter mir ruft: "He, Drei-Fünfzehn! Na, auch hinterm Plan?" Es ist mein Nebenmann vom Start, der jetzt wieder den Laufschritt aufnimmt und mich begleitet. Er läuft so flott, dass ich an einer kleinen Steigung Mühe habe, Schritt zu halten. Plötzlich verabschiedet er sich und wechselt wieder ins Gehen. Wir werden uns in der Dusche noch einmal treffen. Dann wird er mir erzählen, wie er bei km 41 seiner Frau vor die Füße kotzt, und sie ihn nicht mehr weiterlaufen lassen will. Er schafft es aber bis ins Ziel, wenn auch deutlich nach der 3:30-Marke. Doch wir sind heute nicht die einzigen, die der Hitze Tribut zollen müssen. Selbst der Gewinner hat in der zweiten Hälfte fünf Minuten verloren.

Die Kathedrale kommt in Sicht. Das täuscht etwas darüber hinweg, dass noch ein paar Kilometer vor mir liegen. Doch irgendwann ist es geschafft, der Zielbogen erscheint im Blickfeld, dann folgen die Markierungen der Startblöcke. Die breite Avenida ist dicht gesäumt von riesigen Menschenmengen, die hier so dicht Spalier stehen, dass man als Läufer gerade noch durchschlüpfen kann. Stimmung wie am Kölner Rudolfplatz! Doch was für eine Enttäuschung, als ich den Zielbogen erreiche! Wir müssen daran vorbeilaufen und nach ein paar Hundert Metern den wirklich letzten U-Turn auf die Zielgerade nehmen. Hier jubelt mir meine Familie zu, und ich kann noch einen Endspurt andeuten und ein paar der Läufer überholen, die ich auf den letzten Kilometern passieren lassen musste. Elf Minuten haben mich die letzten zwölf Kilometer zusätzlich gekostet, als ich die Ziellinie nach 3:26 erreiche. Verglichen mit den 3:42 unter ähnlichen Bedingungen beim Oberelbemarathon 2012 ist das ein respektables Ergebnis. Für diese Erkenntnis werde ich aber noch ein paar Stunden brauchen. Jetzt bin ich einfach nur froh, endlich im Ziel zu sein.


Anhang - Tipps für künftige Ballermänner


Parken

Streckensperrungsplan am Info-Desk 2013
Wegen der Streckensperrungen ist das Parkhaus unter dem Parc de la Mar am Marathontag nicht erreichbar. Ich habe im empfohlenen Parkhaus am stadtseitigen Ende der Carrer de Manacor (etwa bei N39 34.272 E2 39.433) geparkt. Von dort sind es ca. 10 min Fußweg zum Start-/Zielbereich. Kurz vor 8 Uhr waren die Straßen und das Parkhaus nahezu leer.
Abgerechnet wird im Minutentakt. Eine Minute schlägt mit 3 Cent zu Buche. Schnell laufen lohnt sich also. Mich hat der Marathontag 12,50 Euro gekostet. Lt. Reiseführer ist das Parken in den Straßen auf eine max. Dauer von 1,5 h beschränkt.

Eigenverpflegung

Kann am Veranstaltungstag am Infopoint bis 8 Uhr (und nicht länger) abgegeben werden.

Duschen

Direkt hinter der Nudelausgabe durch den Torbogen in der Stadtmauer und dann links.

Massage

Ich habe weder die Massage-Stelle noch Hinweisschilder gesehen.

Medaillen

Üblicherweise werden einem an der Ziellinie Medaillen umgehängt. Hier ist hinterm Ziel - nichts. Es gibt weder Medaillen, noch Wasser - auch keinen Schatten. Gitter halten die Läufer auf der Straße Richtung Nachzielbereich. Ca. 50 m hinter dem Ziel und neben dem Gitter auf dem Fußweg befindet sich ein nur für Läufer freigegebener Bereich. Dort gibt es unter Pavillons Wasser und Medaillen.

Zielverpflegung

Der Nachzielbereich befindet sich im Parc La Mer. Dort gibt es Wasser, Iso, Erdinger Alkoholfrei, Äpfel, Bananen und Kekse.