Montag, 25. September 2023

BobRun Altenberg

 Der Aufstieg vom Parkplatz zum Beginn der Bobbahn gibt schon einen kleinen Vorgeschmack auf die finale Steigung des Wettkampfs, dessen Start und Ziel sich am Beginn des Altenberger Eiskanals befinden. In der Ausschreibung ist von bis zu 15% die Rede. Oben pfeift ein eisiger Wind bei einstelligen Temperaturen. Mein mitgebrachtes ärmelloses Wettkampfhemd bleibt in der Tasche. Stattdessen setze ich lieber noch eine Mütze auf. Die Moderatorin preist unser Wetterglück, im Vorjahr habe es geschneit. Die Organisatoren haben entsprechend vorgesorgt und schenken heißen Tee aus. Überhaupt ist auf dem Gipfel alles Nötige vorhanden: WC, Umkleide (wenn auch unisex), Kleiderbeutelabgabe. Nur eine Dusche gibt es nicht. Scheinbar kommt die bobfahrende Zielgruppe dieser Infrastruktur bei ihrem eisigen Tun nicht ins Schwitzen.

Ich hingegen fühle mich nach dem Einlaufen runter zum Parkplatz und wieder hinauf anständig beheizt. Mit den gut 100 anderen Startern stürme ich nach dem Startsignal neben dem Eiskanal zu Tale. Ich hatte Höhenmeter mit Trail gleichgesetzt und entsprechend profiliertes Schuhwerk gewählt. Das stellt sich als unnötig heraus, da der Kurs hier auf Asphalt geführt ist und später in gut befestigte Waldwege übergeht, bevor die finale Betonröhre des Eiskanals erreicht wird.

Wellig geht es auf und ab durch den Wald. An den abwärts führenden Passagen lasse ich die Schritte lang werden und ziehe an etlichen BobRunnern vorbei, nur um mich an den folgenden Anstiegen wieder überholen zu lassen. So wogt das Geschehen hin und her. Soweit ich es überblicken kann, bin ich der einzige, der die Strecke durch konsequentes Idealliniesuchen zu optimieren trachtet. Die Ultra-Strategie dürfte mir auch auf diesem 8-Komma-Irgendwas langen Kurs ein paar Meter ersparen. Eine letzte Kampfreserve spare ich mir für die Eisröhre auf. Nicht dass ich mir für die spezielle Bergwertung zur Kür des schnellsten Eiskanalsprinters irgendwelche Chancen erhoffe. Ich will auf diesen letzten 1200 Metern aber keinesfalls gehen müssen.

Die beiden Kilometer 6 und 7 führen gefühlt nur talwärts. Mental ist klar: das müssen wir alles wieder hoch! Nach einer 90-Grad-Kehre geht es auch schon los. Zunächst auf Asphaltstraße hinauf zum Ende der Bobbahn, dann im spitzen Winkel rein in die Röhre! 

Ich war der Ansicht, dass im Kanal kein Überholen möglich sein würde und hatte mir Sorgen gemacht, ein Hindernis für die besseren Läufer darstellen zu können. Dass die Sorge unberechtigt war, macht mir ein muskelbepackter Konkurrent klar, den ich bergab überholt hatte. Er flutscht einfach vorbei. Ich hechele aufwärts und nehme nach ein paar Kurven erstaunt zur Kenntnis, dass es temporär wieder abwärts geht - ein Gegenanstieg für die Bobfahrer also. Ich bin ganz dankbar dafür und mache ein paar Meter gut, nur um kurz darauf von einem Jungspund aufs Altenteil verwiesen zu werden. Er gehört zum "Landeskader Sachsen", wenn man seiner Rückenaufschrift glauben darf. Die Sportart wird nicht verraten. Ein Lauftalent hat er jedenfalls, ist er doch deutlich schneller, obwohl er immer wieder zwischendurch geht! Ich kann wie geplant im Laufschritt bleiben. Am "Noch 400 m"-Schild beschließe ich, die Reste der Kampfreserve zu mobilisieren und setze zum Endspurt an. Der überholte Mitstreiter wirkt völlig überrascht. Das Erfolgserlebnis will ich mir 100 m vorm Ziel noch einmal gönnen. Doch der Konkurrent hört mein Keuchen, dreht sich erschrocken um - und sprintet wie von einer Feder gezogen davon. Da brauche ich mich gar nicht mehr zu bemühen, so chancenlos lässt er mich zurück. Eine Sekunde nach ihm erreiche ich das Ziel, wo wir beide erstaunt feststellen, dass wir gerade den Kampf um den AK-Sieg ausgetragen haben. Ich muss mich also mit dem zweiten Platz AK begnügen, bekomme aber trotzdem eine schöne Finisher-Medaille. Auch unter die Top Ten habe ich es als 16. nicht geschafft. Bei 116 Finishern reicht es auch nicht für die ersten 10 Prozent. Dafür bin ich "zweite Frau" geworden. Und als die Bergwertung online geht, sehe ich, dass ich zumindest dort der Schnellste in meiner AK gewesen bin. 

Auch abgesehen von derlei herbeigerechneten "Erfolgen" kann ich die effizient organisierte Veranstaltung rundherum empfehlen. Mit dem Eiskanalfinish kann sie zudem gegenüber dem gewöhnlichen Waldlauf mit einer kaum vergleichbaren Attraktion punkten.