"Hart, aber schön." So lautete der Slogan des Rennsteiglaufes am 25.5.2013. Dass es hart werden würde, war klar. Doch würde es auch schön werden?
Ein
Finisher-Shirt gibt es nur für die Läufer, die den Supermarathon über
72,2 km und 1400 Hm beenden. Nachdem ich vor zwei Jahren auf der
Marathondistanz, die hier 43,5 km lang ist, unterwegs war, wollte ich
mir diesmal das Shirt verdienen.
Für
8 Euro bot das Elisabethgymnasium in Eisenach Übernachtung mit
Frühstück an. Dafür bekommt man einen Liegeplatz für Isomatte und
Schlafsack und ab 3:30 Uhr zwei Brötchen, Butter, Marmelade, Honig, Käse
und Wurst. Solange der Vorrat reichte, gab es noch gratis Äpfel und
Schokoriegel dazu. Auch für die Verpflegung am Vorabend ist dort mit
Getränken, Obst, Schmalzstulle und Hack-Brötchen gesorgt. Und wer
möchte, kann sogar nach dem Lauf noch einmal dort nächtigen. Die
Übernachtung selbst war schon ein Erlebnis, teilte ich mir doch u.a.
einen Klassenraum mit der Siegerin des Röntgenlaufes 2010 und 2012,
Simone Durry, und mit Jürgen Kuhlmey,
der als Starter der M75 einiges aus seinem ca. 30-jährigen Läuferleben
mit mehr als 300 Marathons auf allen Kontinenten zu berichten hatte.
Um
4 Uhr am nächsten Morgen gab es noch keine Schlangen beim Frühstück und
im Sanitärtrakt, obwohl das Objekt ausgebucht war. So konnte ich
entspannt den kostenlosen Shuttlebus um 5 Uhr zum Start am Marktplatz
erreichen. Dort lief alles sachlich nüchtern ab. Kein Vergleich zu der
Party beim Marathonstart in Neuhaus mit Kapelle, Rennsteiglied und
Schunkeln zum Schneewalzer! Morgens um 6 Uhr in der Innenstadt ist wohl
eher Ruhe geboten. Sehenswert im Startblock waren die Schuhe eines
Rennsteigveteranen. Während ein uralter Filzhut mit Rennsteiglauf-Logo
seinen Kopf zierte, trug er an den Füßen Tracking-Sandalen. Der Chip war
mit Paketschnur angeknotet. So laufe er seit 15 Jahren. Man solle es
nur auch einmal probieren. Mancher der Umstehenden witterte hier einen
neuen Trend in der Laufszene. Auch unterwegs waren immer wieder alte
Rennsteig-Haudegen zu sehen, die die Anzahl ihrer Starts auf ihrem Shirt
vermerkt hatten. Einer davon blieb auch am steilen Anstieg zum
Inselsberg-Gipfel im Laufschritt und meinte: "Jetzt bin ich hier 38 mal
hochgelaufen, da laufe ich auch beim 39. Mal, selbst wenn ich dabei
langsamer als mancher Geher bin."
An
den Bergen zählte auch ich zu den Gehern. Die Verpflegung nahm ich
ebenfalls jeweils im Gehen auf, machte an den Verpflegungsstellen aber
keine Pausen. Denn nur eine Minute an jeder Versorgungsstelle bedeutete
in Summe den Verlust einer Viertelstunde auf die Gesamtzeit. Zu
Zeitverlusten kam es gleich zu Beginn, als das dichte Feld immer wieder
zum Stehen und Gehen kam. Weiter vorn wurde die Ursache klar. Die Wege
waren teilweise voller Schlamm und Matsch, durch den einige Läufer nicht
hindurch wollten. Damit reduzierte sich die genutzte Wegbreite auf ca.
ein Drittel, und es kam zum Stau. Aber man konnte prima überholen, wenn
man einfach durch die Pfützen und den Matsch durchlief. Da ich bei der
Harzquerung in der Beziehung stark abgehärtet wurde, konnte ich mich auf
diese Weise etwa ab km 5 freilaufen.
Vielleicht
war ich die Vorbereitungsläufe "Kyffhäuser Berglauf" und "Harzquerung"
zu schnell gelaufen. Auf jeden Fall taten mir schon bei der Hälfte der
Strecke die Beine weh. Damit lagen dann 4 Stunden Zähnezusammenbeißen
vor mir. Nach dem Lauf hatte ich regelrecht Zahnschmerzen davon. In den
hohen 50er Kilometern waren etwa 6 Stunden vergangen, da stieß ich auf
einen Begleiter, der meinte, es seien ja nur noch 2 Stunden. Das war
tatsächlich tröstlich. Es ist eben alles relativ.
Irgendwann
war der höchste Punkt der Strecke mit 973 m erreicht. Dort lagen noch
ein paar Schneereste der letzten Nacht und ich war froh über meine Jacke
und zog auch die Handschuhe wieder an. Ab jetzt ging es abwärts, und
das von mir am schnellsten gelaufene Teilstück, auch wenn es sich anders
anfühlte, sollte folgen. Mein Idealziel, unter 8 Stunden zu bleiben,
schien nun realistisch erreichbar. Und das spornte an. Kurz vor der
Verpflegungsstelle bei km 64 überholte ich ein Trüppchen. Und einer der
Läufer fragte mich mit Angst in der Stimme, ob es denn noch einmal
bergauf gehe. Das wusste ich auch nicht, hoffte jedoch inständig, dass
es nicht der Fall sein möge. (Inzwischen weiß ich es besser.) Jetzt war
jeder km beschildert. Aber es dauerte eine Weile bis meinem blutleeren
Hirn dämmerte, dass man hier nicht einfach die letzten 20 km
ausgeschildert hatte, sondern dass es sich um die Markierung des
Halbmarathons handelte. Es waren also noch 1,1 km mehr bis ins Ziel, und
ich hatte meine Zeitrechnung zu korrigieren. Es war Eile geboten! An
den letzten Steigungen gönnte ich mir kein Gehen mehr. Auf der
gemeinsamen Zielgeraden von Marathon und Supermarathon konnte ich sogar
noch ein paar Finisher des Marathons überholen, bevor ich völlig fertig
nach knapp 8 Stunden die letzte Matte passierte.
Jetzt
wollte ich nur eins: mein Finisher-Shirt. Auf dem Weg zur Ausgabe kam
ich an einem Container vorbei, in dem gelangweilte
Physiotherapie-Lehrlinge auf Kundschaft warteten. Spontan änderte ich
die Richtung und legte mich auf die Pritsche, wobei ich die
Suggestiv-Frage, ob ich nicht erst Duschen wolle, einfach verneinte. Und
so bekamen meine schlammigen Waden eine Massage mit sehr frischem und
ganz natürlichem Peeling. Nach dieser Wohltat war ich so ausgekühlt,
dass meine Zähne aufeinanderschlugen. Das Shirt musste also nochmals
warten. Ich schleppte mich zähneklappernd zur Gepäckwiese, wo
Kleiderbeutel und anderes Gepäck im Gras lagen. In diesem Jahr waren die
Behältnisse von oben trocken geblieben. Aber durch den Regen der
Vortage liefen schlammige Rinnsale quer über die abschüssige Wiese und
mitten durchs Gepäck. Mein Rucksack war zum Glück nur am Boden etwas
schmutzig geworden und ich konnte einen wärmenden Pullover hervorzerren.
Als ich später geduscht und dick angezogen mein Finisher-Shirt in
Empfang nahm, hielt ich es mir prüfend vor den Körper. Daraufhin riet
mir eine Läuferin mit Nachdruck, es besser richtig anzuprobieren: “Jetzt
hast du dir die Seele aus dem Leib gelaufen. Wenn das Shirt nicht
passt, ärgerst du dich dein Leben lang!” Das wollte ich natürlich nicht
riskieren. Also entpellte ich mich noch einmal. Das Shirt saß wie
angegossen und wurde an dem Tag nicht mehr ausgezogen!mehr lesen: Rennsteiglaufvorbereitung Teil 1: Kyffhäuser Berglauf
Glückwunsch zu dem Finisher eines wohl einizgartigen Laufes!
AntwortenLöschenVielleicht laufe ich ihn in den nächsten Jahren auch mal
Danke, ich kann ihn empfehlen.
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