Montag, 28. Oktober 2019

Über's Wasser laufen - Der Rügenbrückenmarathon 2019


Nur einmal im Jahr wird die Brücke, die die Insel Rügen mit Stralsund verbindet, für Fußgänger geöffnet, nämlich zum Rügenbrückenlauf. Als Läufer oder Walker kann man den Ausblick auf die Stadt und den Sund vom erhöhten Bauwerk aus genießen und gleichzeitig ein paar für die Gegend untypische Höhenmeter sammeln.

Läufers Begehr
Mit über 5000 Voranmeldern hat die Veranstaltung einen neuen Teilnehmer-Rekord erreicht, die die Organisation an ihre Grenzen bringt. Hinzu kommen unnötig erzeugte Engstellen, wie die im Eingang zur Startunterlagenausgabe aufgebauten Info-Tafeln. Als einer von 205 Marathon-Läufern ist man von alldem wenig betroffen. Wir starten, bevor die Massen anreisen.

"Das ist ja nicht einmal 'ne steife Brise!", meint der Moderator angesichts der Windstärke 3 bis 4. Nun ja, die Leute hier oben sind wohl anderes gewöhnt. Ich finde, es pustet recht ordentlich. Immerhin regnet es nicht, es wird sogar noch Sonne erwartet. Ein Start in "Kurz-Kurz" erscheint mir möglich.

Gleich nach dem Start auf der Stralsunder Hafeninsel laufen wir über Kopfsteinpflaster. "Hier wird die Strecke extra mit Hand poliert!", dachte ich mir schmunzelnd, als ich am Morgen eine ältere Helferin dabei beobachtete, wie sie in gebückter Haltung mit einem Wischlappen in der Hand den Bodenbelag einer alten Klappbrücke für uns Läufer gereinigt hat.

Nun habe ich es aber mit einer anderen Dame zu tun. Ich laufe im Windschatten der führenden Frau und ihres Begleiters. Sie wurde am Start gesondert begrüßt, da sie heute ihren 32. Geburtstag feiert. Vermutlich soll ein Sieg dem Tag das Sahnehäubchen aufsetzen. Ich sonne mich schon mal in ihrem Ruhm, als uns das Kamerateam während der Brückenüberquerung aus einem Begleitfahrzeug heraus minutenlang filmt.

Das Medieninteresse endet abrupt bei Kilometer 4. Da zieht nämlich eine Konkurrentin vorbei. Das Geburtstagskind bleibt aber cool. Sie signalisiert ihrem Begleiter, dass sie ihre Strategie beibehalten will. Ich tippe auf einen negativen Split.

Gorch Fock am Start-/Ziel-Bereich
Mir wird es aber etwas zu gemütlich, als das Tempo über eine 5er Pace zu rutschen droht. Da hänge ich mich lieber an den sehr jungen Mann, der kürzlich überholte. Inzwischen haben wir 10 Kilometer hinter uns, ab Kilometer Elf gönnt man uns nun aller 1000 Meter ein Schild. Warum das erst ab jetzt stattfindet, bleibt ein Geheimnis der Veranstalter.

Nachdem wir durch den Hafen, über die Brücke und entlang einer Landstraße gelaufen sind, durchqueren wir einen kleinen Ort, bevor es auf einer Plattenstraße weitergeht. Erst dann bekommen wir unbefestigtes Geläuf unter die Füße. Das Naturerlebnis steigert sich noch etwas, als wir auf einem Pfad direkt am Sund entlang laufen. Doch schon nach ein paar Kilometern geht es wieder auf eine Plattenstraße, der wir bis zum Wendepunkt bei Kilometer 25 folgen.

Nun haben wir Gegenwind. Immer wieder rutscht mir die Pace über die 5 min. Ich muss richtig kämpfen - nicht nur mit den Elementen, sondern auch mit meinem Körper. Strenggenommen hätte ich gar nicht starten dürfen. Kaum war ich am Urlaubsort angekommen, hatte sich eine Erkältung meiner bemächtigt. Nach der Schnupfen-Regel "Drei Tage kommt er, drei Tage bleibt er, drei Tage geht er" bin ich heute, nach einer getrübten Urlaubswoche, am ersten Tag des Gehens. Der qualvolle Testlauf des Vortages hatte ergeben, dass ich heute nicht starten werde. Doch da ich wegen der Starts der Kinder nun einmal so zeitig aufgestanden und ohnehin hier war ...

Während ich also so heftig wie noch nie zuvor um eine 3:30er Zeit kämpfen muss, stellt der Junior eine pB im Halbmarathon auf, gewinnt seine Altersklasse und wird Neunter Gesamt. Den Ruhm heimst trotzdem meine Tochter ein. Sie, die eigentlich nur Schwimmen trainiert und bisher maximal 5 Kilometer im Wettkampf bestritt, wird zweite Frau über 12 Kilometer und erringt einen fetten Pokal. Am nächsten Tag findet die Leistung sogar Erwähnung in der "Ostseezeitung".

Start einer Fahrrad-Vorhut auf der Hafeninsel
Inzwischen erwärmt die Sonne meinen vom Wind ausgekühlten Leib. Ich bemerke, dass mir der beständige Luftstrom den Schnodder von der Nase gerissen und über meine Laufkleidung verteilt hat. Hinter mir höre ich schnelle Schritte. Kurz darauf überholt mich die Jubilarin, die offenbar nun ihre Strategie der schnelleren zweiten Hälfte tatsächlich umsetzt. Einen Kilometer lang kann ich sie nochmal zur Tempomacherin werden lassen. Aber dann muss ich einsehen, dass eine 4:35er Pace heute einfach zuviel für mich ist. Ob sie noch den Sieg holen kann?

Dann kommt mir das Besenfahrrad entgegen. Es begleitet ein eher untypisches Schlusslicht. Ein gutaussehender, hünenhafter und durchtrainierter Bursche in hautenger, modischer Sportbekleidung trottet lächelnd dahin.

Zurück an der Brücke lässt sich bewundern, wie das Bauwerk von Walkern komplett bevölkert ist. Sie müssen zum Schutz des Asphalts Gummipropfen über ihre Stockspitzen stülpen. Pflichtausrüstung, gewissermaßen.

Glücklicherweise müssen wir uns da nicht durchwühlen. Stattdessen geht es parallel über den alten Rügendamm. Dort staut sich wegen der gesperrten Brücke der Verkehr in beiden Richtungen. Mit anderen Worten, wir laufen etwa vier Kilometer an einer stinkenden Autokolonne entlang. Zusätzlich müssen wir uns auf dem nicht gesperrten Fuß-/Radweg durch die Halbmarathonis schlängeln. Zu allem Überfluss gibt es Radfahrer, die völlig rücksichtslos durch die Menge heizen.

Auf der handpolierten Klappbrücke setze ich zum Endspurt an und kann mich mit 3:29:15 sicher unter die 3:30 bringen. Aber die Zeit, die sonst am Ende eines lockeren Trainingsmarathons steht, hat mich heute richtig Kraft gekostet.

Freitag, 4. Oktober 2019

Gleich drei Pokale in Hitdorf!

Der Junior hat in Hitdorf eine Rechnung offen. Im letzten Jahr war er bei den "5 - 50 km von Hitdorf" für den Gesamtsieg über 10 km angetreten, hatte sich beim Einlaufen aber an der Wade verletzt und musste das Rennen abbrechen. Daher stand der Termin für 2019 schon lange im Kalender, um diese Scharte auszuwetzen.

Strecke am Hitdorfer See

Auch meine Tochter ist wieder mit dabei und komplettiert das Familien-Trio. Sie wird am Start von einer nervösen Konkurrentin gefragt, welche Zielzeit sie für die 5 Kilometer denn anstrebe. Sie kann gerade noch: "21 Minuten" antworten. Dann knallt der Startschuss, der die Läufer aller Distanzen von 5, 10 und 25 Kilometern gemeinsam auf die Strecke entlässt. Nur die 50-km-Aspiranten kreiseln schon seit drei Stunden auf der 5-km-Runde.

Um die Kinder nicht zu lange warten zu lassen, habe ich für die 25 km gemeldet, finde mich aber auf der ersten Runde an Position Vier des gesamten Feldes wieder. Wo sind denn die 5-km-Sprinter? Offenbar zu Hause geblieben. Töchterchen nutzt die Gunst der Stunde, macht ihre Zeit-Ansage wahr und holt den Gesamtsieg aller Männer und Frauen über 5 Kilometer!

Der Junior findet langsam zu alter Form zurück. Die Wadenverletzung hatte die gesamte Frühjahrssaison überschattet und hing ständig als Damoklesschwert über dem Marathontraining. Erst seit wenigen Wochen läuft er wieder beschwerdefrei. Mit dem heutigen Wettkampf meldet sich der Junge zurück ins Geschehen, holt mit großem Vorsprung den Gesamtsieg und stellt mit 37:31 einen neuen Streckenrekord auf.

Dieses Jahr sogar mit Dusche!
Ich selbst bin auch auf einen Pokal aus, hatte ich doch im Vorjahr überraschend gewonnen. Allerdings hält sich ein Verfolger recht hartnäckig in meinem Windschatten. Ob er wohl auch die 25 km läuft? Bei Kilometer Sieben zieht mit hoher Relativgeschwindigkeit ein X-Bionics-Gewandeter vorbei. Ist das nicht derselbe, der voriges Jahr an der 5-km-Marke den seltsamen Zwischensprint einlegte, letztlich aber 10 km lief? Na, dann wird er wohl wieder den Zehner laufen, tröste ich mich, während sich mein Verfolger von mir löst und nun X-Bionics jagt.

Die beiden arbeiten einen ansehnlich Vorsprung heraus, dennoch kann ich noch beobachten, wie sie nach 10 km ins Ziel laufen - und dahinter wieder auf der Strecke erscheinen! Sie laufen also doch die 25 Kilometer! Ich bin sprachlos, ob der sportlichen Entwicklung des Kompressionswäsche-Trägers. Im letzten Jahr war er noch eine 44er Zeit auf 10 gelaufen, und jetzt sprintet er hier derart hurtig über die 25er Distanz. Hut ab! Ihn werde ich nicht mehr einholen können. Aber an den Windschattenmann müsste ich doch auf der dritten Runde wieder rankommen!

Zunächst scheint sein Vorsprung tatsächlich zu schmelzen, aber letztlich muss ich mich der Erkenntnis beugen, dass er ihn in Wirklichkeit weiter ausbaut. Nun gut, dann gilt es, wenigstens den dritten Platz zu halten und zur Ehrenrettung meine Vorjahreszeit zu unterbieten.

Es folgen zwei mental schwierige Runden - mit röchelndem Atem allein gegen die Uhr. Nur ein kleiner Zwischenfall bietet Abwechslung, als ein Mädchen, ohne vorher nach links und rechts zu schauen, eine Reiterin hoch zu Ross auf die Strecke führt. Diese Wahrnehmung erweist sich als Irrtum! Sie biegen nicht in den schmalen Pfad ein, sondern queren ihn! Doch als ich das erkenne, ist es schon zu spät. Ich bin zwischen dem Pferd und einer Parkbank eingeklemmt und kann nicht mehr ausweichen. Meine kinetische Energie treibt mich in das Mädel am Führzügel. Der Zusammenstoß geht für uns beide zum Glück glimpflich aus. Mit noch mehr Adrenalinausstoß keuche ich weiter.

Letztlich kann ich mit 1:48:15 meine Vorjahresleistung um ziemlich genau zwei Minuten verbessern. Und einen kleinen Pokal bekomme ich auch noch ab!

Mitbringsel vom Familienausflug