Donnerstag, 29. März 2018

Kleiner Prinz - Spendenmarathon Oelde

"Die Strecke ist nicht die schönste. Is' aber so!" Mit diesen Worten empfängt uns der Veranstalter Volker und setzt beim Briefing noch einen drauf: "Es ist die hässlichste Strecke der fünf Läufe." Denn eigentlich sind fünf Marathons in fünf Tagen zu laufen, aber ich will es mit dem Etappenlaufen ja nicht gleich übertreiben.

Kleiderbeutelabgabe, Start, Ziel und VP

Die Lage der Strecke hat einen guten Grund. Wir starten nämlich auf dem Gelände der Brauerei "Pott's", die als Sponsor fungiert und neben dem Finisher-Bier und Toiletten noch jede Menge zu bieten hat. Wer nach dem Lauf im Brauhaus einkehrt, bekommt alle Getränke frei. Außerdem kann ein Brauerei-Museum besichtigt werden. Und der Oberbraumeister gibt den Startschuss ab, indem er eine Bierflasche mit lautem "Plopp" öffnet.

Zeitnehmer und Starter kurz vorm "Plopp!"

Damit sind die Sensationen des Tages allerdings aufgezählt. Nun müssen noch sieben Runden gelaufen werden - aus dem Gewerbegebiet heraus, auf asphaltiertem Fuß-/Radweg an einer Fernverkehrsstraße entlang und wieder ins Gewerbegebiet hinein. Zur Auflockerung wurde immerhin ein Mercedes mit dem Kennzeichen "BE-NZ" am Laufweg geparkt.

Der BE-NZ

Marco meint angesichts der Streckenführung und des eisigen Windes, dass möglicherweise ein Lauf innerhalb der Brauerei die bessere Idee gewesen wäre. In unserem 3:41:09 währenden, gemeinsamen Brainstorming finden wir doch noch einen positiven Punkt. Die Laufroute hat eine hervorragende Verkehrsanbindung. Sie befindet sich nur eine Minute von der Autobahn entfernt!

Medaille und Urkunde Spendenmarathon Oelde
In Wirklichkeit haben Marco und ich die ganze Zeit unseren Spaß. Die ausgezeichnete Versorgung bietet Wasser, Iso, Obst, Salzstangen, Studentenfutter, Kekse und veganes Backwerk. Und wir laufen für einen guten Zweck. Denn unsere Startspende geht an die Aktion Kleiner Prinz und kommt so Kindern in Not zugute. Mit unserem Start haben wir also definitiv nichts falsch gemacht und werden am Ende überraschend sogar mit Medaille und Urkunde belohnt.





Samstag, 24. März 2018

Neanderlandsteig-Etappenlauf: 246 km und 4000 Hm in 4 Tagen

George Mallory antwortete auf die Frage, warum er den Mt. Everest besteigen wolle: "Weil er da ist." Und der Neanderlandsteig ist auch da. Noch dazu vor der Haustür. Die Idee eines Etappenlaufes auf dem Steig beschäftigt mich schon länger. Jetzt gönne ich mir vier Tage Laufurlaub und will es endlich durchziehen.

Meine neue Liebe wird schnell anstrengend

Ich habe die Neanderland-Umrundung über 246 km in 4 Etappen aufgeteilt, die ohne Ruhetag zu laufen sind:
    EtappeVonNachkmHm
    1RatingenLangenfeld71,7658
    2LangenfeldHaan/Gruiten58,5841
    3Haan/GruitenVelbert/Nierenhof50,81257
    4Velbert/NierenhofRatingen65,11290

    Da sich seit den Tagen des Neandertalers die Erschließung des Neanderlands mit öffentlichen Verkehrsmitteln etwas verbessert hat, entschließe ich mich zu einem Standquartier in Ratingen und minimiere dadurch Organisationsaufwand und Laufgepäck.

    Neanderlandsteig - Etappen und Zuwege

    Nach Süden nach Süden


    Schöner könnte mein Laufurlaub nicht beginnen! Da mich die erste Etappe in Richtung Südpol des Neanderlandes führt, laufe ich den ganzen Tag der Sonne entgegen. Und die scheint so intensiv vom wolkenlosen Himmel, dass ich die minus drei Grad des "Märzwinters" mit seinem starkem Nordost-Wind gerne in Kauf nehme. Ich werde heute brauner als letztens auf Mallorca.

    Palmenstrand am Unterbacher See bei minus 3 Grad
    Die Wegewarte des Neanderlandsteigs haben die schönsten Pfade der Gegend herausgesucht und zu einer großen Runde verbunden. Wo immer möglich, verläuft der Steig auf einem Trampelpfad, oft parallel zu existierenden, breiteren Wegen. Auch das trägt zur guten Lauflaune bei.

    Und die lasse ich mir nicht trüben. Als ich ein Dreh-Gatter in einem Zaun passiere, weist ein Schild auf frei lebende Wildtiere in diesem Bereich hin. Hunde seien daher anzuleinen. Kaum habe ich das gelesen, schießt ein schwarzer Hund von rechts nach links aus dem Unterholz über den Weg. Aus zahlreichen Begegnungen mit Hunden und ihren Haltern habe ich die Erkenntnis gezogen, dass ein Ansprechen der Besitzer sinnlos ist und nur dazu führt, dass ich mich aufrege. Also weiter.

    Nur wenige Hundert Meter vor mir geht der nächste Gassigänger leinenlos. "Ruhig, Pulsmesser, du sagst nichts!" Kaum habe ich das Duo passiert, springt mich der große Schäferhund bellend von hinten an. Ich lasse mich stellen. Dann kann ich nicht anders und weise den Halter höflich auf das Schild hin. Im selben Moment nehme ich das dudelnde Radio an seinem und die Alkoholfahne aus seinem Hals wahr. Die Erfahrung bestätigt sich ein weiteres Mal. Ich wende mich ab und laufe weiter: "Ich lasse mir meinen Laufurlaub nicht versauen!"

    Ganz im Süden des Neanderlandes geht es offenbar etwas kultivierter zu. Ich treffe nacheinander drei Hundehalter, die ihre Tiere an der Leine führen! Ich staune ob des seltenen Anblicks.

    Märzwinterfarben am Südpol des Neanderlands

    Die wasserreiche Etappe leitet zunächst am Unterbacher See und Elbsee vorbei, bevor sie später an den Rhein führt. Ein kürzerer Lauf in Gegenrichtung lehrte mich einst, dass ich mit einem VP rechnen kann. Tatsächlich materialisiert sich etwa zur Halbzeit zwischen dem Buschwerk ein Mc Donalds. Selten habe ich mich über den Anblick des großen M's so gefreut.

    Als es nach 50 Kilometern gerade etwas anstrengend zu werden droht, lädt Aral zu einer spontanen Rast ein. Ich lerne, dass man dort den Kaffee 10 Ct billiger bekommt, wenn man seinen eigenen Becher mitbringt.

    Da der S-Bahnhof Langenberg nicht direkt am Steig liegt, muss ich am Etappenende noch knapp 3 km der Straße folgen. Trotz aller Belastung bin ich schneller als die Pendler im Stau neben mir.

    Die teuersten 3 Kilometer meines Lebens


    Als mich die S-Bahn am nächsten Morgen bei Wind und bitterer Kälte wieder in Langenfeld ausspuckt, setze ich einen nächtlichen Entschluss um. Ich springe ins nächste Taxi und lasse mich dorthin fahren, wo ich am Vortag den Neanderlandsteig verließ. Im morgendlichen Stau wäre ich zu Fuß wohl wieder schneller gewesen, aber ich genieße die herrliche Wärme im Auto und ruhe mich noch ein paar Minuten aus. Mein Ziel ist, den Neanderlandsteig komplett abzulaufen. Sinnlose Zuweg-Kilometer sollen es nicht gefährden. Insofern halte ich die 10 Euro Taxigeld für gut investiert.

    Schloss Laach

    Am Schloss Laach setze ich die ersten Schritte in den frisch gefallenen Schnee. Nach einiger Zeit kommt wieder die Sonne durch, ich aber komme heute scheinbar nicht vom Fleck. Nach 25 km weist ein Schild zu meinem Startpunkt, dem Bahnhof Langenfeld, in nur 1,1 km Entfernung! Und nach 30 km steht immer noch Langenfeld auf einem Ortsschild. Der Steig umkreist den südlichsten Ort und führt mich später in die Hildener Sandberge und durch die Ohligser Heide. Ich bin auch ein Stück auf der Strecke der Hildener Winterlaufserie unterwegs, die mich 2014 zu einer Bestzeit beflügelte.

    Die Sherpas haben Fixseile angebracht

     Krankenhausaufenthalt


    Mitten im Wald sehe ich plötzlich Unmengen von parkenden Pkw's. Das Rätsel löst sich kurze Zeit später. Der Parkplatz gehört zu einer Klinik am Waldrand. Da ich gerade die Hälfte der heutigen Distanz in den Beinen habe, benutze ich die dortige Cafeteria als VP.

    Bei Solingen kommt mir der Kurs recht bekannt vor. Vor zwei Jahren lief ich dort zweimal "Rund um Solingen". Auch in diesem Jahr will ich an dem 100-km-Freundschaftslauf teilnehmen.

    Sandklippen

    Genau mit meinem Eintreffen am Bahnsteig von Haan/Gruiten erreicht der Zug den Halteort. Ich springe aus vollem Lauf in den Wagen und umwehe die Mitfahrer mit meinem Odeur.

    Der Fuchs


    Der für den Morgen prognostizierte Nebel hält sich leider hartnäckig den ganzen Tag. Vom Bergischen Land ist auf der heutigen Etappe nicht viel zu sehen.

    Dorf Gruiten

    Obwohl die Temperaturen in den Plusbereich gestiegen sind und sich der Wind gelegt hat, friere ich die ersten drei Stunden. Offenbar fühlt sich sonnenlose, feuchte Luft kälter an. Vielleicht laufe ich mittlerweile auch nicht mehr schnell genug, um richtig warm zu werden. Auf jeden Fall bin ich froh, dass bei einer Straßenquerung etwa zur Halbmarathon-Distanz eine Star-Tankstelle als wärmende Labestelle bereitsteht.

    In den letzten beiden Tagen hatte ich schon einiges an Wildtieren beobachten können. Feldhase, Reh, Rotmilan, Buntspecht, Reiher, Zaunkönig und Kleiber gehörten dazu. Doch Reineke Fuchs ist der erste, der Blick-Kontakt mit mir aufnimmt und hält. Er beobachtet mich so lange regungslos, bis ich es endlich geschafft habe, mein Smartphone hervorzuholen, um den seltenen Moment festzuhalten.

    Der Fuchs

    Der gelbe Sack


    Die letzte Etappe starte ich mit der Gewissheit, dass ich den Etappenlauf tatsächlich ohne Ruhetag finishen werde. Doch habe ich die Rechnung ohne das Wetter gemacht. Es regnet bei 2 Grad und der Wind hat wieder aufgefrischt. Von der Regenjacke trieft die eisige Brühe genau in meinen Schritt. Vor meinem geistigen Auge sehe ich mich bereits mit Sitzbädern eine Blasenentzündung kurieren. Mir wird klar: das halte ich nicht den ganzen Tag aus. Also werde ich kreativ. Ich habe ja Zeit zum Nachdenken. Ich muss nur einen alten Müllsack finden! Rettung bringt der Zivilisationkontakt in Form eines Waldkindergartens. Dort spendiert man mir einen Gelben Sack, dessen Boden ich aufreiße. Dann steige ich hinein und stopfe den oberen Rand in den Hosenbund. Regenjacke drüber - fertig! Der Schmutzsack wird zum Schutzsack. Der Schutzsack dient als Sackschutz. Einst trug der Mann den Gehrock, ab jetzt trage ich den Laufrock! Alle Welt verteufelt die Plastiktüte. Mir rettet sie heute - im Wortsinne - den Arsch.

    Laufrock statt Gehrock

    Da ich kaum jemanden treffe, ist die Optik ohne Belang. Helmut Kohl sprach damals vom "Freizeitpark Deutschland". Offenbar sind wir davon (noch oder wieder) weit entfernt. Oder die Leute verbringen ihre Freizeit wochentags nicht im Wald. Jedenfalls beschränken sich meine seltenen Begegnungen im Wesentlichen auf Hundehalter. Dazu kommen noch ein paar Reiter und Spaziergänger sowie erstaunlich wenige Läufer.

    Krankenhäuser werden offenbar ganz gerne an den Waldrand gestellt. Nach 27 km bildet heute die Rhein-Ruhr-Klinik den VP und taut mich mit einer heißen Tomatensuppe auf.

    Das Ende naht


    Die letzte Etappe endet zum Glück flach. Anstiege laufe ich schon seit gestern nicht mehr. Aber in der Ebene trabt es sich noch erstaunlich gut. Schwierig wird es paradoxerweise durch meine Streckenkenntnis auf diesem Segment. Dadurch verlaufe ich mich heute zwar ausnahmsweise nicht, muss aber gegen die vielen Versuchungen zum Abkürzen ankämpfen. Aber ich will ja den Neanderlandsteig einmal komplett gelaufen sein.

    Bachtal im Ratinger Norden
    Immer wieder visualiere ich unterwegs tränenreich das Finish, gebe mich dem Glücksgefühl hin und lasse mich davon vorantreiben. Tatsächlich endet die Aktion dann eher recht prosaisch. Die Uhr piept: "Ziel erreicht!" Aufgabe erledigt.

    Die großen Gefühle bleiben aus. Die hatte ich unterwegs.

    Donnerstag, 15. März 2018

    Mallorca - Laufschuh schlägt Fahrrad

    Eine Woche darf ich mich auf den Trails von Mallorca herumtreiben - ein gelungener Mix aus Wandern und Trailrunning!

    Nach einer Wanderung in den Höhen des Tramuntana-Gebirges laufe ich den langen Downhill vom Stausee Cuber zurück zum Hotel in Port de Sóller. Unterwegs überhole ich zwei Mountainbiker. Bergab! Das könnte nun etwas über mich aussagen. Oder über die Biker. Ich denke, es sagt vor allem etwas über den Untergrund der hiesigen Trails.

    Ein paar Kilometer weiter im Barranc de Biniaraix biege ich um eine der zahlreichen Kehren. Direkt dahinter sitzt mitten auf dem Weg ein junges amerikanisches Pärchen auf seiner Picknickdecke. Er springt "Sorry"-rufend auf und drückt sich rechts an die Felswand. Sie stellt sich links an den Abgrund. "No problem, I will jump!", rufe ich und springe über den reich gedeckten "Tisch" zwischen den beiden. In dem Moment wechselt das Mädchen die Wegseite und tritt damit genau in meine Flugbahn. Für einen kurzen Moment sehe ich uns beide verknäuelt in den Abgrund trudeln. Aber irgendwie gelingt es, den Zusammenprall zu vermeiden. Wer mag wohl mehr Adrenalin ausgeschüttet haben, sie oder ich?

    Blick von Felskante nach Port de Sóller
    Beim Downhill vom Castel de Alaró treffe ich wieder auf eine Radlerin. Übellaunig trägt sie ihr Rennrad über die krassen Trails. Ich frage lieber nicht, was sie hierher verschlagen hat.

    Inzwischen scheint sich mein mallorquinisches Treiben herumgesprochen zu haben. Sommerkind-Trailrunning-Tours, die selber ausgebucht sind, fragen an, ob ich eine Dame mit in die Berge nehmen würde. Sie entpuppt sich als eine Freundin von Trailrunnerin Susi. So klein ist die Läuferwelt! Gemeinsam folgen wir einem Track, den mir Holger von Trampelpfadlauf zugesandt hat. (Erwähnte ich schon die Größe der Läuferwelt?) Er führt uns eine lange, steile Rampe hinauf auf einen namenlosen Fels. Nur zwei Wanderer treffen wir unterwegs. Statt eines Grußes keuchen sie: "Muy dificil!" Der Weg endet an einer Abbruchkante mit überragender Aussicht auf die Bucht von Sóller.

    Port de Sóller
    Ungefähr einen Halbmarathon und 800 Hm später sind wir zurück am Strand. Nach einer Verpflegungspause breche ich noch einmal allein auf. Ich möchte jetzt von der anderen Seite in die Bucht schauen und besteige den Puig de Balitx - laut Rother Wanderführer eine der anspruchsvollsten Bergtouren der Insel. Rother meint damit eigentlich die letzten Meter zum Gipfel. Ich vehederre mich stattdessen schon unten auf Privatgelände zwischen Steinmauern und Zäunen. Entnervt krieche ich nach einer Viertelstunde frustierenden Suchens einfach bäuchlings unter einem Maschendrahtzaun durch. Die offizielle Stelle zum Übersteigen des Zaunes entdecke ich erst auf dem Rückweg. Mein Gekrauche und Gekrieche wird am Gipfel mit einem Rundumblick auf die Tramuntana und Port de Sóller belohnt.

    Blick vom Puig de Balitx nach Port de Sóller
    Nach 41,4 km und 1700 Hm drücke ich ein Auge zu und verbuche das Finale des diesjährigen Mallorca-Urlaubs als Trailmarathon.