Montag, 18. Januar 2016

KEU - Wo schmutzige Phantasien Wirklichkeit werden



Im Morgengrauen raunt mir die attraktive Betty zu: „Ich wusste gar nicht, dass du auch so schmutzige Sachen magst!“ Damit gehöre ich wohl endgültig zur Familie.

Schon vor einigen Wochen hatte mir Jochen, der Pate, geschrieben: „Herzlich Willkommen in der Trail-Mafia-Familie“, und mich damit zum 0211-KEU, dem „Kleinen Einladungs-Ultra“, zugelassen. Heute, am 16.1.2016 will ich mich der Herausforderung der 1450 Höhenmeter stellen, die sich über 49 Kilometer verteilen. Am Start der schlammigen Strecke im Düsseldorfer Nordosten treffe ich inmitten der vielen bekannten und mir neuen Trailfans auch auf die erstaunte Betty.
 
Ausblick vom Sandberg auf Düsseldorf
Im eisigen Wind bibbern wir dem Start um neun Uhr entgegen. Über Nacht hatte die ungewöhnliche Warmzeit nun auch im Rheinland ihr Ende gefunden. Vereinzelte Schneeflocken versuchen, den Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt noch eine Weile zu trotzen. Ich versuche es auch. Mein Ansinnen wird durch Race-Direktor Jochen unterstützt, als er unsere Transponder für die elektronische Zeitmessung aktiviert und uns damit Erwärmung durch Loslaufen ermöglicht. Einst zog Henry Maske zu den Klängen von „Conquest of Paradise“ in den Ring. Wir begeben uns mit dieser musikalischen Untermalung auf den feuchten Kurs.
 
Beim Streckentest war es noch so trocken
Fünfmal gilt es, die 9,8 Kilometer lange Runde zu absolvieren. Und schon nach 700 Metern stecken wir knöcheltief im Schlamm. Wie gut, dass ich nach langer Zeit wieder die wasserdichten Socken rausgekramt habe! Noch laufe ich im Führungsquartett mit. Doch der erste Berg trennt die Spreu vom Weizen. Ich muss dabei zusehen, wie der Weizen seinen Abstand immer weiter ausbaut.

„Zwei links – zwei rechts – eine zur freien Verfügung“, hatte es in der Ausschreibung geheißen. Ich laufe also auch die zweite Runde entgegen dem Uhrzeigersinn. Hatte ich das Führungsduo eben noch am VP getroffen, so ist es jetzt nicht mehr in Sichtweite. Auch hinter mir ist plötzlich keiner mehr zu sehen. Erst als mir etwa auf der Streckenhälfte die beiden Sieg-Aspiranten begegnen, geht mir auf, dass die anderen die Richtung nach jeder Runde wechseln, wie es in den Vorjahren üblich gewesen zu sein scheint. Ich laufe also ein sehr einsames Rennen. Damit gelingt mir, woran Walter Ulbricht scheiterte: „Überholen ohne Einzuholen“. Nach der zweiten Runde finde ich mich auf Platz Zwei wieder. Die dritte Umdrehung starte ich nun in Gegenrichtung und treffe nach wenigen Metern auf Sven. Ihn hatte ich heute eigentlich auf Sieg gesetzt. Er bedeutet mir aber, dass er das Rennen beenden wird.
 
So sonnig war es beim Fototermin eine Woche zuvor
Während der ersten beiden Runden fühlte ich mich noch so gut, dass ich sogar einen Start beim Marathon in Pulheim am Folgetag im Bereich des Möglichen sah. Inzwischen werde ich mit der Realität konfrontiert. Nein, ich werde nicht mehr alle Anstiege durchlaufen können. Und ich werde wohl auch länger als fünf Stunden benötigen. Außerdem läuft es sich in Gegenrichtung schwerer. Die Strecke ist mittlerweile „gut durch“. Der einsetzende Schneeregen tut sein Übriges. Und die Rinne hinunter zur Bahnunterführung erinnert eher an eine Rutsche. Hier bin ich schon einmal bei einer Neanderlandsteig-Erkundung gestürzt. Heute schlittere ich auf meiner rechten Seite liegend zu Tal. Als ich dachte, ich könne den Lauf „auf einer Arschbacke abreiten“, hatte ich das nicht ganz so wörtlich gemeint.

Immer wenn ich mich an der üppigen Verpflegungsstelle labe, bedaure ich die armen Betreuer, die hier in der Kälte ausharren müssen. Wir Läufer haben eindeutig den besseren Job, können wir uns doch durch Bewegung warm halten. Und noch einen Grund zur Freude habe ich. Gemäß der alten Weisheit, dass Vorbereitung neunzig Prozent des Erfolges ausmacht, hatte ich vor sieben Tagen den GPS-Track schon einmal abnavigiert (und die sonnigen Streckenfotos aufgenommen). Dass ich dabei 11,4 Kilometer sammelte, zeigt, wie wertvoll diese Übung war. Trotzdem verlaufe ich mich zweimal beim ersten Versuch in die „falsche“ Richtung. Andersrum sieht eben alles anders aus.


Den Zusatzmetern und den schwindenden Kräften zum Trotz, gelingt es mir, den zweiten Platz bis ins Ziel zu retten, das ich nach 5:13:15 erreiche.

Nach und nach treffen immer mehr Finisher ein. Wir scharen uns, in Decken gehüllt, um einen Propangasbrenner und lassen den Lauf bei Lagerfeuerromantik ausklingen. Wir erzählen von früher, als das Leben noch hart, der Winter noch kalt und die Strecke noch anspruchsvoll war. Dagegen waren die Bedingungen heute viel zu einfach: „Einmal kam ja sogar kurz die Sonne raus, da hätte ich am liebsten aufgehört!
 
Durch das Loch konnte das Wasser gleich wieder raus

9 Kommentare:

  1. Nur die Harten kommen in den Garten ....
    :-)))
    Aber wenn es ja nicht mal richtig hart war und sogar die Sonne mal raus kam, ja, dann war das ja alles nur Kindergeburtstag.
    Tss... Das kann dann ja wohl jeder.

    Schade, ich hätte doch gern ein Bild gesehen, wie du die Strecke auf einer Arschbacke ... na du weißt schon :-)

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    1. Zumindest wurde ein Nachher-Foto von meiner besudelten Rückseite gemacht. Das habe ich aber auch noch nicht gesehen.

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  2. Wenn schon denn schon. So wolltest du es doch ;)
    Super gemeistert!

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  3. Spontan möchte ich anmerken, dass man anderswo Schlammpackungen bewusst anlegt zur Minderung körperlicher Leiden, das zahlt sogar die Kasse. Aber wie man bei Dir sieht, geht das auch anders. Na, so schlimm schien es aber nicht gewesen zu sein. Glückwunsch zum guten Ergebnis!
    Ha, Pulheim?! Da wäre ich ja in der Staffel gestartet, es hat aber noch nicht mal zum Zuschauen gelangt. Nächstes Jahr dann. Aber Du und Pulheim - der Kurs ist ja eigentlich nicht das, was Du sonst so schätzt.
    Liebe Grüße
    Elke

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    1. Danke, Elke! Ja, war ein Fango-Lauf.
      In Pulheim war ein langer Lauf in der Gruppe geplant. Insofern hätte es auch auf flachem Asphalt Spaß gegeben.

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  4. Hallo Eik,

    sehr schön geschrieben. Aber warum verläufst du dich immer bei mir im Revier ???
    Damüssen wir wohl noch mal die ein oder andere Ortsbegehung machen ;-)

    Gruß,
    Bussi

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    1. Danke, das Angebot nehme ich gerne an.
      Eine zweite Maßnahme habe ich auch schon ergriffen. Meine Uhr hat mein manuelles Hineinzoomen in die Karte immer wieder nach einer Weile rückgängig gemacht, so dass ich es irgendwann aufgegeben habe. Nun habe ich den Grund entdeckt (Autozoom=ein) und beseitigt.

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  5. Der Kommentar wurde von einem Blog-Administrator entfernt.

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