Im Morgengrauen
raunt mir die attraktive Betty zu: „Ich wusste gar nicht, dass du auch so
schmutzige Sachen magst!“ Damit gehöre ich wohl endgültig zur Familie.
Schon vor einigen
Wochen hatte mir Jochen, der Pate, geschrieben: „Herzlich Willkommen in der
Trail-Mafia-Familie“, und mich damit zum 0211-KEU, dem „Kleinen Einladungs-Ultra“,
zugelassen. Heute, am 16.1.2016 will ich mich der Herausforderung der 1450
Höhenmeter stellen, die sich über 49 Kilometer verteilen. Am Start der
schlammigen Strecke im Düsseldorfer Nordosten treffe ich inmitten der vielen
bekannten und mir neuen Trailfans auch auf die erstaunte Betty.
Im eisigen Wind
bibbern wir dem Start um neun Uhr entgegen. Über Nacht hatte die ungewöhnliche
Warmzeit nun auch im Rheinland ihr Ende gefunden. Vereinzelte Schneeflocken versuchen,
den Temperaturen knapp über dem Gefrierpunkt noch eine Weile zu trotzen. Ich
versuche es auch. Mein Ansinnen wird durch Race-Direktor Jochen unterstützt,
als er unsere Transponder für die elektronische Zeitmessung aktiviert und uns
damit Erwärmung durch Loslaufen ermöglicht. Einst zog Henry Maske zu den
Klängen von „Conquest of Paradise“ in den Ring. Wir begeben uns mit dieser musikalischen
Untermalung auf den feuchten Kurs.
Fünfmal gilt es,
die 9,8 Kilometer lange Runde zu absolvieren. Und schon nach 700 Metern stecken
wir knöcheltief im Schlamm. Wie gut, dass ich nach langer Zeit wieder die
wasserdichten Socken rausgekramt habe! Noch laufe ich im Führungsquartett mit.
Doch der erste Berg trennt die Spreu vom Weizen. Ich muss dabei zusehen, wie
der Weizen seinen Abstand immer weiter ausbaut.
„Zwei links –
zwei rechts – eine zur freien Verfügung“, hatte es in der Ausschreibung
geheißen. Ich laufe also auch die zweite Runde entgegen dem Uhrzeigersinn. Hatte
ich das Führungsduo eben noch am VP getroffen, so ist es jetzt nicht mehr in
Sichtweite. Auch hinter mir ist plötzlich keiner mehr zu sehen. Erst als mir
etwa auf der Streckenhälfte die beiden Sieg-Aspiranten begegnen, geht mir auf,
dass die anderen die Richtung nach jeder Runde wechseln, wie es in den
Vorjahren üblich gewesen zu sein scheint. Ich laufe also ein sehr einsames
Rennen. Damit gelingt mir, woran Walter Ulbricht scheiterte: „Überholen ohne
Einzuholen“. Nach der zweiten Runde finde ich mich auf Platz Zwei wieder. Die
dritte Umdrehung starte ich nun in Gegenrichtung und treffe nach wenigen Metern
auf Sven. Ihn hatte ich heute eigentlich auf Sieg gesetzt. Er bedeutet mir aber,
dass er das Rennen beenden wird.
Während der ersten
beiden Runden fühlte ich mich noch so gut, dass ich sogar einen Start beim Marathon
in Pulheim am Folgetag im Bereich des Möglichen sah. Inzwischen werde ich mit
der Realität konfrontiert. Nein, ich werde nicht mehr alle Anstiege durchlaufen
können. Und ich werde wohl auch länger als fünf Stunden benötigen. Außerdem
läuft es sich in Gegenrichtung schwerer. Die Strecke ist mittlerweile „gut
durch“. Der einsetzende Schneeregen tut sein Übriges. Und die Rinne hinunter
zur Bahnunterführung erinnert eher an eine Rutsche. Hier bin ich schon einmal
bei einer Neanderlandsteig-Erkundung gestürzt. Heute schlittere ich auf meiner
rechten Seite liegend zu Tal. Als ich dachte, ich könne den Lauf „auf einer
Arschbacke abreiten“, hatte ich das nicht ganz so wörtlich gemeint.
Immer wenn ich
mich an der üppigen Verpflegungsstelle labe, bedaure ich die armen Betreuer,
die hier in der Kälte ausharren müssen. Wir Läufer haben eindeutig den besseren
Job, können wir uns doch durch Bewegung warm halten. Und noch einen Grund zur
Freude habe ich. Gemäß der alten Weisheit, dass Vorbereitung neunzig Prozent
des Erfolges ausmacht, hatte ich vor sieben Tagen den GPS-Track schon einmal
abnavigiert (und die sonnigen Streckenfotos aufgenommen). Dass ich dabei 11,4 Kilometer
sammelte, zeigt, wie wertvoll diese Übung war. Trotzdem verlaufe ich mich
zweimal beim ersten Versuch in die „falsche“ Richtung. Andersrum sieht eben
alles anders aus.
Den Zusatzmetern
und den schwindenden Kräften zum Trotz, gelingt es mir, den zweiten Platz bis
ins Ziel zu retten, das ich nach 5:13:15 erreiche.
Nach und nach
treffen immer mehr Finisher ein. Wir scharen uns, in Decken gehüllt, um einen
Propangasbrenner und lassen den Lauf bei Lagerfeuerromantik ausklingen. Wir
erzählen von früher, als das Leben noch hart, der Winter noch kalt und die
Strecke noch anspruchsvoll war. Dagegen waren die Bedingungen heute viel zu
einfach: „Einmal kam ja sogar kurz die Sonne raus, da hätte ich am liebsten
aufgehört!“
Nur die Harten kommen in den Garten ....
AntwortenLöschen:-)))
Aber wenn es ja nicht mal richtig hart war und sogar die Sonne mal raus kam, ja, dann war das ja alles nur Kindergeburtstag.
Tss... Das kann dann ja wohl jeder.
Schade, ich hätte doch gern ein Bild gesehen, wie du die Strecke auf einer Arschbacke ... na du weißt schon :-)
Zumindest wurde ein Nachher-Foto von meiner besudelten Rückseite gemacht. Das habe ich aber auch noch nicht gesehen.
LöschenWenn schon denn schon. So wolltest du es doch ;)
AntwortenLöschenSuper gemeistert!
Ja, ich will es schmutzig!
LöschenSpontan möchte ich anmerken, dass man anderswo Schlammpackungen bewusst anlegt zur Minderung körperlicher Leiden, das zahlt sogar die Kasse. Aber wie man bei Dir sieht, geht das auch anders. Na, so schlimm schien es aber nicht gewesen zu sein. Glückwunsch zum guten Ergebnis!
AntwortenLöschenHa, Pulheim?! Da wäre ich ja in der Staffel gestartet, es hat aber noch nicht mal zum Zuschauen gelangt. Nächstes Jahr dann. Aber Du und Pulheim - der Kurs ist ja eigentlich nicht das, was Du sonst so schätzt.
Liebe Grüße
Elke
Danke, Elke! Ja, war ein Fango-Lauf.
LöschenIn Pulheim war ein langer Lauf in der Gruppe geplant. Insofern hätte es auch auf flachem Asphalt Spaß gegeben.
Hallo Eik,
AntwortenLöschensehr schön geschrieben. Aber warum verläufst du dich immer bei mir im Revier ???
Damüssen wir wohl noch mal die ein oder andere Ortsbegehung machen ;-)
Gruß,
Bussi
Danke, das Angebot nehme ich gerne an.
LöschenEine zweite Maßnahme habe ich auch schon ergriffen. Meine Uhr hat mein manuelles Hineinzoomen in die Karte immer wieder nach einer Weile rückgängig gemacht, so dass ich es irgendwann aufgegeben habe. Nun habe ich den Grund entdeckt (Autozoom=ein) und beseitigt.
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