Inzwischen hat
wohl auch noch der letzte Blogger seinen Formbelt bekommen. Nämlich ich.
In (oder auf?)
jedem Läufer-Blog, dem ich folge, war in letzter Zeit von einem Formbelt zu
lesen, einem Wundergürtel, der den wackelfreien Transport von Autoschlüssel und
Smartphone während des Laufs ermöglichen würde. Offenbar hatte der Hersteller
alle Kollegen mit seinem Produkt ausgestattet. Nur mich hatte man übergangen.
Skandal! In einem Kommentar postete die beleidigte Leberwurst das Pulsmesser
seinen Unmut in die Welt. Sinngemäß schrieb ich, jetzt sei ich aber mal so richtig
bockig.
Scheinbar liest
irgendjemand tatsächlich die Kommentare unter Blog-Einträgen. Denn umgehend
erhielt ich eine Email mit dem Betreff „Formbelt kann nicht mit ansehen, wenn
Läufer bockig sind“ und anschließend das kostenlose Produkt.
Endlich konnte
ich mich wieder in meiner Wichtigkeit als Blogger sonnen. Man nimmt mich wahr,
man nimmt mich ernst, ich werde gelesen! Und beschenkt! Mit anderen Worten, jetzt bin ich
korrumpiert. Wenn ich nun gleich ein Loblied auf den tollen Transportgürtel
anstimme, dann ist dies der Beweis für meine Befangenheit. Man hat mich
gekauft. Ich bin zum verlängerten Arm der Marketing-Abteilung geworden.
Oft liest man „Der
Hersteller hat mir das Produkt kostenlos zur Verfügung gestellt. Aber meine
Bewertung ist davon völlig unbeeinflusst.“ Wahrscheinlich glauben das die
Autoren sogar wirklich. Ich denke, zumindest eine gewisse, unbewusste Befangenheit darf
unterstellt werden. Einen völligen Verriss habe ich jedenfalls unter diesen
Bedingungen noch nie gelesen.
Es geht aber noch
schlimmer. Kürzlich bekam ich das Angebot, bezahlte Blog-Einträge zu schreiben.
Darin sollten Produkte erwähnt und verlinkt werden. Gewünscht war ganz
explizit, dass ich verschweige, dass es sich hier um Auftragswerke, also um Werbung,
handelt. Natürlich habe ich von dem Angebot keinen Gebrauch gemacht. Da als
Mindestlohn immerhin 50 Euro pro Bericht angeboten wurden, scheint mir künftig
beim Bloglesen eine gewisse Skepsis angebracht. In diesem Zusammenhang sei auf
einen Leitfaden der Medienanstalten verwiesen, der aufzeigt, wann ein Beitrag als Werbung zu kennzeichnen ist.
Zurück zum
Zaubergürtel. Man stelle sich eine Strumpfhose vor, von der man ein Bein
abschneidet und sich dieses um den Leib knotet. Nun schneidet man an der Oberseite
drei kleine Löcher hinein - zwei links und rechts vorm Bauch, eins in der Mitte
hinten. Durch diese Löcher schiebt man sein Transportgut ins Innere des
Strumpfbeines und läuft los. Durch die Elastizität des Materials bleibt alles
an seinem Platz, hüft nicht herum und auch nicht heraus. Dieses Prinzip setzt
der Formbelt um, nur eben „in hübsch“.
„Nutze im Wettkampf
nichts, was du nicht vorher im Training ausprobiert hast“, lautet ein eherner
Grundsatz des erfolgreichen Athleten. Da im Ultrabereich jeder Wettkampf ja
auch irgendwie Training für den nächsten Ultra darstellt, schlüpfte ich vorm
KEU ganz
unbekümmert in den Form-Gurt. Ja, ich schlüpfte, denn man muss ihn
tatsächlich wie eine Hose anziehen, da das elastische Teil ohne Verschluss
auskommt. Smartphone und Autoschlüssel stopfte ich zunächst in Plastiktüten, um
sie vor Feuchtigkeit zu schützen, und dann in den Belt. Etwa nach der Hälfte
der 49 km drückte mir das Handy etwas zu sehr auf die Blase, worauf ich den
Gurt so verschob, dass das Telefon fortan an meiner Rückseite anlag. Ansonsten
machten sich die mitgenommenen Utensilien unterwegs nicht bemerkbar.
Mit verknackstem
Knöchel im Dunklen auf dem kalten Waldbogen zu liegen und dem ersten
Gassigänger am nächsten Morgen entgegenzubibbern, das war das Horror-Szenario,
das mich vor Jahren zur Anschaffung eines Handys bewog. Mittlerweile wurden aus
den kleinen Mobiltelefonen für die Hosentasche riesige Smartphones, die nur
noch mittels Spezialgerät zu transportieren sind. Auf langen Läufen verstaue
ich das Smartphone im Rucksack. Aber auf den kürzeren Distanzen bin ich nun wieder
telefon- und schutzlos den Naturgewalten ausgeliefert. Diese Lücke lässt sich
mit dem Formbelt schließen.
Der Formbelt
wurde mir kostenlos vom Hersteller zur Verfügung gestellt. Das könnte meine
Objektivität beeinträchtigt haben.
Ha! Ich hab keinen bekommen! Will ich auch nicht, da ich mit meinem Teil (http://18071960.blogspot.de/2015/11/pas-de-deux.html) schon sehr zufrieden bin und dort für mich Vorteile sehe. Ansonsten fällt mir diese inflationäre Erwähnung gerade dieses Accessoires auch auf. Wenn ich aber an anderer stelle so lese, was die Erwähnung eines Produkts in einem Blog so an Handelswert hat, ist die Abgeltung mit dem Wert des Formbelts ein prima Geschäft - für den Hersteller. Noch krasser finde ich manche Mail, wo man für die Erwähnung eines Produkts nur die Aussicht auf die Teilnahme an einer Verlosung erhält. Für wie blöd halten denn manche Werbeagenturen uns Blogger?
AntwortenLöschenWenn mich ein Produkt wirklich interessiert, kaufe ich es und berichte darüber.
Oder wenn es gesponsert wird, dann sage ich das auch. Doch auch dabei muss mein Interesse groß sein und darf keine Beeinflussung stattfinden.
Dann wünsche ich viel Spaß mit dem Teil. Damit hast Du ja nun einen Grund, nicht an Körperfülle zulegen zu dürfen, dann müsste ja die nächste Größe her...;-)
Liebe Grüße
Elke
Stimmt, mit dem Konzept der fixen Größe wird die große Zielgruppe der abnehmwilligen Laufeinsteiger völlig verpasst!
LöschenPermanente Produkttests von zugesendeten (oder angeforderten) Artikeln haben mich dazu gebracht etliche Blogs wieder aus meinem RSS Reader zu schmeissen. Überall die gleichen Loblieder zu lesen ist ausgesprochen öde. So einen richtigen Verriss zu schreiben traut sich dann doch niemand von den Beschenkten, am Ende gibts plötzlich keine Geschenke mehr. Da les ich lieber ehrliche Berichte über aus eigenem Antrieb gekaufte Utensilien.
AntwortenLöschenEs ist ganz nützlich, sich diese Abhängigkeiten mal bewusst zu machen. Wenn die Auto-Bild einen Testwagen zerlegt, dann haben die das Auto ja auch nicht gekauft.
LöschenDieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.
LöschenDas kann ich nur bestätigen, was Oliver schreibt, ich finde diese versteckte Art von Reklame ätzend, zumal sie von mindestens 20 anderen Bloggern ähnlich wiedergegeben wurde, ein Grund mehr, dieses Teil nicht zu kaufen, zumal ich das Original FLIPBELT, von einer amerikanischen Läuferin für sich entwickelt und auf den Markt gebracht, schon lange trage und selbst auf der Marathonmesse für mich entdeckt habe.
AntwortenLöschenWenn ich ein selbst gekauftes Produkt auf meinem Blog bewerte, geht es mir besser, als wenn ich die Erwartungen des Herstellers erfüllen muss, weil ich es kostenlos erhalten habe.
Trotzdem amüsanter angepriesen, als auf anderen Blogs !
Normalerweise lese ich keine sogenannten Produkttests mit " freundlicherweise zur Verfügung gestellter, kostenloser Ware " gar nicht mehr, ich finde es öde !
" freundlicherweise zur Verfügung gestellter, kostenloser Ware "
LöschenProblematisch wird es spätestens, wenn dieser Hinweis fehlt.
Siehste mal, das Bocken hat sich gelohnt! ;-)
AntwortenLöschenSolche Anfragen mit "sag' aber nicht, das wir dich bezahlen" kriege ich auch öfter.
Wobei ich das Thema "über geschenktes Zeug" schreiben sehr pragmatisch sehe, auch bei gekauften Gegenständen halte ich Zweifel an der aufrichtigen Meinung
für angebracht. Wer gibt schon gerne zu, dass er eine Fehlentscheidung getroffen hat...? ;-)
Ciao,
Harald
Im Falle einer Fehlentscheidung muss man ja nichts schreiben. Oder gerade, um andere vor dem gleichen Fehler zu bewahren?
LöschenNun du also auch :)
AntwortenLöschenToller Bericht und das Ergebnis kenne ich ja aus dem Selbsttest auch schon!
Danke, Markus. Ich nehme an, ohne den Gurt gehst du nicht mehr aus dem Haus ;-)
LöschenAch wie schön :-). Da muss man nur mal rum bocken und schon bekommt man was man will :-))))
AntwortenLöschenDa bist du wohl der eindeutige Sieger bei dieser ganzen Geschichte.
Ich werbe generell für nix, ich denke einfach, das wir alle eh schon total werbegeschädigt sind und von allen Seiten beeinflusst werden.
Natürlich, wenn ich mir ein Product kaufe und das super toll finde, dann kann ich das erwähnen, aber auch das verkneife ich mir meistens.
Da ich immer nur einen kleinen Schlüssel beim Laufen bei mir habe und alle meine Trikos auch Taschen haben, brauche ich einen solchen Formbelt nicht.
Aber interessant ist es schon was es alles so gibt :-)))
Sehr amüsanter Bericht.
Liebe Grüße
Helge
Ja, die Triathleten haben das Problem gar nicht. Die haben Taschen am Shirt! Einst sah ich neidvoll bei der Harzquerung, wie sich ein Läufer vor mir im Triathlon-Gewande am VP die Taschen für den weiteren Weg füllen konnte...
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