Der „Dragon Ultra“ am 15.3.2015 führt über 50 km und 1700 Höhenmeter durch das Siebengebirge. Und wer denkt, dass der Name Siebengebirge irgendetwas mit sieben Bergen zu tun habe, wird in der Ausschreibung eines Besseren belehrt. Dort heißt es: “Das Siebengebirge hat 13 hohe Gipfel - 9 sind extra für DICH liebevoll ausgesucht“.
Vor dem neunfachen Gipfelsturm weissagt Veranstalter Michael Frenz den 42 an der gedachten Startlinie Versammelten,
dass nur 30 das Ziel erreichen werden. Sind es derlei Zukunftsvisionen, ob derer er sich im Netz auch "Der Hexer" nennt? Wer von uns diese 30 Finisher sein werden, vermag er dann aber
doch nicht vorherzusagen. Den Optimismus lässt sich an dieser Stelle davon noch
keiner nehmen, denn „wer beim Hexer bucht, weiß, worauf er sich einlässt.“ (O-Ton M. Frenz) Ich weiß das allerdings nicht, denn es
ist mein erster Hexer-Lauf. Umso gespannter bin ich jetzt.
Nach dem Start zähle ich ungefähr 13 Köpfe vor mir und lasse deren Träger von hinnen ziehen. Mir geht es heute in erster Linie um einen Ausrüstungstest für die Neander-Rallye, deren Strecke nur mittels GPS-Navigation zu finden sein wird. Weder der Akku meines "Forerunner 305" noch der meines Smartphones können über diese Distanz durchhalten. Deshalb will ich auf meinen alten "Garmin GPSmap 60CSx" zurückgreifen. Der hat früher beim Geocaching gute Dienste geleistet. Längere Routen bin ich damit aber noch nie abgelaufen. Daher soll er heute seine diesbezüglichen Fähigkeiten unter Beweis stellen. Denn auch der Weg des Drachen ist nicht gekennzeichnet. Der Hexer hat stattdessen einen GPS-Track für uns ausgearbeitet.
Schon beim Hochladen des Tracks auf den "Garmin GPSmap 60CSx" gab es Ärger. "Track gekürzt" oder "Route gekürzt" lauteten die Fehlermeldungen. Es stellte sich heraus, dass dieses betagte Gerät ein Limit auf 250 Wegpunkte für Routen und 500 Wegpunkte für Tracks vorgibt. Es blieben mir zwei Möglichkeiten. Ich könnte die 1700 Wegpunkte des Original-Tracks in vier Teile zerlegen. Da ich am Vorabend des Rennens auf die Schnelle keinen Arbeitsablauf dafür parat habe, wähle ich Option Zwei und skaliere die Genauigkeit von 1700 auf 500 herunter. Das wird Folgen haben!
Ich habe mich inzwischen im Feld zwei Positionen vorgearbeitet und laufe mit einer Dreiergruppe. Unsere Konzentration gilt neben dem Untergrund der Navigation. Da die Strecke zu über 60 Prozent auf Single-Trails verläuft, geschieht es öfter, dass man vom Wanderweg urplötzlich zur Seite in einen Trampelpfad einbiegen muss. Schnell ist so ein Abzweig verpasst. Und dann heißt es "Umkehren"! Dummerweise ist mein Track durch die Wegpunkt-Reduktion so vage, dass ich ständig in eine andere Richtung als die Gruppe renne. Nach einer Weile gebe ich es entnervt auf, packe den GPSmap weg und hole das Handy hervor. Was für eine Wohltat! Eine anständige Karte und der genaue Track!
Ab jetzt bin ich autark und lasse die Gruppe zurück. Das nächste Dreierteam hole ich ein, als es gerade aus einer falschen Richtung zurückkommt. Jetzt kann ich beim Navigieren helfen. Doch letztlich bleibt mir von der Gruppe nur ein einzelner Begleiter. Gemeinsam finden wir die vom Hexer handverlesen gewählte Wegführung. Vor dem Lauf hatte ich die Sorge, dass dieser Ultra einfach eine Verlängerung des Rheinsteig-Extrem-Laufes darstellen würde. Das stellt sich zum Glück als unbegründet heraus. Natürlich berühren wir oft den Rheinsteig, aber immer wieder führt der Weg über kleinste Pfade, durch feuchte Bachtäler und über felsige Höhen. Ich bemerke, dass ich das Siebengebirge bei Weitem noch nicht kenne! Wenn ich den Charakter des Laufes vergleichbar machen sollte, dann würde ich ihn im Rahmen meiner Erfahrungen als eine noch anspruchsvollere Version der Harzquerung bezeichnen.
Ein Orientierungsläufer wird aus mir wohl nicht mehr. Ein nicht unbeträchtlicher Teil der Herausforderung besteht darin, auf dem Track zu bleiben. Das bedeutet des Öfteren: Stehenbleiben oder Umkehren, wobei letztes mit zunehmender Dauer der Veranstaltung immer unangenehmer wird. Doch die Navigationsprobleme (Achtung: Kalauer!) gipfeln auf dem Drachenfels. Dort vollführt der Track eine Schleife, die einem Mitstreiter offenbar zur Endlosschleife geraten ist. Er irre schon seit fünf Minuten hier oben herum, teilt er mir mit, als ich ihn aus der Zeitschleife befreie. Gemeinsam eilen wir zum Gipfel. Dann folgt eine lange, asphaltierte Abwärtspassage. An deren Ende ist der erste Halbmarathon gefinisht, und ich bin plötzlich allein. Vor und hinter mir wird bis zum Ziel niemand mehr zu sehen sein.
Die wenigen Wanderer staunen nicht schlecht, dass ihnen, den Pudelmütz-Bewehrten und Schal-Umwickelten, jemand in kurzen Hosen begegnet. Und je mehr sich die Erschöpfung meines Körpers bemächtigt, umso mehr bereue ich, nicht noch ein Kurzarm-Shirt über das Langärmlige gezogen zu haben. Bei geschätzten fünf Grad bleiben die Hände trotz der Handschuhe bis ins Ziel kalt. Die zum Heizen nötige Energie führe ich mir in Form von drei Gels, zwei Gel-Chips und einem Liter Iso zu. Zusätzlich geht noch ein Liter Wasser von der Trink- in meine Blase über. Die gesamte Nahrung ist Bestandteil meiner Ausrüstung. Verpflegungstellen gibt es, abgesehen von den Ausflugslokalen, nicht.
Nach 25 Kilometern sehe ich erstmals bewusst zur Uhr. Erschrocken erkenne ich, dass ich schon seit drei Stunden unterwegs bin! Ein Finish unter sechs Stunden dürfte damit schwer werden. Dabei hegte ich ursprünglich die leise Hoffnung, in die Goldwertung zu gelangen, hatte ich doch schon 50-km-Läufe in weniger als fünf Stunden beenden können. Für eine solche Zeit versprach die Ausschreibung die goldene Drachenmedaille. Geschafft hatte das bei der Premiere im Vorjahr allerdings niemand. Bis fünfeinhalb Stunden gibt es Silber und bis sieben Stunden und fünfzehn Minuten Bronze. Danach erfolge keine Wertung mehr, ließ uns der Hexer vor dem Start wissen.
Einsam bahne ich meinen Weg durchs Gehölz. Im Geiste höre ich des Hexers mahnende Worte: "Versucht immer wieder, in den Laufschritt zu kommen!" Obwohl ungezählte Male herrliche Fotomotive locken, scheue ich die Zeitinvestition. Außerdem möchte ich den Handy-Akku zugunsten der Navigationsfunktion schonen. Nur ein einziges Bild kann ich mir abringen. Als ich an einem Gipfelanstieg selbst beim Gehen pausieren muss, nutze ich eine der Zwangspausen dann doch zum Fotografieren. Enttäuschenderweise sieht man, wie so oft, dem Bild die Steilheit kaum an.
Und irgendwann geht es wieder einmal bergab. Doch jetzt ist es das letzte Mal! Noch nie habe ich mich so gefreut, entlang befahrener Straßen über Auto- und Eisenbahnbrücken zu laufen. Ich bin endlich in Bonn! Entlang des Rheins kann ich die Pace sogar noch ein wenig drücken. Wo ist das Ziel? Wo ist dieses verfluchte Ziel? Da, das ersehnte "Haus am Rhein"! Gefinisht wird tatsächlich in der Kneipe! Ich stolpere gerade die Stufen hoch und zur Tür herein, als der Erstplatzierte frisch geduscht seine Nudeln ordert. Er war schon nach 5 Stunden und 17 Minuten hier. Damit geht Silber an den Sieger, und die Drachenmedaille in Gold bleibt auch in diesem Jahr unvergeben. Die ersten Bronze-Plätze erringen die beiden Herren, die ich unter der Dusche treffe. Sie teilen sich den zweiten Platz mit einem gemeinsamen Einlauf nach 5 Stunden und 42 Minuten. Meine 6 Stunden und 5 Minuten bedeuten somit Platz Vier. Ob die vorhergesagten 30 Läufer ins Ziel gekommen sind? Ich weiß es nicht. Bis zu meiner Abreise ist niemand mehr erschienen.
Dieser Lauf erwies sich als weitaus schwieriger, als von mir erwartet. Zum Vergleich: ich war langsamer unterwegs als beim doppelt so langen Thüringen Ultra! Ebenfalls überrascht war ich von der ausgesucht trailigen Wegführung. Nach dieser fordernden Aktion blicke ich mit ein wenig Sorge auf den Trailwettkampf in zwei Wochen, der mit 57 Kilometern und über 2000 Höhenmetern noch etwas anspruchsvoller auszufallen scheint.
Schon beim Hochladen des Tracks auf den "Garmin GPSmap 60CSx" gab es Ärger. "Track gekürzt" oder "Route gekürzt" lauteten die Fehlermeldungen. Es stellte sich heraus, dass dieses betagte Gerät ein Limit auf 250 Wegpunkte für Routen und 500 Wegpunkte für Tracks vorgibt. Es blieben mir zwei Möglichkeiten. Ich könnte die 1700 Wegpunkte des Original-Tracks in vier Teile zerlegen. Da ich am Vorabend des Rennens auf die Schnelle keinen Arbeitsablauf dafür parat habe, wähle ich Option Zwei und skaliere die Genauigkeit von 1700 auf 500 herunter. Das wird Folgen haben!
Ich habe mich inzwischen im Feld zwei Positionen vorgearbeitet und laufe mit einer Dreiergruppe. Unsere Konzentration gilt neben dem Untergrund der Navigation. Da die Strecke zu über 60 Prozent auf Single-Trails verläuft, geschieht es öfter, dass man vom Wanderweg urplötzlich zur Seite in einen Trampelpfad einbiegen muss. Schnell ist so ein Abzweig verpasst. Und dann heißt es "Umkehren"! Dummerweise ist mein Track durch die Wegpunkt-Reduktion so vage, dass ich ständig in eine andere Richtung als die Gruppe renne. Nach einer Weile gebe ich es entnervt auf, packe den GPSmap weg und hole das Handy hervor. Was für eine Wohltat! Eine anständige Karte und der genaue Track!
Archivbild: Siebengebirge |
Ein Orientierungsläufer wird aus mir wohl nicht mehr. Ein nicht unbeträchtlicher Teil der Herausforderung besteht darin, auf dem Track zu bleiben. Das bedeutet des Öfteren: Stehenbleiben oder Umkehren, wobei letztes mit zunehmender Dauer der Veranstaltung immer unangenehmer wird. Doch die Navigationsprobleme (Achtung: Kalauer!) gipfeln auf dem Drachenfels. Dort vollführt der Track eine Schleife, die einem Mitstreiter offenbar zur Endlosschleife geraten ist. Er irre schon seit fünf Minuten hier oben herum, teilt er mir mit, als ich ihn aus der Zeitschleife befreie. Gemeinsam eilen wir zum Gipfel. Dann folgt eine lange, asphaltierte Abwärtspassage. An deren Ende ist der erste Halbmarathon gefinisht, und ich bin plötzlich allein. Vor und hinter mir wird bis zum Ziel niemand mehr zu sehen sein.
Archivbild: Am Drachenfels bei besserem Wetter |
Nach 25 Kilometern sehe ich erstmals bewusst zur Uhr. Erschrocken erkenne ich, dass ich schon seit drei Stunden unterwegs bin! Ein Finish unter sechs Stunden dürfte damit schwer werden. Dabei hegte ich ursprünglich die leise Hoffnung, in die Goldwertung zu gelangen, hatte ich doch schon 50-km-Läufe in weniger als fünf Stunden beenden können. Für eine solche Zeit versprach die Ausschreibung die goldene Drachenmedaille. Geschafft hatte das bei der Premiere im Vorjahr allerdings niemand. Bis fünfeinhalb Stunden gibt es Silber und bis sieben Stunden und fünfzehn Minuten Bronze. Danach erfolge keine Wertung mehr, ließ uns der Hexer vor dem Start wissen.
Archivbild: Unterwegs im Siebengebirge |
Das einzige Unterwegsfoto - Ich schwöre, es war ganz sehr steil! |
Dieser Lauf erwies sich als weitaus schwieriger, als von mir erwartet. Zum Vergleich: ich war langsamer unterwegs als beim doppelt so langen Thüringen Ultra! Ebenfalls überrascht war ich von der ausgesucht trailigen Wegführung. Nach dieser fordernden Aktion blicke ich mit ein wenig Sorge auf den Trailwettkampf in zwei Wochen, der mit 57 Kilometern und über 2000 Höhenmetern noch etwas anspruchsvoller auszufallen scheint.
Eine Strecke ohne mich auszukennen oder vernünftige Wegkennzeichnung und dazu kein zuverlässiges Navis. Das wäre mein Tod. Ich hätte niemals dieses Haus gefunden :)
AntwortenLöschenAber Respekt das du das wieder so spitze gemeistert hast!
Danke, Markus!
LöschenDas Haus zu finden, wäre einfach gewesen. Denn von Bad Honnef nach Bonn sind es nur 15 km. Aber das Reglement erforderte, dass man exakt den Track abläuft, ohne abzukürzen, was anvielen Stellen möglich gewesen wäre (ganz besonders am Drachenfels). Zum Nachweis war im Nachhinein der unterwegs aufgezeichnete Track einzusenden. 5% Abweichung werden toleriert.
Mein schon länger gehegter Verdacht wird wahr: Das Pulsmesser neigt zum Masochismus! Nicht nur die Gipfel des Siebengebirges fast alle abzuklappern, dazu auch noch die Strecke selber finden mit den sich daraus ergebenden Irrungen und Wirrungen... Dennoch oder gerade deswegen: Mein Respekt und herzliche Glückwünsche zum 4. Platz! Ich kann mir zwar vorstellen, dass es einen besonderen Reiz hat, die Navigationherausforderung abzuarbeiten, aber das dann noch mit dem Zeitdruck und klammen Fingern und Wegpunktlimit des Geräts und Sorge um Akku... Ich glaube, ich hätte auf dem Drachfelsplateau die Garmin in den Rhein gepfeffert, den Laufkollegen in seiner Endlosschleife belassen und stattdessen das Kuchenbuffet geentert. Und damit räume gerne ein, so ein harter Knochen bin ich nicht!
AntwortenLöschenFür Dich wars sicher ein gutes Training für den nächsten Lauf, und dann auf in die Goldklasse ;-)
Liebe Grüße
Elke
50 Shades of Trail!
LöschenTatsächlich scheinen einige so reagiert zu haben, wie du es getan hättest. Zumindest berichtete das Spitzenfeld, dass einer der ihren unterwegs "verschwand".
Danke für die Glückwünsche, Elke!
lol - der ist gut!
LöschenIch bleibe da eher bei Rosamunde Pilcher... :-)
Liebe Grüße
Elke
Du machst immer wirklich spannende Sachen.
AntwortenLöschenIch wäre ja, natürlich auch wegen der schwere der Strecke aber vielmehr noch wegen der erforderlichen Navigationskünste, total überfordert. Ich würde niemals auch nur irgendwo ankommen. Zumindest nicht in der Nähe des Ziels :-)
Du solltest dir keine Sorgen wegen deines Trailwettkampfs in 2 Wochen machen.
Ich denke du wirst das genau so überragend hinbekommen, wie den vergangenen :-)
Ich drücke dir zumindest mal die Daumen
Liebe Grüße
Helge
Mit der Navigation waren wohl einige sehr gefordert. Am Start sah man reihenweise fragende Mienen auf kleine Displays starren, teilweise durch eine Brille am lang ausgestreckten Arm. Da habe ich mich schon gefragt, wie das wohl unterwegs mit dem Lesebrille-Hervorkramen so klappen wird. Mein diesbezüglicher Kommentar kam aber eher nicht gut so gut an ....
LöschenDanke fürs Daumendrücken, Helge!
Nach 12:52 erreichten Torben und ich zusammen das Ziel. Laut dem "Hexer" gab es lediglich drei DNF. Somit sollte er mit den 30 Finishern kein Recht behalten.
AntwortenLöschenDanke für die Info und Glückwunsch zum Finish! Es können also auch die Weissagungen eines Hexers daneben liegen. Ansonsten hätte ich mich mal bei ihm nach den nächsten Lottozahlen erkundigt.
Löschenna, wenn das mal nicht nach genussreichem Traillaufen riecht... :-)
AntwortenLöschenIch habe einen prüfenden Blick auf das Foto mit dem "ganz sehr steilen" Anstieg geworfen. Ja, doch, der Winkel zwischen Bäumen und an den Hügel gelegter Tangente macht die Aussage glaubhaft.
Danke für die Bestätigung aus berufenem Munde!
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