Die Unvernunft
kennt keine Grenzen. Zwei Wochen nach dem 100er stehen Ralf und ich schon wieder
am Start. Wir wollen heute nämlich Platinmänner werden. Der adoleszente Junior ist auch dabei
und kämpft um den Titel „Platinman light“.
Aufgrund des auf
300 Starter limitierten Teilnehmerfeldes hatten wir uns schon vor langer Zeit
zum "Platinman" angemeldet. Die Ausschreibung versprach Steigungen von bis zu 52% und über 800
Höhenmeter auf 25,7 Kilometern. Da wollten wir dabei sein! Da auch eine rund 10
km lange „Light“-Version angeboten wird, darf der Nachwuchs mitkommen.
Die Sonne
bescheint herbstliches Laub an der Sieg. Und die Temperaturen rangieren mit 14
bis 19 Grad im Bereich eines Frühjahrsmarathons. Wetter und Vorbelastung laden
eher zu einem Spaziergang ein. Jedenfalls wollen wir es heute ruhig angehen. Doch am
Start treffe ich auf meinen temporären Begleiter vom Wupperbergemarathon und
denke mir: „Mal sehen, wie lange du heute an ihm dranbleiben kannst.“
Gemeinsam ziehen
wir dahin. Da fliegt uns der Junior entgegen und klatscht mich ab. Er hat seine
Light-Runde so gut wie hinter sich und wird im ersten Drittel der Starter
finishen. Wir verlassen jetzt den Asphalt. Waldwege und Trails beginnen.
Diesmal habe ich das Höhenprofil studiert. Anstiege sind demnach bei km 5, 8,
11, 14, 17 und 21 zu erwarten.
Doch noch
plaudern wir fröhlich. Das erregt den Unmut der Mitläufer: „Wir pfeifen hier
auf dem letzten Loch und ihr quatscht rum. Das ist total demotivierend!“
Beschämt stellen wir das Gespräch ein, und zum Dank zieht der Beschwerdeführer
gleichauf. Er will, so meint er, die eben von uns überholte Dame an die weit
voraus laufende Frau heranführen. Es wird ihm wohl nicht gelingen, aber die
Idee, diese Frau einzuholen ist nicht schlecht. Man braucht ja Ziele. Als ich
die Gehpause an der nächsten Steilstelle für ein Foto nutze, werden weiter
unten wieder Klagerufe laut: „Erst quatscht der, und jetzt macht er auch noch Bilder!“
Mehrfach hatte
mein Begleiter unterwegs angemerkt, unsere Pace sei zu schnell. (Bergab lag sie
einmal sogar unter 4 min/km.) Es ist heute nicht sein Tag. Am 52-Prozent-Berg
lässt er mich ziehen. Dort hat man im Gipfelbereich Seile gespannt. Leider sind
sie mit einem Plastikschlauch überzogen, so dass schweißnasse Hände dort kaum
Halt finden.
Die nächste
Steigung zieht sich unheimlich in die Länge, ist aber durchgängig laufbar. Doch
bei einigen macht sich nun Verfall bemerkbar. Sie gehen. So auch die zum Zwischenziel
erkorene Frau. Voller Hoffnung frage ich sie, ob sie die Führende sei. Doch sie
antwortet, sie wäre die Dritte. So ganz ohne Begleitung, und nun auch ohne
Ziel-Frau, bleibt mir nichts anderes übrig, als mich am nächsten Läufer vor mir
zu orientieren. So langsam gerate ich in den Wettkampfmodus. Die Beine
schmerzen zwar, aber eigentlich im üblichen oder zumindest im erträglichen Bereich.
Kilometer 13 ist
nach 1:09 erreicht. Bergfest! Einen nach dem anderen hole ich jetzt ein und
nehme mir vor, mich nicht überholen zu lassen. Und dann gerät ein
pendelnder Pferdeschwanz in Sicht. Die Zweitplatzierte! Bis auf 100 Meter kann
ich aufschließen. Sie wird von zwei Herren umschwirrt. Die drei wechseln sich
in der Führung ab. An den steilen Gehpassagen komme ich dem Trio näher, könnte
fasst den Zopf mit Händen greifen. Doch sobald es wieder flach oder abwärts
geht, baut die Schnelle ihren Vorsprung wieder auf die 100 Meter aus.
Ersatzweise kann ich zumindest ihre beiden Begleiter überholen.
Der letzte
Anstieg ist geschafft. Nun geht es nur noch talwärts. Zurück zum Sportplatz.
Denke ich! Mindestens ein Kilometer müsste es noch sein. Da zieht plötzlich
einer der beiden bisherigen Damen-Begleiter vorbei. „Verdammt, das Tempo kann
ich bis zum Sportplatz nicht mitgehen!“, denke ich noch. Da sehe ich
unmittelbar vor uns eine rote Matte. Bis ich realisiere, dass das dortige Zelt demnach
nicht zu einer Verpflegungsstation, sondern zum Zielbereich gehört, ist es zu
spät. Ich kann zwar noch beschleunigen, aber die verbleibende Strecke ist zu
kurz. Ich laufe einen Schritt nach dem Überholer ins Ziel.
Und so trübt mir
diese kleine Überraschung ganz am Schluss ein wenig diesen ansonsten so flüssigen
und wunderbaren Landschaftslauf, den ich mit negativem Split gelaufen bin. Na
gut, habe ich wieder was gelernt. Beim nächsten Mal studiere ich nicht nur das
Höhenprofil, sondern auch die Lage des Ziels.
Zeit: 2:09:46 –
Gesamt: 30 – AK: 5
Lt. Fenix: 24,8
km – 800 Hm
Die Bilder sehen aus wie bei einer beschaulichen Schönwetter-Bergwanderung :-)
AntwortenLöschen... aber schön beschrieben und irgendwie sogar für mich Flachlandläufer reizvoll. Glückwunsch!
"Beschauliche Schönwetter-Bergwanderung", so treffend habe ich es leider nicht beschreiben können!
LöschenDanke, Oliver.
Wie gut, dass in der Überschrift steht: I am a platinMAN, das sagt eigentlich (wie schön das Wort eigentlich immer passt !!) schon alles aus.
AntwortenLöschenDich kann nichts und keiner bremsen, zwei Wochen nach einem 100-er - ganz schön kess - das hätte ich mich nicht getraut, schon gar nicht mit diesem Profil !
Pass' trotzdem gut auf dich auf - oder folgt jetzt noch ein Lauf - sozusagen Schlag auf Schlag ?
Nein, Männer sind ja in der Regel seeeeeeeeeeeeeeeeeehr vernünftig !!
Glückwunsch !!
Hätte ich "I am Platinwoman" geschrieben, wäre es glatt gelogen gewesen. Dabei sieht der Veranstalter diese Möglichkeit durchaus vor (siehe Medaille, rechts oben).
LöschenDer nächste Lauf wird vermutlich - wie in den beiden letzten Jahren - der Siebengebirgsmarathon als gemütlicher Saisonabschluss.
Danke für den Glückwunsch, Margitta!
Womit man sich Kritik einhandeln kann: Reden, Fotografieren. Ich schlage vor, du nimmst nächstes Mal ein gutes Buch mit. ;-)
AntwortenLöschenVielleicht ein Laufbuch, aus dem ich dann unterwegs gute Ratschläge zitiere?
LöschenSo schnell schon wieder auf den Beinen für dieses hügelige Abenteuer?! Wow, kann ich mir kaum vorstellen. Aber toll wie du das gemeistert hast
AntwortenLöschenUnterwegs fühlte es sich ja noch ganz gut an, aber ich muss gestehen, dass ich jetzt völlig im Eimer bin. Nicht nachmachen! ;-)
LöschenSo so, so sieht also ein Spaziergang bei dir aus :-))
AntwortenLöschenIch kenne das mit dem Wettkampfmodus, irgendwie geht das nicht mit dem langsam machen wenn da so viele andere es nicht tun ;-)
Super Ergebnis und das mit dem 100er in den Beinen
Klasse!
Liebe Grüße
Helge
Danke, Helge! Das ist einfach ein schöner Lauf, an dem man ganz unabhängig von einer Zielzeit seine Freude haben kann.
LöschenSo schnell kann aus dem "Ruhig-angehen-Modus" dann schon wieder Wettkampftempo werden.... was würdest Du bloß tun, wenn keine zu überholenden Damen mit auf der Strecke wären?;-)
AntwortenLöschenAber wie auch immer, schwatzend und fotografierend so kurz nach einem 100er zum Platinmann zu werden - klasse Leistung! Herzliche Glückwünsche an Dich und auch an Junior natürlich!
Liebe Grüße
Elke
Dann müsste ich mir andere markante Marker in der Menge suchen ("der Weiße", "der Blaue", usw.).
LöschenDie Platinmänner danken dir, Elke!