Montag, 9. Juli 2018

Coriotrail - Aut viam inveniam aut faciam

Als man Hannibal mitteilte, man könne die Alpen nicht mit Elefanten überqueren, soll er angeblich: "Aut viam inveniam aut faciam" geantwortet haben. "Entweder ich finde einen Weg, oder ich mache einen" ist auch das Motto des Coriotrials. Das klingt doch ganz vielversprechend für einen Trailrun!

Die Macher des Hivernaltrails haben mit dem Coriotrail eine Sommervariante geschaffen. Es gibt mit 10, 20 und 42 km drei Streckenlängen zur Auswahl. Der Junior überzeugt mich davon, statt auf die Langdistanz lieber mit ihm auf die 20-km-Strecke zu gehen. Angesichts der Hitze und der Tatsache, dass ich seit der "TorTour de Ruhr" nichts gelaufen bin, was länger als 30 km war, ist das möglicherweise kein schlechter Entschluss. Dass ich mir den Track auf die Uhr gespielt habe, wird sich jedoch paradoxerweise noch als ein solcher erweisen.

Vorm Start beendet der Veranstalter sein längeres, holländisches Briefing mit der Frage, ob er das auch nochmal auf Deutsch vortragen solle. Mein "Ja, bitte!" wird vom "Nein" meines Nebenmannes übertönt. Es scheint jede Menge Redundanz in der holländischen Sprache zu stecken, denn er meint lapidar zu mir: "Einfach den Pfeilen folgen!"

Ab dem Startsignal beherzigen wir diesen Ratschlag. (Keiner ahnt zu diesem Zeitpunkt, dass mir die Sonne im Laufe des Rennens diesen Tipp aus dem Schädel brennen wird.) Wir hatten uns vorgenommen, zunächst einmal zu schauen, ob wir in der Führungsriege mitmischen können und evtl. die Chance auf eine Platzierung besteht. Anderenfalls wollten wir die Trails einfach nur genießen. Wir halten uns also zunächst im Feld der ersten Zehn der 65 Starter. Als sich drei Mann nach vorn absetzen, bleiben wir dran. Für mich wird am ersten Anstieg deutlich, dass ich die Pace von gut 4 min/km nicht viel länger werde halten können. Bisher zeigte die Tendenz des Streckenprofils eher talwärts. Laut Ausschreibung sind jedoch rund  500 positive Höhenmeter zu erwarten. Und gerade die letzten drei Kilometer scheinen es diesbezüglich in sich zu haben.

Der Führende ist inzwischen auf und davon. Direkt vor uns liegen jetzt ein Gelber und ein Blauer. Dann kommt die erste echte Schikane. Es geht eine Klippe steil hinab, unten über Äste und unmittelbar daneben, die Klippe wieder hoch. Ein Weiß-Behemdeter findet hier offenbar den richtigen Weg (ohne die Äste) und zieht quasi auf der Innenbahn vorbei.



Blau schwächelt an der Klippe und wird von unserem Familien-Duo überholt. Dann ziehen Gelb, Weiß und mein Sohn von hinnen. Das letzte Mal sehe ich den Spross meiner Lenden, als er auf einer Viehweide den Weißen hinter sich lässt und damit Platz Drei einnimmt. Ich mache noch ein Abschiedsfoto und widme mich der Aufgabe, Blau auf Abstand zu halten.

Querung einer Weide
Ein Pfeil weist nach rechts, und ich halte mich – wie sich herausstellt – etwas zu hündisch an die Vorgabe. Ich stecke bis zu den Knien in einem Gewirr aus Ästen. Als ich mich durchgekämpft habe, muss ich noch über einen Stacheldraht springen. Nur um ein paar Meter weiter unter Stacheldraht durchkriechen zu müssen, damit ich von der irrtümlich betretenen Weide auf den Weg zurück gelange. Hier wird mir endgültig klar, dass das offenbar nicht die vom Pfeilsprüher vorgesehene Route gewesen sein kann. Aber ich bin nicht der einzige, der flink dem fatalen Pfeil-Pfusch falsch folgt. Hinter mir höre ich Blau durch die kniehohen Äste brechen.

Die Damen am VP schauen verwundert, als ich, trotz der Hitze, ignorant an ihnen vorbeilaufe. Bei diesem umweltfreundlichen Lauf gibt es keine Wegwerfbecher. Jeder Starter muss sein eigenes Trinkgefäß mitbringen. Da habe ich mir gleich eine Softflask voller Wasser in den Rucksack gepackt. Der Zeitgewinn durch die gesparten Boxenstopps scheint mir das halbe Kilo Zusatzgewicht wert zu sein.
Start 42-km-Lauf
In einem Ort zeigt der Pfeil nach links. Dort erspähe ich einen unscheinbaren Pfad in die Felder. Während ich einbiege, denke ich noch, wie viele sich hier wohl verlaufen werden, weil sie den Pfad übersehen. Dann macht mir der Track auf der Uhr klar, dass ich derjenige bin, der falsch ist. Beim Zurückkehren auf die richtige Strecke, kann ich den Blauen schon wieder hinter mir sehen! Am nächsten Berg holt er mich ein, macht aber keine Anstalten zu überholen. Stattdessen eröffnet er das Gespräch. Eigentlich habe er, anfangs auf Platz Drei laufend, am Gelben dranbleiben wollen, es sei aber heute zu warm für ihn. Dann zieht er weiter über die ausgetrocknete Flur. Heute wird wohl keiner im Schlamm ausrutschen. Eher holt man sich eine Staublunge.

Am zweiten und letzten VP spiele ich dann die Softflask-Karte erfolgreich aus. Während Blau sich labt, trabe ich vorbei. Dabei bemerke ich die „Rote Gefahr“. Ein Läufer in Rot hat aufgeschlossen. Und obwohl er am VP stoppt, überholt er mich kurze Zeit später, wobei er mich auf meinen offenen Schnürsenkel hinweist. Der Doppelknoten muss sich wohl gelöst haben, als wir eben durch das mannshohe Gras gerannt waren. Bis ins Ziel wird der Schuh schon noch am Fuß halten.

Bisher war der sehr schöne und abwechslungsreiche Streckenverlauf durchweg laufbar gewesen, wenn man von einigen hölzernen Stufen absieht. Doch kurz vorm Ziel hat der Veranstalter „The Wall“ eingebaut. Diese Steilklippe wurde mit zwei Seilen versehen, an den man sich heraufziehen kann. Oben muss ich erstmal einige Schritte gehen, um wieder zu Atem zu kommen. Es folgen noch ein paar weitere steile Anstiege, die aber gelaufen werden können. Nur haben meinem Hirn Anstrengung und Sonne anscheinend mächtig zugesetzt. Ich kann das Ziel schon hören, sehe aber auf der Uhr, dass mich die Pfeilmarkierung weg vom Track, weg vom Ziel und zurück auf die bereits gelaufene Strecke führt. Ich kehre um und laufe zurück! Da kommt mir mein blauer Mitstreiter entgegen und weist mich darauf hin, dass ich falsch sei. Ich erkläre ihm meine wirre Sicht der Dinge, aber er rennt nur schulterzuckend weiter. Dort, wo mein Track Richtung Ziel führt, ist ein dicker Strich quer über den Pfad gesprüht. Offenbar hat der Veranstalter kurzfristig die Strecke geändert. Vielleicht wäre die deutsche Briefing-Variante doch ganz interessant gewesen.

Edles Metall zum Lohne
Leicht frustriert renne ich den Anstieg, den ich eben schon einmal erklommen hatte, wieder hoch. Zwischen den Bäumen sehe ich es noch ein paar Mal blau blitzen. Aber den eben so idiotisch verspielten, sechsten Rang kann ich nicht mehr zurückerobern. Im Prinzip ist es ja auch wurscht. Der große Verlauferbeim letzten Hivernaltrail, der mich die Chance auf Platz Drei gekostet hat, war da schon ärgerlicher. Hier auf der kürzeren Strecke muss ich die Lorbeeren ohnehin den Jüngeren überlassen. Als ich nach 1:47:51 das Ziel erreiche, wartet der Junior schon seit 13 Minuten auf mich. Er hat den zweiten Gesamtplatz erlaufen und gewinnt neben Handtuch und Laufsocken auch noch einen Freistart für den Hivernaltrail im Februar. Da werden wir wohl um einiges schlammbesudelter im Ziel ankommen. Einen Rekord kann ich am Ende also doch noch verbuchen. So sauber bin ich bisher bei noch keinem Traillauf geblieben!

8 Kommentare:

  1. So langsam kitzelt es wohl wieder in dir und du hast die lange Kante gut weggesteckt. Da kann sich die Konkurrenz vor dir und deinem Sohn bald warm anziehen ;)

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    1. Vor allem der Kopf bedarf wohl noch der Regeneration. Ende Juli müsste man ja eigentlich schon wieder anfangen, für den Herbst zu trainieren ...

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  2. Schlag auf Schlag, einmal lang, einmal kurz...........musste erst mal nachschlagen....von wegen Latein, schon so lange her, aber ich hab's !!

    Schön, wenn das eigene Blut so erfolgreich ist und auch noch auf den Vater geduldig 13 Minuten wartet !!

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    1. Länger warten wollte er leider nicht, sonst hätte ich auf der 42-km-Strecke starten können!

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  3. Wenn ich das lese weiß ich, warum mir solche Trailevents niemals liegen. Aber umso mehr Anerkennung habe ich für diejenigen, die sich durch die Widrigkeiten von Pfeilen und Routen über und unter Stacheldraht hindurch abmühen! Und dann noch Steilklippe in Holland...
    Herzliche Glückwünsche an Euch beide fürs Finishen und an den Junior für die ausgezeichnete Platzierung!
    Liebe Grüße
    Elke

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    1. Danke, Elke! Eigentlich war die Strecke super markiert. Irgendwie habe ich wohl etwas zu hektisch agiert ...

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  4. Oh was wäre ich verloren bei der Suche nach Pfeilen, Wegweisern und Pfaden :-)))
    Glückwunsch an den Sohnemann zum zweiten Platz. Starke Leistung.
    Und Glückwunsch an dich, ich schätze, wenn du den Weg immer direkt gefunden hättest, dann hätte der Sohn auch nicht so lange warten müssen im Ziel ;-)
    Habt ihr beide richtig gut gemacht.
    Liebe Grüße
    Helge

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  5. Klingt nach einer schönen Veranstaltung, wenn auch mit Tücken (wobei die Tücke ja eher dein Navi war). Ich hab mich übrigens schon öfter gefragt ob Trailläufe bei Trockenheit abgesagt werden, ist offensichtlich nicht so, statt Matsch in den Schuhen gibts dann eben Staublunge, das macht Sinn :-)
    Der Junior ist definitiv unterwegs in eine andere Liga, große klasse! Glückwunsch euch beiden zu der hervorragenden Platzierung!

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