Eine Woche vor
dem Wupperbergemarathon steht am 20. September ein letzter langer Lauf in
entspanntem Tempo auf dem Plan. Da bietet sich die Teilnahme am 36 km langen
Drei-Halden-Lauf an, der als Gruppenlauf ohne Wettkampfcharakter ausgeschrieben
ist. Es lockt dreifaches Gipfelglück, denn wir sollen über die
Halden Norddeutschland (105 m), Pattberg (92 m) und Rheinpreußen (102 m) geführt
werden.
Am Sonntagmorgen
um kurz nach Neun strecke ich meinen noch müden Leib im Rheinpreußen-Stadion
aus, und lasse mich von der herrlichen Morgensonne durchwärmen. Als
Sitzgelegenheit wähle ich eine Bank, die die einladende Laufgruppe „Die Stolperer“
aufgestellt hat. Denn die Stadiontribünen sind einsturzgefährdet, da der
Verein, bei dem wir hier zu Gast sind, bereits sein 100-jähriges Jubiläum
feiert. Auch von innen kann ich Wärme zuführen. Denn für meine 10 Euro Start-
und 1,50 Euro Nachmeldegebühr bekomme ich neben einem Neopren-Chipband
(ausgepreist mit 3,90 Euro) auch noch Verpflegungsmarken im Wert von zwei Euro,
die ich direkt in heißen Kaffee und ein Käsebrötchen umsetze.
Nach dem Verzehr
wäre ich dann bereit für den Start, der für 10 Uhr angekündigt wurde. Doch
jetzt offenbart diese mit ganz viel Herzlichkeit und ebenso viel Freundlichkeit
„von Läufern für Läufer“ (O-Ton: Ausrichter) umgesetzte Veranstaltung den
einzigen Punkt mit Verbesserungspotenzial. Denn bevor wir laufen dürfen,
möchten noch fünf(!) Herren eine Rede halten. Der Versuch der ungeduldigen
Laufwilligen, ein Ende herbeizuklatschen, scheitert. Doch dann schlägt ein Veteran
im traditionellen Bergmannskittel den Lauf nach Bergmannsart mit einer Glocke an.
Und ab jetzt gibt es nichts mehr zu meckern.
Ein
Oldtimer-Traktor geleitet uns als Führungsfahrzeug zum Stadion hinaus. Danach übernehmen
ganz viele Helfer auf Mountainbikes diesen Job. Hinten folgt ein
Kleintransporter (zumindest auf den Kfz-tauglichen Abschnitten), der als Sani-
und Verpflegungswagen fungiert. Gebraucht wird er zum Glück nur in seiner
letztgenannten Funktion, dafür umso häufiger. Denn jede halbe Stunde wird ein
Büfett aus Wasser, Iso, alkoholfreiem Bier, Waffeln, Salzbrezeln, Riegeln,
Äpfeln und Bananen kredenzt. Das hat ein bisschen was von Mast.
Führungsfahrzeug |
Höhepunkte auf
der ansonsten flachen und vielfach asphaltierten Strecke sind natürlich die
Halden. Die Himmelsleiter der Halde Norddeutschland wird zuerst begangen. Ja,
sie wird begangen. Im Pulk ist kein
Laufen möglich. Überhaupt kann man ganz gut die Stau-Entstehung auf deutschen
Autobahnen nachvollziehen, wenn man in einem Trupp von 100 Leuten unterwegs
ist. Jede Wegverengung und jede Temporeduktion führt im hinteren Feld
zwangsläufig zu Stillstand. Davon lässt sich niemand die gute Laune verderben.
Die Gruppe bietet jede Menge Unterhaltung. Als es durch die Brennnesseln geht,
bittet eine Dame darum, dass die Männer außen laufen. Das wird damit
kommentiert, dass Brennnesseln doch gut gegen Cellulite seien, gefolgt von der
rhethorischen Frage, warum Männer keine Cellulite hätten. Die Antwort folgt auf
dem Fuße: „Weil es Scheiße aussieht!“
Auch wenn ich
mich nicht am Austausch von solchen Nettigkeiten beteilige, findet sich doch so
mancher Gesprächspartner. Seltsamerweise hat man ja heutzutage Freunde bei
Facebook, die man noch nie zuvor gesehen hat. So ein Lauf bietet dann
Gelegenheit, das zu korrigieren. So treffe ich hier auf Fred, der in Sandalen
unterwegs ist. Auf Socken hingegen, und somit unverkennbar, ist wieder der
Mitstreiter vom 24-Stundenlauf in Breitscheid dabei. Die vielfältige
Ausrüstung im Läuferfeld bietet auch Gelegenheit, meine heute erstmalig
ausgeführte, nagelneue „Garmin fenix 3“ direkt mit einer V800 zu
vergleichen und mit erfahrenen Fenix-Nutzern zu fachsimpeln. Dabei stellt sich dann
oft heraus, dass man vergangene Läufe gemeinsam bestritten hat oder dass man
sich bei künftigen Veranstaltungen wiedersehen wird.
Einmal wird das
richtig peinlich. Als mein Gesprächspartner meint, mein Gesicht vom
Hivernal-Trail zu kennen, erwidere ich scherzhaft: „Ich hatte eigentlich
gehofft, du hättest mich nur von hinten zu sehen gekriegt.“ Darauf er trocken: „Kaum
möglich, ich wurde Zweiter.“
Die letzte Halde wartet
noch mit ein paar Überraschungen auf. Nach der Rast am Fuße des Hügels wird
innerhalb des gemütlichen Gruppenlaufes plötzlich doch zum sportlichen Wettstreit
aufgerufen. Es wird je ein Preis ausgelobt für die schnellste Bezwingerin und den
schnellsten Bezwinger des ca. 950 m langen Aufstiegs zur Halde. Da mache ich
gern mit - ob es nun eine Woche vorm Marathon sinnvoll ist oder nicht! Nach dem
Anpfiff (sic!) verheddere ich mich kurz im eilig gespannten Startband. Dann
stürme ich an zweiter Position auf schwarzer Schlacke aufwärts. Von hinten
schiebt sich ein junger Mann vorbei an die Spitze und baut seinen
Vorsprung aus. Es folgt Serpentine auf Serpentine. Der Atem rasselt, die Beine
brennen. Ich bleibe hinter Nummer Zwei. Als sich der Vierte anschickt, mich zu
überholen, reicht es mir. Ich setze zum Spurt an und ziehe am Zweiten vorbei.
Will zum Führenden aufschließen. Doch sein eben überholter Vereinskamerad setzt
einen Warnruf ab. Derlei informiert, hält mich der Erste auf Distanz. Endlich
ist Musik zu hören, dann kommt der Aussichtsturm in Sicht. Das muss der letzte
Anstieg sein! Der Führende erlahmt sichtlich und schaut sich immer wieder um.
Ich schnaufe heran. Auf der ebenen Zielgeraden kann ich nochmal Meter gutmachen.
Unter wiederholtem Umsehen erkennt der schnelle junge Mann die Gefahr, kann
ebenfalls nochmal beschleunigen und läuft mit etwas Vorsprung durchs Ziel.
Respektvolles Schulterklopfen, für mehr reicht der Atem noch nicht.
Als ich wieder Luft
bekomme, widme ich mich der zweiten Überraschung. Auf der Halde steht ein
Aussichtsturm in Form einer Grubenlampe. Habe ich heute schon die Vokabel „Bergmannskittel“
gelernt, so erfahre ich nun noch, dass die Funzel des Bergmanns „Geleucht“
heißt. Das Geleucht hat heute geöffnet, und ich steige hinauf. Oben entdecke
ich den Quell der Musik. Zwei Bläser stehen im zugigen Turm und spielen für
uns. Was für ein Lauf! Die Aussicht auf rauchende Schlote, Industriebauten,
Ruhrschifffahrt und Autobahnbrücken erfüllt alle Ruhrgebietklischees. Mich
fröstelt im kalten Wind, ich will weiter. Doch erst ist noch ein Gruppenfoto vorm
Turm geplant. Als alle die Arme zur gestellten Pose hochreißen, bin ich plötzlich
sehr dankbar für die kühle Gipfelbrise. Denn der kollektive Armwurf hat eine infernalische
Wolke Läuferdunstes aufsteigen lassen, die der Wind glücklicherweise rasch abtransportiert,
um in der Ferne von unserem sportlichen Tun zu künden.
Dann wird es
lustig. Denn die Läuferschar wird vor Steinen auf dem Weg gewarnt. Hört, hört!
Und tatsächlich gibt es gegen Ende ein paar Trailpassagen. Im dusteren,
wurzeligen Wald kommt es sogar zu einem Sturz. Trotz des gewaltigen, dumpfen
Aufprallgeräusches bleibt er zum Glück ohne gesundheitliche Folgen. Ganz zum
Schluss wartet die Strecke sogar noch mit einem „Singletrail“ entlang eines Maisfeldes
auf. Inzwischen habe ich meine Lektion gelernt und laufe am vorderen Feldende
mit, so dass ich mich noch staufrei einfädeln kann. Und hier vorn spürt man plötzlich
ganz deutlich den Stallinstinkt. Mit einem Mal geht es mit der Herde durch.
Alle wollen ins Ziel und rennen deutlich schneller als die geplante 6er Pace.
Ich selbst mache einen kurzen Stopp an meinem an der Strecke geparkten Auto, um
meine Sporttasche zu holen. Derlei ausgerüstet laufe ich direkt in die
Umkleide. So werde ich heute doch noch Erster. Der Erste unter der Dusche!
Ziel im historischen Stadion |
Sehr amüsant geschrieben, liest sich nach einem abenteuerlichen Lauf der etwas anderen Art - und du mitten drin !
AntwortenLöschenAuf die " charmanten " Gespräche allerdings könnte ich als Frau verzichten, war wahrscheinlich (noch) nicht anstrengend genug, denn erfahrungsgemäß wird es immer ruhiger, je..........weißt schon !!
Erster unter der Dusche ist auch was Besonderes !!
Ja, ich weiß ;-)
LöschenDanke dir, freut mich, dass ich dich unterhalten konnte!
Fünf Reden bevor man loslaufen darf - auch eine Art von Ultra! Aber ansonsten scheint es ja ganz amüsant und ein Lauf der anderen Art. Und wenn es nicht so auf das Tempo ankommt, bzw. selbiges durch gemeinsames Treppengehen verunmöglicht wird, bestehen auch mehr Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme. Schade, dass Dein Sprint auf die dritte Halde nicht mit dem Etappensieg belohnt wurde, aber unterwegs noch die Sportsachen abholen und dann erster unter der Dusche ist ja auch eine neue Art des Wettkampfs ;-)!
AntwortenLöschenWie fiel der Vergleich fenix zu V800 aus?
Liebe Grüße und viel Erfolg am Sonntag!
Elke
Zur fenix werde ich sicher noch mal separat bloggen. Die V800 ist besser ablesbar, hast alles richtig gemacht ;-)
LöschenDanke und Dir auch viel Spaß am Sonntag am Todesberg!
Danke, ich gebe mein bestes.
LöschenWo schon die Sieger der ersten und zweiten Austragung sich nicht erneut diesem Lauf stellen ...
Yippey, erster unter der Dusche. Da war das Wasser wahrscheinlich auch noch warm :-)
AntwortenLöschenUnd immerhin warst du ja zweiter oben auf dem Hügel.
Was du noch alles so treibst so einen Woche vor dem Marathon.
Was hast du dir für den Marathon vorgenommen?
Liebe Grüße
Helge
Im Gegenteil, ich hatte anfangs noch das kalte Wasser aus der Leitung!
LöschenDer Marathon hat 1300 Hm und lt. Profil kein einziges flaches Stück - nur rauf und runter. Wenn ich da unter 4 h bliebe, wäre ich wahrscheinlich schon der Held. Zum Vergleich: Der Vorjahressieger hatte ne Bestzeit sub 3h und hat 3:45 gebraucht...
Absolut genial - der Lauf liest sich so wunderbar schrullig, dass er mir auch gefallen könnte...allein das Orga-Team und der Trompeter auf der Halde hat mir einen Begeisterungsjauchzer entlockt ;))
AntwortenLöschenUnd Erster ist ERSTER! Egal wo ;))
Die Bläser waren ganz eindeutig der Höhepunkt. Ich meine, die hätten uns ja auch einfach nur laufen lassen können. Stattdessen hat man uns nicht nur üppig bewirtet, sondern auch noch mit Bergsprint und Kulturprogramm überrascht. Hinterher gab es sogar noch eine Tombola. Ich liebe solche Läufe "mit Seele"!
LöschenEcht toll geschrieben!
AntwortenLöschenSo ein gemeinsamer Lauf hat sicherlich etwas. Wüßte nicht, ob es hier auch sowas gebe. Nur als Trainingsläufe soweit ich weiß...
Danke, Markus!
LöschenDiese Laufidee finde ich auch total gut. Man muss sich halt mit dem Gruppentempo arrangieren.