Montag, 24. August 2015

Sengbachlauf - Mein erster Dreiviertel-Marathon



„Sie gehen schnell oder sie rennen langsam, das ist joggen. Es ist die Art, wie 40-jährige Männer ihrer Umwelt mitteilen, dass sie im Moment nichts auf die Reihe bringen.“

Fredrik Backman in „Ein Mann namens Ove“


Als Jünger Steffnys liegt meinem Training des Gurus Plan für einen Marathon in 2:59 zugrunde, den ich ein wenig an meine Ultra-Bedürfnisse angepasst habe. Dabei entstehen nicht unbedingt größere Umfänge. Ich laufe sogar nur an fünf, statt sechs Wochentagen. Dafür packe ich die fehlenden Kilometer dann in längere Wochenendeinheiten. Steffny verlangt einen 10-km-Wettkampf. Ich starte stattdessen bei meinem ersten Dreiviertel-Marathon.

Der Sengbachlauf feiert am 23. August 2015 sein 40. Jubiläum. Aus diesem Anlass wird erstmals die 30,9-km-Distanz angeboten und als „Dreiviertel-Marathon“ ausgeschrieben. Gelaufen wird auf einem schattigen Rundkurs um die Sengbachtalsperre, der etwa 10 km misst. Je nach Rundenzahl entstehen Wettkampfstrecken von 11,3 km, 21,1 km und eben der Dreiviertel-Marathon. Auf einer Pendelstrecke wird noch ein 3-km-Lauf ausgetragen, bei dem die Pulsmesserin antritt. Der Junior wählt die 11-km-Distanz.
 
Strecke im Morgenlicht*
Laufpartner Ralf wohnt um die Ecke und ist mit dem Fahrrad da. Beim Einlaufen offenbare ich ihm meine Pläne, eine 4:50er Pace zu laufen, um unter 2,5 Stunden zu finishen. Angesichts der Eintragung „Höhenunterschied 60 m“ in der Streckenskizze auf der Veranstaltungs-Homepage scheinen mir meine Pläne realistisch. Ralf bezweifelt als erfahrener Sengbachläufer, dass wir mit 180 Höhenmetern auf den drei Runden auskommen und hält einen 5er Schnitt für angemessener. Um es vorweg zu nehmen, Ralf wird rund 600 Höhenmeter mit barometrischer Messung ermitteln. Davon weiß ich am Start noch nichts. Und als der Sprecher die Teilnahme von 150 Startern verkündet, meine ich optimistisch zu Ralf: „Dann müssen wir auf Platz 15 laufen, um unter die ersten 10 Prozent zu kommen!

Offenbar habe ich Ralf mit meinen ambitionierten Plänen eingeschüchtert. Bei Kilometer Drei passieren wir eine Gedenktafel für einen Läufer, der hier bei der Ausübung seines Hobbys starb. Eigentlich ein schöner Tod. Doch Ralf möchte heute nichts riskieren und lässt mich vorsichtshalber ziehen. Als mich ein passend zu seinem Haarton gekleideter Herr in weißem Gewand überholt, begebe ich mich auf dessen Fährte. Irgendwann auf der ersten Runde kann ich den „Weißen Mann“ sogar wieder abhängen.

Stattdessen folgt nun mir ein blaues Hemd wie ein Schatten. Sein Träger geht gelegentlich längsseits und beeindruckt mit seiner ruhigen Atmung, während ich schon hörbar schnaufe. „Der muss noch ordentliche Reserven haben!“, denke ich mir noch. Da kommt auch schon das dicke Ende der Runde. Von der Staumauer geht es jetzt steil bergan, und der Blaue, als Lokalmatador vom Publikum namentlich angefeuert, zieht auf und davon.

Ein Blick zur Uhr stimmt mich wieder versöhnlich. Gut 48 Minuten sind seit dem Startschuss vergangen, und ich bin damit innerhalb meiner zeitlichen Vorgabe. Während ich so zufrieden und allein mit mir durch den Forst trotte, verschleife ich scheinbar des Tempo. Woran ich das merke? Der „Weiße Mann“ überholt mich! Ich habe mich innerlich schon geschlagen gegeben und liege einige Schritte hinter ihm. Da rufe ich mich zur Ordnung. „Das ist hier ein Wettkampf. Da kannst du dich ja wohl mal ein bisschen quälen und wenigstens versuchen dranzubleiben!“ Ich gehorche mir. Nachdem wir eine Weile im Duo an der Talsperre entlangpreschen, lässt Weiß plötzlich nach und bleibt zurück. Ist ja heute hier wie beim Schach. Weiß beginnt, Schwarz gewinnt!

Mein einsamer Lauf wird durch schnelle Schritte unterbrochen, die von hinten nahen. Der führende 11-Kilometer-Läufer schießt vorbei. Dann kommt eine ganze Zeit niemand mehr. Erst am Ende der zweiten Runde ziehen Platz Zwei und Drei vorüber. Erstaunlicherweise laufe ich recht lange mit dem Drittplatzierten gemeinsam den Anstieg nach der Staumauer hinauf. „Vielleicht sollte ich hier mal beim Elfer mitmachen?“, denke ich voller Übermut.
 
Start 11,3-km-Lauf
Die gute Laune wird noch durch einen Blick zur Uhr am Rundenende gesteigert. Wenn ich so weiter laufe, bin ich nach 2:25 im Ziel. Perfekt! Bald überhole ich das Besenfahrrad. Danach wird es etwas abwechslungsreicher, denn ab jetzt kreuze ich permanent durch ein Gemisch aus Elfer-Startern und Halbmarathonis. Aber auch ein 30er rückt irgendwann ins Blickfeld. Wie gut, dass der Mann seine Startnummer am Band nach hinten gedreht hat! So gibt er mir wieder ein Ziel. Bald ist er überholt. Doch ich kann sogar noch einen weiteren Platz gutmachen. An einem Anstieg geht ein Athlet von fit wirkender Statur. Vermutlich hat er sich auf den ersten beiden Runden verzockt. Und dann steht da noch eine Frau mit roter 30er-Nummer am Streckenrand und hält ein Schwätzchen. Nun ja, sie habe ich dann wohl nicht überholt, sondern überrundet. Denn vor mir laufen heute keine Frauen.

Zum letzten Mal quäle ich mich den Hang von der Staumauer hinauf. Ein paar Zuschauer fragen, ob das schon meine dritte Runde sei. Als ich nicke, zeigen sie sich beeindruckt. Na, das tut mal gut! Dummerweise ist der Berg diesmal aber nicht am Rundenbeginn zu Ende. Jetzt gilt es, noch weiter hinauf und zurück zum Start zu rennen. Beim Endspurt zeigt sich mal wieder, dass ich unterwegs zu sparsam war und noch Energie vorhanden ist. Schade. Dennoch bin ich mit der Zeit von 2:24:23 überaus zufrieden. Immerhin entspricht das einer Pace von 4:40. Und der Lauf hat sich damit von Anfang bis Ende gut angefühlt. Die Platzierung hingegen ist eher enttäuschend. AK-Platz Vier und Sechzehnter im Gesamteinlauf. Knapp am virtuellen AK-Treppchen vorbei und ebenso knapp an der 10-Prozent-Hürde gescheitert! Die Familien-Ehre wird aber von Frau und Sohn gerettet, die beide ihre Altersklasse gewinnen.

Geehrt werden die Altersklassen-Sieger seltsamerweise nur im Elfer-Wettkampf. Unter den derart Bejubelten ist auch der Gewinner der M80. Diesen strahlenden Sieger hätte ich auf allerhöchstens 65 Jahre geschätzt.

Auf dem Heimweg schiebt sich eine ältere Dame in Begleitung, auf ihren Rollator gestützt, an mir vorbei. (Um Missverständnissen über meinen Nachwettkampf-Zustand vorzubeugen: sie kommt mir entgegen.) Dabei schnappe ich einen Gesprächsfetzen auf. „Und nach dem Marathon habe ich mich schnell gekämmt und bin Tanzen gegangen.

Was muss ich tun, damit meine Laufkarriere eher auf einem M80-Siegerpodest, als hinter einem Rollator endet?

*Foto by Ralf L.

4 Kommentare:

  1. Glückwünsche an die ganze Familie zum erfolgreichen Laufen!
    Was ich mich frage, wie werden aus der Veranstalterangabe zu den Höhenmetern dann plötzlich so viele?
    Ich finde es immer höchst bewundernswert, wenn Menschen jenseits des üblichen Rentenalters weiterhin so fit sind. Ich wünschte, das wäre bei mir auch so...
    Ein Rezept für Dich also: Immer schön irgendwo mitlaufen, wo Du Frauen überholen kannst. Die spornen Dich ja gewaltig an und das hält dann fit. Am besten also gleich mal bei einem Frauenlauf mitrennen :-)
    Na Spaß gemacht. Wenn ich das Rezept kennen würde, hätte ich sicher eine gute Geldquelle für meinen Lebensabend ;-)
    Liebe Grüße
    Elke

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    1. Danke für die Glückwünsche, Elke!
      Vermutlich meint "Höhendifferenz" einfach den Unterschied zwischen tiefstem und höchstem Punkt. Mittlerweile gibt es auf der Homepage ganz prominent ein richtiges Höhenprofil http://www.sengbachlauf.de/ Danach hätte der Lauf 670 Hm.

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  2. Also über deine Laufkarriere in der M80 solltest du dir keine Sorgen machen. Wahrscheinlich wirst du dann immer noch alle möglichen und unmöglichen Ultras und Marathons laufen :-)
    Und gewinnen.
    Herzlichen Glückwunsch an die ganze Pulsmesser Familie.
    Von einem dreiviertel Marathon hatte ich übrigens auch noch nie gehört. Was es nicht alles gibt ... :-)
    Liebe Grüße
    Helge

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