Die Motivation im Keller, die Fitness im Eimer und ein 10er
im Trainingsplan. So stellt sich die Situation am 23. August 2014 dar. Zwar
reise ich diszipliniert zum Rheinuferlauf nach Wesseling, habe aber alle
Ambitionen zuhause gelassen. Eine Zeit unter 40 min soll mir heute reichen.
Der Junior darf ganz offiziell in seiner Altersklasse MU14 für
die 10-km-Distanz melden. Doch auch er hat heute kein gutes Gefühl vor dem
Start. Dabei sind die Bedingungen mit 18 Grad bei bedecktem Himmel nahezu
optimal. Nur der Wind frischt kurz vor dem Startschuss um 16:30 Uhr auf. Da er
auf der ersten Hälfte der 5-km-Pendelstrecke als Rückenwind weht, bleibt noch
die Hoffnung auf eine plötzliche Flaute beim Rückweg.
Start und Ziel auf der Rheinpromenade Wesseling |
Längst sind Promenade und Rheinpark verlassen. Einsam renne
ich den topfebenen, asphaltierten Weg zwischen Wasser und Gehölz am Rhein
entlang. Der Bewuchs verschont das Auge vom Anblick der umfangreichen Anlagen
der chemischen Industrie. Nur den seltsamen Geruch vermag er nicht zu
kaschieren. Doch ich bin nicht hier, um mich am Liebreiz der Landschaft zu
ergötzen. Heute ist Wettkampf! Und die Wendemarke der 5-km-Läufer ist nach 9:26
erreicht. Sollte mir doch eine 38er Zeit vergönnt sein? Zumindest signalisiert
der Körper, er könne in diesem Tempo weiterlaufen. Wird der Kopf ihn dazu
permanent antreiben können, so ganz allein hier am Rhein? (OK, OK, zum Reimen
bin ich auch nicht hier.)
Rettung naht von hinten. Schritte eines Konkurrenten werden
hörbar. Breche ich etwa ein? Gas geben! Das geht eine Weile gut. Dann zieht der
Mann gleichauf. Ich sträube mich. Er fällt zurück. Dann versucht er es noch
einmal. Und ich gebe mich geschlagen. Kurz darauf schnauft an uns beiden mit
beeindruckender Geräuschkulisse ein ergrauter, drahtiger Herr im blauen Vereinsdress
vorbei. Ist es sonst das angeblich schwache Geschlecht, das meinen Ehrgeiz
anstachelt, fühle ich mich heute vom Alter herausgefordert. Ich hänge mich dem
Grau-Blauen an die Fersen, und gemeinsam lassen wir Verfolger Nr. 1 zurück. Die
Wendemarke passieren wir nach 18:59. Meine Herren! Selbst wenn ich das Tempo
auf dem Rückweg nicht ganz halte, kann das noch eine Bestzeit werden!
Alles, was ich tun muss, ist an meinem Tempomacher
dranzubleiben. Der dreht sich immer wieder nach mir um. Ja, ich bin noch da!
Allerdings erfordert das meine ganze Konzentration. Kaum schweifen die Gedanken
etwas ab, schon wird der Abstand zum „Blaumann“ größer. Das kann ich nicht
zulassen!
Dann kommt mir der Junior fröhlich lächelnd entgegengejoggt.
Was ist los, ist der heute nicht im Wettkampfmodus? Er scheint für seine
Verhältnisse etwas spät dran zu sein. Offenbar hat er ohne km-Schilder kein
richtiges Tempogefühl und gibt erst auf der zweiten Hälfte Vollgas. Trotzdem
wird er seine Altersklasse gewinnen. Und das, obwohl er heute ausnahmsweise
Konkurrenz hat. Ein deutlich kleinerer Bursche läuft vor ihm ins Ziel, steht in
der Ergebnisliste jedoch in der MU18.
Nun, dann ist heute offenbar Vatertag. Der Gegenwind ist
nicht so stark wie befürchtet, auch wenn die erhoffte Flaute ausbleibt. Für eine willkommene Abkühlung sorgt der jetzt einsetzende Regen. Plötzlich
wird eine der führenden Läuferinnen sichtbar. Und sie kommt immer näher. Ihr
blaues Hemd weist sie als Team-Kollegin meines ergrauten Tempomachers aus. Doch
was ist los? Schwächelt er jetzt? Der Abstand zur Dame bleibt auf einmal konstant.
Tribüne im Start-/Zielbereich im Rheinpark Wesseling |
Zum dritten Mal in diesem Jahr habe ich eine Bestzeit über
10 km aufgestellt. Heute war ich 40 Sekunden schneller als noch im letzten Rennen. Bei aller Begeisterung und Freude wächst zugleich der Druck. Was
bedeutet das für die anzustrebende Marathonzeit Ende September?
Amüsanter Bericht! Der Pulsmesser wieder im Déjà-vu mit den weiblichen Konkurrentinnen, diesmal zudem mit der Seniorenliga, und das im topfebenen Wesseling. Aber wir sehen, der Kerl ist nicht zu bremsen, selbst mit selbstattestierter vorheriger Laufunlust rennt er noch neue PB'en heraus.
AntwortenLöschenNee, im Ernst, klasse! Freut mich, auch für den Junior!
Liebe Grüße
Elke
Tja, die Seniorenliga - der Gewinner der M60 war weit vor mir im Ziel.
LöschenÜber die PB bin ich selbst erstaunt, da ich seit Wochen kein Tempotraining mehr gemacht habe. Aber die langen, langsamen Supersauerstoffläufe machen angeblich ja schnell. Dann muss mich der 100er wohl so beschleunigt haben ;-)
Super gemacht!
AntwortenLöschenJetzt hast meine Zeit geknackt ;)
Danke Markus, das macht mich ja noch einmal so stolz! Dich lese ich nämlich immer als den "Jungen Schnellen" :-)
LöschenWow, sieht so aus, als hätte dir die Zeit der "Unlust" ganz gut getan :-)
AntwortenLöschenManchmal muss man halt auch einfach mal den Körper in Ruhe lassen.
Wahnsinns Zeit.
Gratuliere.
Ich finde es immer total lustig wie du über deine Rennen schreibst :-)
Liebe Grüße
Helge
Danke, Helge! Muss man sich für eventuelle Zwangspausen mal merken, dass Nichtstun leistungssteigernd wirkt!
LöschenWow, ich bin immer noch ganz außer Atem - und das nur vom Lesen!
AntwortenLöschenGratuliere zur neuen Bestzeit, das ist ja der Hammer.
Wo soll das denn noch hinführen?
Viele Grüße,
Thomas
Hallo Thomas, vielen Dank! Ich befürchte, früher oder später wird der Prozess in die Sättigung geraten.
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