Vier Tage liegt der Rheinsteig-Extremlauf erst zurück. Ich
fühle mich noch ziemlich zerschlagen und zaudere, ob ich beim Westerwaldlauf am
29.5.2014 starten soll. Immerhin sind auf den 50 Kilometern auch 1100
Höhenmeter zu überwinden. Doch dann stelle ich mir vor, beide Läufe zusammen wären
ein einziger Lauf über 84 Kilometer. Dadurch erscheint die dreitägige Pause
nach den ersten 34 Kilometern plötzlich als sehr komfortabel.
Schon bei der Anfahrt erahne ich die Schönheit des
Westerwaldes, als sich neben der Straße ein Blick ins Tal öffnet. Dort ragt ein
Wäldchen als Insel aus dem Morgennebel. Noch weiß ich nicht, dass ich diese
Aussicht in ein paar Stunden etwas länger und nebelfrei genießen darf, wenn ich
hier zu Fuß vorbei kommen werde.
Den heutigen Lauf will ich gemütlich als langen
Trainingslauf zurücklegen. Denn es gibt hier ohnehin keine offizielle
Zeitmessung. Die Ausschreibung spricht von einem „Funlauf, teilweise mit
Trail-Charakter“. Es geht also um nichts. Und da ich viel zu zeitig am Start im
Freibad Rengsdorf angekommen bin, tue ich etwas, das ich noch nie vor einem
Lauf wagte. Ich trinke Kaffee und esse dazu ein Stück Kuchen mit dicken
Butterstreuseln! Das ist nicht unbedingt die lehrbuchmäßige Wettkampf-Ernährung,
weder nach Herbert Steffny, noch nach Werner Sonntag. Zum Glück ist die Schlange
zum Sanitärbereich kurz.
10 Grad, Nebel, trocken |
Gemeinsam mit Antje, einer Bekanntschaft aus dem Mallorca-Trailcamp, laufe ich los und eröffne ihr, dass ich heute im 7er Schnitt unterwegs sein
möchte. Das sei ihr zu schnell, entgegnet sie und simuliert einen Anruf als Vorwand sich zurückfallen zu lassen. Wie sie es geschafft hat,
genau in dem Moment ihr Handy klingeln zu lassen, bleibt ihr Geheimnis.
Stau am ersten VP |
So ziehe ich allein weiter, gerate aber bei Kilometer Acht
in eine größere Gemeinschaft, die sich am dortigen Verpflegungs- und Kontrollstempel-Punkt
staut. Einen Stempel und ein Wasser später sehe ich mich dem ersten längeren
Anstieg gegenüber. Mancher geht hier bereits. Ich trotte hinauf und bleibe zum
Ausgleich oben für ein Foto stehen.
Mir fällt ein besonderes Gespann auf. Ein Hund begleitet
einen Läufer. Mit Herrchen gerate ich ins Gespräch. Er nimmt den Hund bei
Strecken bis 50 Kilometer mit. Das Training scheint sich bezahlt zu machen –
für Mensch und Tier. Wir dürften jetzt etwa einen knappen 6er Schnitt laufen.
Herrchen meint, dass er dieses Tempo bis 100 km halten könne. Ich zolle meinen Respekt
und lausche ehrfürchtig den Berichten von Läufen jenseits der 200-km-Marke. Wir
sind ziemlich lange gemeinsam unterwegs, obwohl ich eigentlich nicht so schnell
sein wollte. Aber irgendwie finde ich den Gedanken befremdlich, dass ein Hund vor
mir im Ziel sein könnte.
An einem längeren Hügel macht das Gespann eine Gehpause, und
ich bleibe im Laufschritt. Von nun an genieße ich die Landschaft wieder allein.
Steile, felsige Pfade gibt es hier genauso wie schmale Waldwege sowie
Forststraßen und Wiesenwege. Und es geht permanent hoch und wieder runter.
Anders sind 1100 Höhenmeter in einer Gegend mit eher kleineren Hügeln nicht
zusammenzubekommen. Mir gefällt die Wegführung hier sogar besser als am
Rennsteig, denn es eröffnen sich immer wieder Ausblicke. Und sogar beim Wald gibt
es Abwechslung. Im Bewuchs wechseln Eichen, Fichten und Buchen. Gelegentlich
plätschert irgendein Gewässer am Wegesrand. Und einen Hohlweg gibt es auch.
Irgendwann muss ich mir das mal merken: wenn ich entspannt
loslaufe, komme ich ohne Quälerei ins Ziel. Inzwischen bin ich bei Kilometer 39
und sehe kaum noch andere Läufer – und wenn, dann überhole ich sie. Ziemlich
genau vier Stunden sind jetzt vergangen. Die anfängliche 7er Pace hatte sich
über lange Zeit bei einer akkumulierten 6:30 eingependelt. Inzwischen bin ich
bei einer 6:15er Anzeige der Uhr angekommen. Mich packt plötzlich der Ehrgeiz.
Ich will versuchen, unter fünf Stunden zu bleiben.
Auf den bisherigen 39 km langen Supersauerstofflauf folgt
nun ein 11 Kilometer langer Endspurt im Marathonrenntempo – ein langer Lauf mit
Endbeschleunigung. Herr Greiff müsste seine Freude an mir haben. Ich jedenfalls
habe sie. Immer wieder hole ich Läufer ein, treffe auch auf Rucksäcke, die ich zuletzt im km-8-Stau vor der Nase hatte. Da ich nicht einfach wortlos vorbeihasten will, bemühe ich
mich um etwas Small-Talk. Als ich jedoch einen Läufer scheinbar aus seinem
Runner’s-High reiße, höre ich damit auf. An der letzten Verpflegungsstation nehme
ich nur noch den Stempel. Die Pace sinkt und sinkt. Jetzt drücke ich die
Zwischenzeiten, um die Zielzeit anhand der verbleibenden Kilometer ausrechnen
zu können. Es müsste klappen. Und es klappt! Hechelnd nehme ich die Zielgeraden. Es interessiert keinen. Da ist nur das Banner, sonst nichts. Keine
Zeitnehmer, keine Zuschauer, nur geparkte Autos.
Ich drücke nach 4:51:21 die Stopptaste, gehe rüber ins
Freibad und lasse mir die Zeit auf eine Urkunde schreiben. Dann investiere ich vier Euro in eine Medaille. Soviel Ruhm muss sein! Mit dieser
Trophäe um den Hals trete ich ausgesprochen zufrieden die Heimfahrt an.
Uii, schon wieder so ein toller Lauf. Du haust zur Zeit ja richtig rein.
AntwortenLöschenUnd wie schön, familiär und entspannt sich das alles bei dir anhört. Beneidenswert!
Das war wirklich ein entspannter Lauf. Obwohl viel länger, empfand ich ihn weniger anstrengend als den RHEX.
LöschenVielleicht sollte ich auch mal die Nummer mit Kaffee&Streuselkuchen vor dem Start ausprobieren...?
AntwortenLöschenGlückwunsch zu dem schönen Lauf!
Liebe Grüße
Elke
Danke, Elke. Nach dem Lauf war es an der Kuchentheke eng. Die Wanderer bekamen große, reservierte Paletten mit in Alufolie eingeschlagenem Kuchen. Also reservieren oder vorher zuschlagen ;-)
LöschenOh man, so viele KM und das 3 Tage nach anderen so vielen KM. Respekt!
AntwortenLöschenIch finde langsam loslaufen und später richtig Gas geben ist sehr viel effizienter als umgekehrt. Und du scheinst ja nun wirklich alles richtig gemacht zu haben.
Naja, und das mit dem Hund verstehe ich :-)))
Aber ich schätze mal der kam lange nach dir.
Liebe Grüße
Helge
Weiter vorn lief sogar noch ein anderer Hund! Von einem Huskie würde ich sowas ja erwarten, aber das waren ganz normale Hunde - quasi wie du und ich ;-)
LöschenIch esse den Streuselkuchen immer nach dem Lauf. Wahrscheinlich ist das mein "Problem" ? ;-)
AntwortenLöschenHerzlichen Glückwunsch auf jeden Fall zum Lauf. Ich finde die paar EUR für die Medaille hast Du sehr gut investiert.
Erhol Dich gut...
Viele Grüße, Claudi
Früher bin ich die langen Wettbewerbe sogar danach ausgesucht, ob es im Ziel auch eine Medaille gibt ;-)
LöschenMittlerwiele sind wieder ein paar Tage vergangen! Welchen Lauf hast du diesmal unter die Füße genommen? :-)
AntwortenLöschenJetzt haust du aber ganz schön was weg! Sei bitte vorsichtig!
Jetzt ist erstmal Tempotraining auf der Kurzstrecke angesagt, denn der b2run steht an.
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