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| Blick auf die ersten 580 Hm |
1000 Höhenmeter bringt mich der Linienbus hinauf in die Bergwelt Madeiras. Dann starte ich den schweißtreibenden Aufstieg zum Pico Grande. Doch noch bevor meine Augen die schroffe Gipfelwelt erblicken, erspähen sie etwas ungewöhnlich Buntes im Grün des Unterholzes. Bei näheres Betrachtung entpuppt sich das Objekt als eine der Markierungen, die für den Trailrun am nächsten Samstag angebracht werden: den Trail Camaro de Lobos. Da will ich mitmachen!
Die Web-Recherche ergibt drei mögliche Distanzen. Auf der längsten Strecke sind 1720 Hm zu absolvieren. Mit 39 km darf man sich hier bereits Ultra nennen. Dennoch ist das außerhalb meiner derzeitigen Fähigkeiten. Der "Trail Longo" entspricht ungefähr Halbmarathon mit 21,5 km und 1080 Hm. Da diese Tour in weiten Teilen identisch mit der bereits absolvierten Wanderung zum Pico Grande ist, entscheide ich mich für den Short Trail der mit 15 km und 940 Hm ausgeschrieben ist. Diese Strecke startet im Hafen des namensgebenden Fischerorts und führt nicht ganz so weit in die Berge hinauf, was beim angesagten Wetter von Vorteil scheint, da sich die Gipfel in Wolken hüllen.
Meine Entscheidung ist gefallen und der GPX-Track der Strecke auf die Uhr geladen. Da lasse ich mich auch nicht mehr davon abhalten, dass die Anmeldung zum Lauf schon seit Anfang November geschlossen ist. Ich starte einfach auf eigene Faust einen Tag vorm offiziellen Termin!
Der Bus Linie 1 spuckt mich an der Ortsgrenze aus, so dass ich noch einen Zusatz-Kilometer zum Hafen zu laufen habe. Ich habe nicht nur kein Startgeld bezahlt, nein, ich bekomme sogar eine Antrittsprämie - wie die Profis! Denn ich finde schon nach wenigen Schritten 20 € auf dem Fußweg. Seit zwei Tagen peitscht ein böiger Wind über die Insel. Der kann einem wohl einen Geldschein aus der Hand reißen. Ich gebe ihn allerdings nicht mehr her, wird mich die Rückfahrt mit dem Bus aus den Bergen doch satte 2,60 € kosten.
Im Hafen sehe ich die ersten 580 Hm vor mir aufragen. Die steilste Klippe Europas gilt es nun zu erklimmen. Oben hat man eine "Skywalk" genannte Kanzel mit Glasboden angebracht, von der man in die Tiefe unter den Füßen blicken kann. Das Touriprogramm lasse ich heute weg und biege mit komplett nassgeschwitztem Shirt in einen Tunnel ein. Im Dunklen laufe ich neben der Levada do Norte auf die andere Bergseite. Die Querung entpuppt sich als der reinste Windkanal, und mir ist ziemlich kalt, als ich wieder ins Licht trete. Inzwischen bin ich knapp unter der Wolkendecke angekommen. Es geht immer weiter hinauf. Riesige Pfützen und Schlamm kennzeichnen nach den starken Regenfällen der letzten Nächte, das was zuvor die Wege waren. Das Orgateam treffe ich mehrfach unterwegs. Sie bringen immer noch weitere Markierungen an. Noch nie bin ich auf so einer gut ausgewiesenen Wettkampfstrecke unterwegs gewesen. Die Schilder reflektieren sogar im Dunkeln! Die Männer feuern mich an und befreien mit Motorsägen und Macheten den Weg von umgefallenen Bäumen.
Der beginnende Nieselregen bringt mich endlich dazu, die Regenjacke über mein nasses Shirt zu ziehen, unter dem ich im immer stärker werdenen Wind langsam ausgekühlt bin. Kaum, dass ich den Reißverschluss hochgezogen habe, ergießt sich ein inseltypischer Schauer über mich. Der folgende Downhill ist ohnehin schon sehr technisch. Frisch bewässert erweist er sich als so rutschig, dass ich hier auch in meinen besten Zeiten nicht hätte laufen können. Heute taste ich mich unter Zuhilfenahme aller Extremitäten zu Tale und bin froh, mit meinem Geeier keine Wettkämpfer hinter mir aufzuhalten. Der Regen endet bald, doch die Jacke ziehe ich bis ins Ziel nicht mehr aus. In Estreito de Camara de Lobos scheint wieder die Sonne. Die Markierungen enden direkt an der Tür des Wettkampfbüros, die ich nach 2h30min erreiche.
Am nächsten Tag wird die offizielle Veranstaltung abgesagt, so dass ich 2025 wohl der einzige Finisher geblieben bin. Damit wird aus meiner Antrittsprämie sogar noch eine Siegprämie!

Herzlichen Glückwunsch zum Gesamtsieg! Die Antrittsprämie hat sich definitiv gelohnt, sowas sackt man nicht alle Tage ein :-) Weshalb wurde denn abgesagt, obwohl einen Tag vorher noch an der Strecke gebastelt wurde?
AntwortenLöschenAch Madeira. Ich liebe diese Insel! Bin dort schon viele Kilometer die Levadas entlang gelaufen. Anstrengend und jedesmal wunderschön.
Danke, Oliver;-)
LöschenDie Absage ging wohl nur per E-Mail an die Teilnehmer. Daher kann ich nur mutmaßen, dass es am Wetter lag. Sie scheinen dort sehr vorsichtig zu sein. Besonders da ein paar Tage vorher ein abgestürzter, polnischer Wanderer tot gefunden wurde, der seit einer Woche vermisst wurde.