Montag, 23. Juli 2018

Rund um Irgendwas VI

Mit der Raketengang zwischen Motodrom und Erdbeerkäse

Der heutige Gruppenlauf, dessen Name "Rund um Irgendwas" kaum Fragen offen lässt, soll den Teilnehmern die grüne Seite des Ruhrgebiets zu zeigen. Timo, gebürtiger Gelsenkirchener, führt uns auf ehemaligen Bahntrassen, die heute Rad- und Fußwege sind, durch seine Heimat.

Obwohl wir kurz nach 7 Uhr starten, wird es schnell heiß. Deshalb genießen wir den Schatten, den die jungen Bäume spenden, die aus dem Asphalt des ehemaligen Motodroms sprießen. Wo heute lediglich ein paar Leitplanken im Unterholz zu sehen sind, fanden in den 80er Jahren spektakuläre Autorennen satt. Jetzt rennen nur noch die Trailrunner über die Relikte der geteerten Piste.

Motodrom

Timo, hauptberuflich Straßenbau-Experte, klärt uns gleich auf. Teer sei krebserregend und daher beim Anlegen neuer Fahrbahnen verboten. (Anm. d. Verf.: In Zigaretten ist das Zeug immer noch drin.) Heute benutze man Asphalt, der mit Bitumen abgebunden werde. Und auf diesem Untergrund sind wir heute vorwiegend unterwegs, obwohl die eine oder andere Halde auch mit ein paar Trails aufwartet.

Auf der Halde Hoheward
Kaum haben wir eine solche Halde erklommen, wird am Horizont ein Fernsehturm sichtbar. Auch dazu meldet sich ein Experte aus der Läuferschar zu Wort. Die richtige Bezeichnung laute "Fernmeldeturm". Laufen bildet! Meine Wissenslücken in Sachen Frauentausch solle ich schließen, indem ich nach dem Stichwort "Erdbeerkäse" googlen möge.

Es gibt noch mehr Spezialisten im Trupp. Als wir ein Grafitto passieren, das eine weibliche Figur ohne Kopf und mit vier Brüsten zeigt, ist von der "idealen Frau" die Rede.

Die ideale Frau?

Wir folgen der "Route Industriekultur", sehen Kanäle, entstehende Yachthäfen, ehemalige Zechen und Halden. Die Tour lebt von den Gegensätzen. Das wird besonders deutlich, als wir rechts braune Kühe unter alten Eichen weiden sehen und an eine Almwiese denken müssen, während sich linker Hand eine Mülldeponie in den Himmel reckt.

Auch die legendäre Emscher fehlt nicht im Programm. Der Fluß, der jahrelang als Abwasserkanal des Ruhrgebiets herhalten musste, ist trotz aller Renaturierungsbemühungen nach wie vor nicht ganz geruchsneutral.

Entlang der Emscher

Auf Zeche Ewald ergibt sich ein ungeplanter, zusätzlicher Versorgungspunkt. Für irgendein Event werden gerade Foodtrucks und Bierpilze aufgebaut. Nach einem eiskalten alkoholfreien Bier fühle ich mich wie neugeboren. Mittlerweile dürften dreißig Grad im Schatten herrschen. Jedenfalls schwitze ich trotz des moderaten Tempos um die 7 min/km ungewöhnlich stark.

Kanalquerung
Normalerweise verstummen in den hohen Dreißigern die Gespräche. Nicht so in dieser Runde aus erfahrenen Ultras. Die meisten haben bereits eine der TorTour-de-Ruhr-Distanzen absolviert und schmücken sich mit dem entsprechenden Shirt. Die Raketengang, die heute freundlicherweise meinen Shuttle-Transfer sicherstellt, will beim nächsten Mal dabei sein. Um die Motivation der Raketen nicht zu gefährden, ergeht die Aufforderung, auf heldenhafte Leidensgeschichten zur verzichten, und nur noch die schönen Seiten des Laufs an der Ruhr zu schildern.

Jahrhunderthalle Bochum
Die "Industriekultur" genannte Szenerie, die uns umgibt, stimmt nachdenklich. Gerade einmal gute 100 Jahre ist es her, dass ein grünes Feuchtgebiet in ein riesiges Industrie-Areal  gewandelt wurde. Und von den Bauten wird bereits heute nichts mehr benötigt. Die Hinterlassenschaften wurden zu Kultureinrichtungen oder Landschaftsparks umgewidmet, während die Industrie in andere Regionen der Welt abgewandert ist. Ob man sich dort bewusst ist, wie kurzlebig der Aufschwung sein wird?

Das Raketen-Shuttle steht am VP3 bereit. Dort bietet Shell eisgekühlte Getränke feil, die den Raketen und mir nach 50 km und 7 Stunden als Zielverpflegung dienen. Der Rest-Trupp will noch weitere 18 km und eine zusätzliche Halde bewältigen. Mit diesem ersten längeren Lauf nach der TorTour kann ich bei der aktuellen Witterung mein heutiges Trabe-Bedürfnis durchaus als gestillt betrachten.

11 Kommentare:

  1. Das Erlaufen des Motodroms wäre ja was für mich. Aber nicht bei 30° und nachher noch 50 km mehr.... ;-) Aber was so rechte Ultras sind, die reizt das nur noch mehr und nebenher lernen sie auch noch Erdbeerkäse! Ja, solche Erkundungsläufe sind doch sehr reizvoll. Und zeigt an Eurem Lauf ja wirklich die Vergänglichkeit der Dinge.
    Schöne Tour, ohne Tor davor.
    Liebe Grüße
    Elke

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    1. Ja, beim Motodrom habe ich an euch gedacht.
      Viele Grüße!

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  2. Da sage mal einer noch, Laufen bildet nicht. Da kann man völlig unwissend an den Start gehen und nachher kennt man sogar die Highlights und Stars des Fernsehens.
    Und Bewegung an der frischen Luft hattest du auch noch.
    Ich denke das ist ne glatte 10 auf der Skala.
    Auf welcher auch immer :-))))
    Liebe Grüße
    Helge

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    1. Es gibt ja tatsächlich Überlegungen, Schulkinder nicht mehr im Stillsitzen zu unterrichten, sondern während sie sich bewegen. Ich habe das bewegte Lernen schon mal geübt. Es klappt!

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  3. Tapfer, tapfer - bei den Temperaturen !!
    Was ist schon die ideale Frau ? Weißt du die Antwort ? Bin gespannt !

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    1. Meine Tochter fand das vorgeschlagene Modell jedenfalls nicht ideal, weil Männer ja keine 4 Hände hätten!

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    2. .............eigentlich galt dir diese Frage...............

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    3. Aber ich bin doch geschickt ausgewichen, oder?

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    4. ...........und bleibst dabei...........Männer, sag ich nur !

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  4. Das Ruhrgebiet hat schon einiges an Kontrasten zu bieten, eigentlich alles zwischen Apokalypse und Idylle, teilweise auf engem Raum. Das dann auch noch bei 30°C mit einer Schar Spezialisten zu erforschen, das klingt charmant ... andere drehen einen Film über sowas :-)

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    1. Auf jeden Fall hatte es deutlich mehr Erlebnischarakter, als ein einsamer Waldlauf!

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