Dienstag, 6. Juni 2017

Mönchengladbach Marathon 2017

Laufen bildet. In Mönchengladbach lerne ich am Pfingstsamstag beim Santander-Marathon, dass der Name des Sponsors nicht auf dem zweiten A, sondern auf dem letzten E betont wird. Der Kopf verlangt an diesem heißen Nachmittag jedoch nach ganz anderem Input: "Wasser!"

An einem schwülheißen Frühsommer-Wochenende erscheint eine nachmittägliche Startzeit von 16:30 Uhr wenig geschickt gewählt. Nicht nur, weil sich bis dahin die Tagestemperaturen auf ihr Maximum gesteigert haben, sondern vor allem, weil die Gewittergefahr im Tagesverlauf zunimmt. So musste die Lauf-Premiere im letzten Jahr wegen eines Unwetters abgesagt werden. Und auch heute sind Gewitter, Starkregen und Hagel gemeldet. Aus meiner Sicht ist es einfach Glück, dass die Stadt diesmal nicht betroffen ist.

Ursprünglich wollte ich mir ein hagelsicheres Parkhaus suchen. Im Anreise-Stau reduziere ich meine Ansprüche auf das Erreichen des offiziellen Parkplatzes. Mein Navi will geradeaus, wo die Streckensperrung nur rechts oder links erlaubt. Die Ordner wissen nichts von einem Parkplatz für die Teilnehmer. Die Uhr tickt. Als ich eine Lücke am Straßenrand entdecke, entledige ich mich des mittlerweile lästig gewordenen Gefährts und finde mich mitten im Rotlichtviertel wieder. Schnellen Schrittes und etwas besorgt bringe ich die zwei Kilometer zum Start hinter mich.

Schaufenster-Deko am Parkplatz


Die Kleiderbeutel-Abgabe in Mönchengladbach überrascht. Ein winziges Zettelchen im Eintrittskartenformat des letzten Jahrhunderts (die zum Abreißen von einer Rolle, falls sich noch jemand erinnert), handbeschriftet mit einer Zahl (nicht der Startnummer!), wird vom Personal liebevoll mit einer Sicherheitsnadel an den Kleidersack geheftet. Anschließend landet der Sack auf dem großen, ungeordneten Haufen der anderen Kleiderbeutel. Daraufhin erhalte ich ein Duplikat der Eintrittskarte. Wohin nun mit diesem Papierschnipsel? Wird er unterwegs durchweichen? Oder wird die Schrift verlaufen? Warum hat man überhaupt die Kleiderbeutel-Abgabe neu erfunden? Na, ich bin schon auf das Mönchengladbacher Rad gespannt!

Trubel vorm Start

Noch rechtzeitig, aber mittlerweile ein wenig "negativ vorgespannt" brate ich bei 28 Grad im Startblock in der prallen Sonne, wo sich der 4-Stunden-Hase vor dem für 3:30 eingereiht hat. "Vier Runden durch Mönchengladbach. Der Marathon, den niemand braucht", entwerfe ich bereits die ersten Zeilen eines Blogeintrags, ganz im Stile eines frühen Stuckrad-Barre. Das Pulsmesser - der unfehlbare Marathonkritiker, vor dem die Laufveranstalter zittern!

Der erlösende Startschuss und das folgende meditative Tapp-Tapp der Schritte lassen mein Mütchen langsam abkühlen. Oder ist es das Wasser, das ich mir an den VP's über den Kopf schütte? 50000 Liter hält der Veranstalter davon bereit. Bei 1600 Halbmarathonis und 600 Marathonläufern bleiben, grob überschlagen, fast 25 Liter für jeden. Das sollte reichen.

Die gute Laune setzt sich endgültig durch, als Dennis zu mir aufschließt. Kennengelernt hatten wir uns im vorigen Jahr auf der Strecke des Düsseldorf Marathons. Und auch heute plaudern wir uns durch die Stadt. Dennis punktet mit der Anekdote von einem 10-km-Wettkampf, bei dem er dicht hinter dem Drittplatzierten läuft und diesen immer wieder angreift. Jedes Mal kann der Attackierte den Zwischenspurt parieren und seinen Verfolger in die Schranken weisen. Erst im Endspurt setzt sich Dennis durch und wird im Ziel von der wütenden Ehefrau des nun Viertplatzierten mit den Worten empfangen: "Sich die ganze Zeit ziehen lassen und dann kurz vor Schluss überholen! Das kannst du mit meinem Mann nicht machen. Der ist IronMan!"

Nachzielbereich

Das I-Tüpfelchen setzt diesem Lauf das Publikum auf. Für die Zuschauer wird durch das viermalige Vorbeirennen einiges zum Gucken geboten. Und sie revanchieren sich mit echter Anteilnahme, die ganz persönlich gemeint ist, da man vereinzelt defiliert, anstatt inmitten der anonymen Läufermasse eines großen Straßenmarathons. Da sind die Mädels, die auf jeder Runde für uns "La Ola" initiieren. Oder die ältere Dame, die barfuß auf der Straße tanzt und dabei einen bunten Wimpel schwenkt. Eine andere Frau verteilt feuchte Reinigungstücher. Als sie ihr ausgehen, stellt sie auf Wischlappen um. Nicht nur Kinder lassen sich abklatschen, auch der Rollstuhlfahrer mit den Atemschläuchen in der Nase ist begeistert bei der Sache. Überall sind Gartenduschen und Rasensprenger aufgebaut. Alternativ wird aus Spritzpistolen kühlendes Nass versprüht.

Erst als dieses kühlende Nass in Form eines kräftigen Schauers von oben kommt, ändert sich in der dritten Runde recht plötzlich der Charakter der Veranstaltung. Das Publikum verschwindet. Wolken verdecken die Sonne. Es weht bei 20 Grad ein leichter Wind. Und dann überholt uns auch noch der 3:30-Hase!

Der Gewinner der AK M80 im Halbmarathon

Das kann ich nicht zulassen, wähnte ich uns doch die ganze Zeit auf 3:30-Kurs. Den hatte ich allerdings nur anhand der GPS-Pace bestimmt. Dennis sieht es nicht ganz so eng und schickt mich allein dem Hasen hinterher. Gerade als ich nach einem kurzen Zwischensprint den BuZler und seinen einzigen Mitläufer einhole, schnallt der Pacer sein mächtiges Tragestell mit der Zeitfahne vom Rücken und geht erstmal aufs Klo.

Ich renne also allein weiter. Diese endbeschleunigte, letzte Runde tut erstaunlich weh. Abends über heißen Asphalt zu rennen ist wohl nicht ganz meine Lieblingsdisziplin. Nach 3:28:19 habe ich es zu Ende gebracht und nehme die Medaille nebst einem Stoffbeutel mit zwei Äpfeln und einem halben Liter Wasser in Empfang.

Und auch meinen Kleiderbeutel bekomme ich wieder. Ich hatte zu Hause vorsorglich meine Startnummer mit Edding draufgeschrieben.

8 Kommentare:

  1. Das Pulsmesser macht einen Abstecher zu einem Stadtmarathon! Und scheint auch Spaß dabei gehabt zu haben. Mönchengladbach hätte mich auch interessiert, wären wir im Lande gewesen. Nachdem sie ja letztes Jahr von Wind und Wetter verweht wurden, scheint ja nun die verschobene Premiere geglückt, und organisatorische Luft nach oben gibts auch. Schön auch, dass das Publikum mitging. Glückwunsch zum Finish bei der Hitze und zum Überleben im Rotlichtdschungel!
    Liebe Grüße
    Elke

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    1. Ja, das Publikum hat es rausgerissen! Und mein Auto war nach dem Lauf auch noch da. Danke, Elke!

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  2. Die Frage ist doch wieviele Frauen dich nach dem Marathon noch auf dem Weg zum auto noch angesprochen haben?! :D
    Wieder mal wirklich gut gemacht und scheinbar fast entspannt das Ding durchgebracht

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    1. Ich bin gänzlich unbehelligt geblieben. Wahrscheinlich war mir die Erschöpfung anzusehen :-D
      Danke, Markus!

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  3. Haste denn das "Mönchengladbacher Rad" noch kennen gelernt?
    Das Beschriften des Startbeutels mit Startnummer war wahrscheinlich nicht das Dümmste was du gemacht hast :-))))
    Glückwunsch zum "heißen" Finish und zur unbehelligten Rückkehr zum Auto. ;-)
    Liebe Grüße
    Helge

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    1. Vielen Dank, Helge!
      Das erinnert mich an einen lustigen Film. Dort sollte in der Frühzeit das Rad erfunden werden. Heraus kam ein viereckiger Rahmen, der in so einer Art Fahrrad verbaut wurde. Später kam dann einer auf die Idee, das Ding in die Hauswand einzusetzen mit den Worten: "Wir nennen es 'Fenster'!"

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  4. Na, die Schaufensterdekorationsdame wäre mit einem Startnummernband beinahe züchtig angezogen. :-)

    Ciao,
    Harald

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