Montag, 11. Dezember 2017

Siebengebirgsmarathon – 7G 2017

Der Siebengebirgsmarathon ist erwachsen geworden. Er wird heute zum 18. Mal ausgetragen. Auch ich feiere ein kleines Jubiläum, es ist meine fünfte Teilnahme in Folge.

Kurze Hosen, bare Köpfe und unbedeckte Hände sind im Starterfeld zu sehen. Nicht jeder scheint einen Blick in die Wettervorhersage geworfen zu haben, die einen Schneesturm während des Laufs prognostiziert. Ich habe mich entsprechend warm angezogen und verfluche mich auf den ersten acht Kilometern dafür, weil ich so stark schwitze. Dann fängt es endlich an zu schneien.

Die Halbmarathon-Medaillen harren der Finisher

Winzige Eiskristalle treibt der Wind waagerecht durch den Wald und injiziert sie in meine Wangen. Ich beneide die Starter, die sich eine Sportbrille aufgesetzt haben. Denn ich kann meine Augen nur durch Blinzeln gegen die harten Körner schützen. Dabei frieren dummerweise immer wieder die Wimpern zusammen.

Das Wetter entspricht in etwa dem "Stirb langsam 2"-Szenario, in dem kurz vor Weihnachten der Flughafen wegen eines Blizzards geschlossen wird und alle Reisenden festsitzen. Ich erwarte, dass jeden Moment Bruce Willis im blutigen, zerrissenen Unterhemd auftaucht. Was ich nicht ahne: der Düsseldorfer Flughafen schließt tatsächlich gerade.

Morgendliche Temperaturanzeige am Bürgerhaus
Ich bin froh, dass die Halbmarathonis schon eine Stunde vor uns gestartet und somit längst im Warmen sind. Scheinbar konnte ich nämlich die Trailbegeisterung an den Nachwuchs übertragen. In seinem Umfeld gibt es Anerkennung für schnelle Zeiten, die auf flachem, meist asphaltiertem Untergrund erzeugt werden. Trotzdem begleitete er mich heute ins verschneite Siebengebirge, um sich der anspruchsvollen Halbmarathon-Strecke zu stellen.

Inzwischen sind die Kilometer-Schilder nicht mehr lesbar, weil sie vom Schnee zugeweht wurden. Aber ich habe jetzt die erste Hälfte und damit mein mentales Loch hinter mir. Wie schon bei den Läufen in den letzten Tagen, fragte ich mich, wann ich endlich aufhören darf. Irgendeine seltsame, allgemeine Unlust hatte sich meiner bemächtigt. Doch nun, im zweiten Teil, bin ich "über den Berg". Die morgendlichen Worte des Moderators hallen in meinem Kopf nach: "Aufgegeben wird bei der Post!"

Auf dem vereisten Weg zum Start
Die Läufer vor mir verschwinden hinter der Wand aus Schnee, die der Wind seitlich über den Weg peitscht. Um die hagelgepeinigten Wangen etwas zu entlasten, ziehe ich mir die Kapuze der "Montane Minimus"-Jacke über den Kopf, so dass nur noch Nase und Augen den Elementen ausgesetzt sind. Dieses Ausrüstungsstück wird in Trailrunner-Kreisen oft hoch gelobt. Ich bin eigentlich nicht so zufrieden mit der Jacke, da ihre Wasserdichtigkeit in meinen Augen unzureichend ist. Aber heute ist sie jeden einzelnen Cent ihres Kaufpreises wert!

Die Helfer an den Verpflegungspunkten sind die eigentlichen Helden des Tages. Sie stehen völlig ungeschützt im Schneetreiben. Immer wenn ich mir auf ihren Tischen ein paar gefrorene Bananenstücke aus dem Schnee grabe, muss ich voller Mitleid an Elke denken, die sich angeboten hat, eine Labestelle bei meinem BaTalU am 6.Januar zu betreuen.

Läufer suchen Windschutz vorm Start
Die Inuit wüssten jetzt das passende ihrer 50 Wörter für Schnee anzuwenden. Aus den kristallinen Eisinjektionen sind große, weiche Flocken geworden. Dadurch wächst die Schneeschicht am Boden schneller als bisher. Die offenbar gestiegene Temperatur kommt aber nicht bei meinen Händen an. Mittlerweile sind die Fingerspitzen meiner Handschuhe hartgefroren und eisverkrustet. Kein Wunder, dass es sich drinnen nicht viel wärmer anfühlt. Der Handschuh, in dem ich warme Finger behalte, wurde noch nicht erfunden. Aber jetzt ist es nicht mehr weit.

Kurz vorm endgültigen Verlassen des Waldes überhole ich die dritte Frau, die letztens beim Platinman gewann und ein paar Minuten vor mir durchs Ziel lief. Auch sie trägt unzureichende Handschuhe und bläst sich immer wieder in die Hände.

Armkreisen (links) und Hüpfen am Ort (rechts)
Ganz anders "Mr. Tambourinman". Ich war mir nicht sicher, ob er auch unter diesen unwirtlichen Bedingungen am letzten Anstieg aufspielen würde. Man hört ihn eher, als man ihn im Schneetreiben erkennen kann. Fröhlich trommelt und pfeift er wie jedes Jahr. Unglaublich, dieses Helfer-Team!

Am Start wurde ich gefragt, wie schnell ich laufen wolle. Ich hatte "3:45 bis 4 Stunden" geantwortet. Ein Code, der in Läuferkreisen für "unter 3:45" steht, einen im Zweifelsfall aber das Gesicht wahren lässt. Die Uhr offenbart, dass ein ordentlicher Endspurt über die letzten Kilometer die herausposaunte Zeitvorgabe retten kann. Ich gebe Gas - und bewirke gar nichts. Die Rädern drehen einfach durch. Im nun urbanen Umfeld läuft es sich schlechter als im Wald. Unter dem frischen Schnee verbirgt sich die Glätte einer festgefahrenen Schneedecke. Der Endspurt muss ausfallen.

Nach 3:46:20 umfängt mich die Wärme der gut geheizten Zielhalle. "Yippiejayeah Schweinebacke!"





8 Kommentare:

  1. Mein Heimatland, das waren ja wirklich Bedingungen! Bruce Willis schließt den Düsseldorfer Flughafen, doch unbeirrbar arbeiten sich die Harten für den Garten durch die 50 Wörter für den Schnee, Hagelpeeling für die Gesichtshaut inklusive!
    Herzliche Glückwünsche zum Finish für Vater und Sohn!
    Was wurde aus denen, die blanke Haut zeigten?
    Am 6. Januar wird es sonnig und im Plusgradebereich :-)
    Liebe Grüße
    Elke

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    1. Danke, Elke, für die Glückwünsche und die Wettergarantie!

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  2. Yippiejayeah Schweinebacke!
    Für den blutverschmierten Bruce Willis im zerrissenen Unterhemd würde ich sogar bei diesen Bedingungen einen Marathon laufen im verschneiten Wald :-)))
    Aber der war ja zum Glück am Düsseldorfer Flughafen beschäftigt.
    Du bist ganz schön verrückt. Und ganz sicher kein Weichei. Und dabei auch noch schnell. Respekt!
    Komischerweise friere ich nie an den Händen. Egal welche Temperaturen draußen. Ich laufe immer in den dünnen Baumwollhandschuhen, in denen ich auch im Sommer laufe (ich trage die eigentlich nur um das Taschentuch zu sparen)
    Herzlichen Glückwunsch :-)
    Liebe Grüße
    Helge

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    1. Danke, Helge, ich empfehle den Kutscherpfiff! (https://www.mundmische.de/bedeutung/21845-Kutscherpfiff)

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  3. Ich hoffe du hast im Ziel am Buffet dann alle kaltgemacht ;)
    Gut gemeistert haste dieses Harte Stück Marathon wieder einmal.

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    1. Blutige Unterhemden sieht man im Marathonziel ja tatsächlich manchmal!

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  4. Herzliche Grüße und weiterhin viel Erfolg�� Liebe Geusse Julia

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