Donnerstag, 12. Mai 2016

Glück im Unglück

Mein Arsch ist im Arsch. Die Handballen sind taub, der Nacken steif. Länger als drei Stunden halte ich es einfach noch nicht auf einem Fahrradsattel aus. Doch warum fährt der Kerl plötzlich exzessiv Rad?

Schmerzen im Schienbein


Seit einem harten Intervall-Training Mitte April muckert das rechte Schienbein. Und der Düsseldorf-Marathon ein paar Tage später hat die Situation nicht unbedingt verbessert. Nachdem das Internet leer gegoogelt war, hatte ich meinen Orthopäden-Titel in der Tasche (Dr. med. Rasen) und stellte meine Diagnose: Sehnenscheidenentzündung - offenbar eine Überlastungserscheinung.

Die Symptome passten recht eindeutig zu den Beschreibungen in der Literatur:
  • Schwellung
  • Erwärmung
  • Schmerz, besonders beim Hochziehen der Zehen
  • "Schneeballknirschen" (man fühlt ein Knarzen in der Sehne, wenn man die Hand auflegt)
Die im Web prognostizierten Aussichten sind recht Furcht einflößend. Der Schmerz würde immer stärker, bis man letztendlich nicht einmal mehr gehen könne. Sei das Ganze erst chronisch geworden, dauere die Heilung besonders lang. Noch schlimmer, jeder erneute Lauf würde dann den Schmerz wieder hervorrufen. Und Schneeballknirschen sei bereits das Zeichen einer chronischen Entzündung. Angst!

Als Therapie verordnete ich mir daher:
  • Laufpause
  • Kühlen
  • Voltaren-Salbe 
  • Voltaren 25 -Tabletten als Entzündungshemmer
Laufpause - immerhin an der Ruhr

Die abgeschwächte Version der Voltaren-Tabletten ist rezeptfrei erhältlich. Eine Erhöhung der Dosis sollte das stärkere Präparat meiner Meinung nach emulieren können. Mehr als drei Stück am Tag erlaubt der Beipackzettel eigentlich nicht. Der Apotheker schien aber erfahren im Umgang mit entzündungsgeplagten Sportlern: "Nehm' Se nicht mehr als sechs ...".

Bangen und Hoffen


Es folgten Tage voller Zweifel. Nachts war es auch nicht besser. Mit der eisigen Kompresse am Bein und dauerndem Für und Wider im Kopf lag ich wach. Kurz gesagt, war da einerseits die Hoffnung auf eine rechtzeitige Genesung bis zur TorTour de Ruhr. Dem gegenüber stand die Sorge, ob es vernünftig wäre, ein (hoffentlich) gerade von Überlastung genesenes Körperteil als erste Maßnahme 24 Stunden lang zu schinden?

Und wie sollte ich mich überhaupt fit halten? So kam das eingangs erwähnte Alternativtraining auf dem Fahrrad zustande. Dass ich sogar im Schwimmbad war, zeigt wahrscheinlich das ganze Maß meiner Verzweiflung!

Die Entscheidung

 

Fünf Tage vor der TorTour schien es mir Zeit für eine Entscheidung zu sein, um einem Kandidaten von der Warteliste noch eine Chance auf Teilnahme zu geben.

Die Laufpause hatte mir drastisch vor Augen geführt, welch wichtiger Eckpfeiler meines Lebens plötzlich weggebrochen war. Genau diesen Eckpfeiler wollte ich dauerhaft sanieren, um ihn langfristig bis ins hohe Alter zu erhalten. In diesem historischen Lichte betrachtet, erschien ein einzelner abgesagter Lauf als relativ überschaubares Übel. Während eine Teilnahme das Risiko einer irreparablen Schädigung des Eckpfeilers oder besonders langer Reparaturmaßnahmen bedeuten könnte.

Den letzten Tropfen, den es noch brauchte, um mein Entscheidungsfass überlaufen zu lassen, lieferte ausgerechnet der Veranstalter selbst mit seinem finalen Newsletter. Darin wurde noch einmal darauf aufmerksam gemacht, dass es sich um einen reinen Selbstversorgerlauf handelt, den es mithilfe der eigenen Crew zu bewältigen gilt. Da der Radweg immer beschildert ist, und meine Einmann-Crew mir ihre ewige Gefolgschaft gelobt habt, könnte ich den Lauf - so redete ich mir ein - jederzeit privat nachholen.

Obwohl meine Therapie schon deutliche Erfolge zeigte, wuchs ich über mich hinaus und tat, was vernünftig schien. Ich sagte meine TorTour-Teilnahme ab.

(Rad-)Weg ins Glück


Offenbar fand mein tapferer Entschluss die Aufmerksamkeit einer höheren Macht. Als ich wieder wacker in die Alternativtrainings-Pedale trat, hatte man mir etwas in den Weg gelegt. Nein, diesmal keine Steine. Es war ein 20-Euro-Schein!

Schnöder Mammon oder Wink des Schicksals?


Ein Wink des Schicksals! Die Bestätigung meiner Entscheidung! Der Beginn einer neuen Glückssträhne! Ja, ja, so will ich es interpretieren!

Da wird mein Hintern wohl noch eine Weile zu leiden haben, wenn ich jetzt weiter brav meine Radrunden drehe.


13 Kommentare:

  1. oh je, so kurz vor dem geplanten Großereignis noch absagen zu müssen ist schon hart. Aber ich denke es war die absolut einzig vernünftige Option.
    Nichts anderes als richtig auskurieren macht hier Sinn.
    Wenn du fertig auskuriert hast, kannste Triathlon machen. Jetzt wo du eh schon mal schwimmst und radelst ... :-)))
    Ich wünsche dir gute Besserung und bald das nächste große Ziel

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    1. Danke Helge! Ich bin froh, dass ich aus diesem Gedankenkarrussell (was ist richtig, was ist falsch?) endlich raus bin.
      Für's Schwimmen muss ich mir erstmal Ohrstöpsel besorgen. Schaufele beim Crowl mit den Lauschern Wasser, so dass ich meinen Versuch wegen Ohrenschmerzen abbrechen musste.

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  2. Das war sicher eine harte Entscheidung. So lange darauf hingearbeitet, geschindet, gefreut. Aber dennoch. Die Zeichen waren doch sehr deutlich. Zu deutlich, um sie zu ignorieren. Und genau deswegen: Richtig gemacht! Du könntest starten, und Dich in den Orkus laufen. Oder Vernunft walten lassen, diesmal nicht teilnehmen. Und dann regenerieren, und mit Augenmaß neu ansetzen.
    Du hast weise entschieden! Ich musste ja kürzlich ähnliches erleben. Manchmal gehts nicht anders, man kann es nicht erzwingen. Also daher: Zur nächsten TdT wird das Pulsmesser frisch dabei sein!
    Liebe Grüße, gute Besserung!
    Elke

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    1. Elke, vielen Dank! Ja, ist einfach Pech, aber langfristig gesehen kein Drama.

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  3. Wie schade! Aber sehr vernünftig. Ich kann als zusätzliche Behandlungshilfe Retterspitz zur äußerlichen Anwendung empfehlen. Als Verband.
    Radfahren ist eine schöne alternative und ich stimme Helge zu, Du solltest dann unbedingt über Triathlon nachdenken. Brustschwimmen geht auch, da können die Ohren trocken bleiben. ;-)
    Gute Genesung!
    Claudi

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    1. Danke für den Tipp, Claudi! Diesen Retter werde ich googeln!

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  4. Hallo,
    eine sehr vernünftige Entscheidung, wenn es auch sehr schade ist. Aber es gibt ja noch 2017 und 2018 und...
    Übrigens sind die Google-Patienten meine allerliebsten Patienten... ;-). Allerdings kann ich es machnal auch verstehen. Frag 5 Ärzte und du bekommst 5 verschiedene Ansichten.
    Schwimmen mit Ohrenstöpseln funktioniert sehr gut. Dann steht ja einem Triathlon nichts mehr im Weg, hihi.
    Liebe Grüße und gute Besserung
    Karina

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    1. Ich kenne jetzt deine Fachrichtung nicht, aber kennst du diesen Witz, wo sich verschiedene Ärzte treffen? Ein sehr guter Internist, ein sehr guter Chirurg, und auch ein sehr guter Orthopäde. Den Rest habe ich vergessen. Aber die Pointe lautete:"Es gibt keinen sehr guten Orthopäden!"

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  5. Schade, dass die TTdR für dich dieses Jahr den selben Ort bewohnt, den dein Podex akut hat: im Ar...
    Wobei derselbe sich rekursiv selbst aufsucht. Aber das gibt sich bestimmt schnell wieder.
    Tröstet dich, dass ich auch ein sportliches Highlight verschieben musste?

    Gute Verbesserung!

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    1. Die Sache mit der Rekursion ist beängstigend. Sollte man besser nicht in sich gehen?

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  6. Echt schade. Hätte jetzt gerne deinen Bericht gelesen. Aber sowas geht eben nur bei bester Gesundheit. Aber bin mir sicher das du den Weg irgendwann laufen wirst

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    1. Alles wird gut! Notfalls tun es auch kürzere Strecken ;-)

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    2. Kürzer sind dann bei dir wohl 80 Kilometer, oder? :D

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