Mittwoch, 7. Mai 2025

Beim Spreewaldmarathon rumgegurkt

Heute geht es mal nicht um die Wurscht, sondern um die Gurke! Das Hauptziel ist der Erwerb der speziellen Medaille in Gurkenform, die beim Spreewaldmarathon in verschiedenen Farben angeboten wird. Gold gibt es für den Marathon. Wir wollen uns Silber verdienen beim Halben.

Wir, das sind das Pulsmesserchen und ich. Pulsmesser Junior hat seine Gurke schon, sogar die goldene. Außerdem erwarb er als AK-Sieger beim Marathon noch einen Gurkenpokal. Auf solche Ehren brauchen wir nicht zu spekulieren, denn auf den anderen Distanzen werden die Altersklassen nicht geehrt. Trotzdem gehen wir motiviert zu Werke. Das Pulsmesserchen stürmt über den Fußweg von hinnen und ward nicht mehr gesehen.

Auch ich versuche der völlig überfüllten Strecke über den Fußweg zu entkommen. Marathon, der Halbe, der 10er sowie Walker werden alle gleichzeitig gestartet. Der Aufstellbereich ist dafür aber viel zu klein, so dass das Feld noch in die Seitengassen quillt. Entsprechend wild geht es auf dem ersten Kilometer zu.

Ich versuche der Enge die positiven Seiten abzugewinnen und genieße das Laufen in einem großen Marathonfeld. Es ist  ja ein paar Jahre her, dass ich das zuletzt erleben durfte! Meine bescheidenen Zeitziele dürften dadurch kaum gefährdet sein, jetzt, wo ich zu den Langsameren gehöre. Garmin hatte mir eine Zielzeit von 1:43 prognostiziert. Die liegt etwa in der Mitte meines selbstgesteckten Zielbandes. Mit einer 5er Pace läge ich knapp über 1:45. Und mit 4:50er Pace käme ich bei 1:41:30 raus. Eine sub 1:45 soll es also heute für mich auf jeden Fall werden.

Nach 6 km verlassen wir die Straße und biegen in einen Fahrweg ein, wo wir auf die Run&Bike-Starter auflaufen, so dass es wieder eng zu geht. Ausgerechnet hier werde ich von einer kleinen Dame im pinken Dress überholt, deren armwerfender Laufstil als Symbol für die Ellenbogengesellschaft herhalten könnte. Ich mache mir ernsthaft Sorgen um die Unversehrtheit meiner Leistengegend. Da sie nur unwesentlich schneller läuft, bin ich länger in der Gefahrenzone, als ich aushalte. Der einzige Ausweg: Flucht nach vorn. Das hilft zunächst. Später findet sie ihren Weg an mir vorbei, ohne dass ich nochmal in ihren Schwenkbereich gerate. Aber mein Zorn ist entfacht und will in positive Energie zum Vortrieb umgewandelt werden!

Das scheint zu funktionieren, denn ein Blick auf die 7-km-Zwischenzeit ergibt gute 33 min. Grob hochgerechnet wäre das eine 1:39er Zeit! Derlei Phantasien erlaube ich mir aber nicht. Stattdessen freue ich mich, ohne größere Quälerei im Soll zu liegen und träume vom negativen Split. Und tatsächlich drücke ich ab km 11 ein wenig auf die Tube, so dass ich langsam aber sicher ein paar Begleiter abschütteln kann, darunter ein schweratmender Langhaariger. Bei seinem Lungengerassel stelle ich sein Finish heimlich in Frage.

Dann kommt mein großer Moment! Ich überhole die pinke Ellenbogenschwingerin, die nichts davon ahnt, dass mein Vorüberziehen für mich auch ein innerlicher Vorbeimarsch ist. Aufgrund der unkoordinierten Startaufstellung kommt immer mal wieder jemand von hinten in deutlich schnellerem Tempo vorbeigerannt. Als aber plötzlich der markante Pferdeschwanz des Langhaarigen wieder vor mir baumelt, wird mir klar, dass meine Anstrengung zur gefühlten Beschleunigung nur dazu reicht, das Tempo zu halten. Ich kann den Haarigen wieder abschütteln. Doch nach der letzten der beiden Holzbrücken auf der ansonsten topfebene Strecke zieht es mir urplötzlich mental den Stecker. Seit geraumer Zeit hält sich ein junger Mann im brauen Hemd tapfer an meiner Seite, nachdem ich ihn eingeholt hatte. Mit einem Mal verlässt mich  der Kampfeswille. "Nun überhol' doch endlich!", denke ich und gebe mich innerlich geschlagen. 

Währenddessen bekommt das Pulsmesserchen auf der Bühne einen Blumenstrauß gereicht. Es gibt zwar keine Ehrung für die gewonnene Altersklasse. Stattdessen werden die ersten sechs Damen im Gesamteinlauf ausgezeichnet, zu denen sie als fünfte Frau zählt.

Mein Blick zur Uhr bei Kilometer 20 baut mich noch einmal auf. 1:37 zeigt sie an! Damit es ist nun zu spät, um für eine sub 1:40 zu kämpfen, aber eine 1:40er Zeit ist noch realisierbar. Ich lege den schnellsten Kilometer des Rennens hin und bekomme nach 1:40:27 die ersehnte Gurke von einer Frau in historischer Spreewald-Tracht um den verschwitzen Hals gehängt.

Dass ich mit dieser Zielzeit sogar meine optimistischste Prognose deutlich unterbiete, ist das Eine. Noch viel dankbarer bin ich aber dafür, seit dem verletzungsbedingten Ende meiner Ultrakarriere im Herbst 2019 heute meine längste Wettkampfdistanz  gelaufen zu sein - ganz ohne orthopädische Beschwerden!